Runden drehen

“La Bouche” von Luisa Irene Ickowicz im “El Camarín de las Musas”

Von Anna Weber

Carlitos läuft. Er könnte Straßen wählen, die Neues bringen, doch stattdessen dreht er Runden auf dem immer gleichen Platz. Mit, vor, hinter und neben ihm läuft Laura (Andrea Surdo). Sie ist Fitnesstrainerin mit krampfhaft optimistischer Feel Good-Mentalität und begleitet Carlitos (Carlos March) durch seinen Alltag, wie jemanden, den man durch eine Krankheit begleitet. Und irgendwie geht es in Luisa Irene Ickowicz’ Stück “La bouche” ja auch um die Krankheit “Leben”. Um das Nichts, die namenlose Angst davor und um all die Doktoren mit Facharzttiteln, die trotzdem nicht helfen können. Und deshalb läuft Carlitos. Seinen Namen ändert er täglich, wenn er den Telefonhörer abnimmt. Es macht ihm Spaß, die Leute zu verwirren, eine neue Identität anzunehmen, und für einen Moment lacht er sogar, bis ihn die Angst wieder einholt.

Die Personen, die Ickowicz auf der Bühne im Kreis laufen lässt, könnten unterschiedlicher nicht sein. Während Carlitos irgendwo zwischen Resignation und Existentialismus anzusiedeln ist, vertritt Laura unsere Optimismusgesellschaft mit Selbsthilfebüchern und engen Jogginghosen. Und doch scheint die Beziehung zwischen den beiden zu funktionieren. Trotz all der Unterschiede leisten sie sich Gesellschaft, sind ein bisschen weniger allein in diesem endlosen Nichts.

Das Nichts, das findet man auf der Bühne in geradezu physischer Form wieder. Da ist kein Bühnenbild, da sind keine Requisiten. Da sind nur das Stakkato der Joggingschuhe und das Echo der eigenen Worte, die in der Leere der Bühne widerhallen. Doch gerade durch diese Kargheit der Mittel nehmen die Worte unter dem Rhythmus der Schritte plötzlich Gestalt an, werden zu Körpern und füllen die Leere.

Was sich in “La bouche” auf der Bühne im Kreis dreht, das ist nicht neu. Man hat alles schon mal gesehen, gehört oder gelesen. Doch noch Tage später drehen sich auch die eigenen Gedanken um das Stück. “Warum laufen sie alle?”, fragt man sich, wenn da einer auf dem Gehsteig des Alltags an einem vorbei joggt.

Auch Carlitos läuft am Ende des Stücks noch immer und schon wieder. Doch plötzlich erinnert er uns daran, dass diese Leere der Bühne ja eigentlich ein Platz ist. Und auf dem Platz, da sind nun auf einmal Leute.

(Informationen zum Stück auf der Webseite alternativateatral.com.)

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