Warten im Nirgendwo
Ana Alvarados poetische Inszenierung von Amancay Espíndolas “Ojos Verdes”
Von Karlotta Bahnsen
Wie spät ist es? Das Wetter ist feucht-kalt, dabei ist doch Sommer, oder? Zwei Frauen warten auf einen Zug an einer Station mitten im Nirgendwo. Zunächst stehen sie sich fremd gegenüber, die Ältere, bewaffnet mit einem Jagdgewehr, die Jüngere, Schauspielerin mit Rollkoffer auf Tournee. Plötzlich ein Geräusch, wie ein Flüstern oder ein elektronisches Glitschen. Wilde Hunde oder Geister der Vergangenheit, und sie sind gefährlich. Bedrohung von Außen auf der Haltestellen-Insel in einem undefinierten Raum, der sich permanent verändert. Die Videoprojektionen von Silvia Maldini und die Klangkompositionen von Cecilia Candia schaffen einen eigenen amorphen Raum außerhalb des minimalistischen Bühnenbildes, welches aus einer einfachen grünen Holzbank besteht. Das öffnet das Stück, lässt Raum für die Geschichten seiner Figuren Alcira und Estela und das Schauspiel von Estela Garelli und María Zubiri, von denen man sich als Zuschauer gerne mitnehmen lässt.
Wartend erinnern sich die Frauen an den Grund für ihre Reise. Alcira will zu einem Mann mit grünen Augen, der ihr einst einen Brief schrieb, Stella tourt mit einem Theaterstück, auch sie kannte mal einen Mann mit schönen grünen Augen, glaubt sie sich zu erinnern. Die beiden Frauen scheinen plötzlich nicht mehr so verschieden zu sein. Ihre Geschichten weisen seltsame Ähnlichkeiten auf, ihre Erinnerungen scheinen zu fusionieren. Gemeinsam lassen sie Situationen der Vergangenheit wieder zum Leben erwachen.
Aber war es wirklich alles so? Estela ist nach eigenen Angaben eine chronische Lügnerin. Eigentlich unwichtig, denn die Realität des Stückes entsteht in der Begegnung seiner Figuren, im Augenblick. Was wirklich da draußen im Dunkel der Landschaft passiert, woher die Geräusche kommen oder ob Estela wirklich ein Fernsehstar aus einer Daily Soap ist, kann schließlich nur vermutet werden. Schön ist dieser Raum, den der Dramentext lässt und den auch das Regiekonzept gelungen hervorhebt. Grenzen dürfen sich verschieben, und weder Klang- noch Videokunst werden illustrativ zu sehr in die Pflicht genommen und bilden so je eigene künstlerische Ebenen im Stück.
Die Poetik, die dabei zuweilen entsteht, und das Herzblutschauspiel der Darstellerinnen lassen über weniger funktionierende Momente der Interaktion zwischen Bühnengeschehen und Videoprojektionen hinwegsehen.
(Sonntags 21 Uhr, Teatro El Extranjero, Valentín Gómez 3378, Eintritt: 60/40 Pesos)