Auf der Suche

“Die Probe” von Lukas Bärfuss, inszeniert von Sergio Grimblat

Von Anna Weber

Am Anfang sind da keine Worte. Da ist ein Mann, der barfuß auf dem Küchentisch sitzt und im Takt der Musik seinen Unterarm streichelt. Es folgen Beschimpfungen, Flüstern, Schreie, Weinen, Gelächter, Worte und Schweigen. Und am Ende stehen da ein Mann mit versengten Füßen in Lederpantoffeln und eine Frau, die ihr Kind alleine im Wagen lässt, um Bäume anzuschreien.

Was sich in Lukas Bärfuss‘ Stück “Die Probe” zwischen Anfang und Ende sonst noch ereignet, lässt sich mit Worten lediglich skizzieren. Da ist eine Familie, ein Vaterschaftstest und ein falscher Vater. Da ist Peter, der nun plötzlich seine Identität als glücklicher Vater verliert. Ana, die ihn liebt, betrügt und wieder liebt. Großvater Simon, ein Mann leerer Reden, der über einem aussichtslosen Wahlkampf seine Familie vergisst. Seine Frau Elena, die aus Indien eingeflogen wird und die Familienkrise mit spirituellem Rat zu lösen versucht. Und da ist Peña, Simons glatzköpfiger Assistent, der sich in die Rolle des Ersatzsohns zu schleimen versucht.

Bei Bärfuss wird die Familie zum Mikrokosmos, alle sind sie vertreten: Der Verzweifelte, die Schöne, der Gewissenlose, die Sanfte und der Verräter. Da sind Liebe, Hass, Verdrängung und Eifersucht, Macht, Trauer, Ehrgeiz und Zweifel. Alles findet Platz bei Bärfuss, ohne dass das Stück überladen wirkt.

Schlicht ist auch das Bühnenbild und trotz Schreien und Weinen ist Sergio Grimblats Inszenierung einfach und authentisch. Gesten, Blicke und Mimik sind stets lauter als die Stimmen. Da wird nichts anderes als der Mensch gezeigt, in seiner ganzen Komplexität und Einfachheit.

Das Leben wird zur Probe, zur Suche nach Glück und Identität. Bärfuss stellt einen Lebensentwurf nach dem anderen auf die Bühne, nur um ihn gleich darauf wieder zu demontieren, ohne zu verurteilen. Weder der Familienvater, noch der Politiker, noch die Esoterikerin haben die Antworten auf die großen Fragen gefunden. Alle finden sie ein bisschen Glück, doch nie ist es von Dauer.

So düster das Ganze klingt: Man lacht. Zu absurd ist dieses Leben, um es allzu ernst zu nehmen. Doch auch der Humor wirkt niemals plump, er blitzt hin und wieder auf, nur um gleich darauf wieder zu verschwinden.

Die Familie Korach könnte jede Familie sein. Und doch ist sie auf ihre eigene originelle Weise unglücklich. Fast ist es, als hätte sie in diesem Unglück und in der Art, damit umzugehen, endlich eine Identität gefunden.

Und ganz am Ende? Ganz am Ende ist da ein Schuss. Und ein Schrei durch das Babyphone.

  • “La prueba” von Lukas Bärfuss (Schweiz)
  • Regie: Sergio Grimblatt
  • Mit Alberto Dobisky, Graciela Pereyra, Ernesto Rowe, Gustavo Cenatiempo, Karen Koch
  • Unter der Schirmherrschaft der Schweizer Botschaft
  • Donnerstags 21.30 Uhr
  • El Camarín de las Musas, Mario Bravo 960, Tel.: 4862-0655
  • Eintritt 50 Pesos, Studenten und Rentner 35 Pesos

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