Knapp daneben ist auch vorbei

“El hombre rebobinado” von Margarita Bali

Von Karlotta Bahnsen


Von außen sieht man der Sala Loft seine Theateraktivität nicht unbedingt an. Bin ich hier richtig? Ich klingle. 1°7 und mir wird geöffnet. Fahrstuhl in den ersten Stock. Alles ist sehr intim, es gibt Wein in Plastikbechern und Knabberzeug, von dem mir nichts angeboten wird. Das öffentliche Ereignis Theater in einen privaten Wohnraum zu verlegen, lässt plötzlich alle mit dem Ereignis verbundenen Codes obsolet werden. Eine Grenze verschiebt sich mit leisem Knirschen. Es entsteht Spannung. Was gehört zum Stück, was nicht? Und irgendwie hat es seinen Reiz, dass Teile des Wohnraums erkennbar bleiben und der Raum an sich nicht “nüchtern” ist. Man weist uns Plätze in der ersten der zwei Stuhlreihen zu. Alles passt so gerade eben in die Wohnküche von etwa 30 Quadratmetern. Auf den weißen Teppich vor unseren Füßen werden gerade wabernde blaue Quallen projiziert. Als einzige Bühnenelemente gibt es ein weißes Sofa und eine Art schrägen Tisch.

Margarita Bali konzipierte ihr Tanz-Theaterstück mit Videoprojektionen, die mit Hilfe von nicht weniger als acht Projektoren die Wände, Boden und Bühnen-Elemente zum Leben erwecken sollen. Mit den Projektionen entsteht die Möglichkeit, nicht-linear die Geschichte eines Mannes (Sandro Nunziata) zu erzählen, der eine spezielle Vorliebe für Bilderrahmen besitzt und anscheinend einen für sein Alter recht unkonventionellen Lebensstil pflegt, nicht so richtig weiß, was er eigentlich will und sich deshalb mit seinen Frauen in die Haare kriegt. Sandro Nunziata ist dabei als einziger Darsteller auch real auf der Bühne präsent.

Die Idee, mit heterogenem Videomaterial nicht-chronologisch eine Geschichte zu erzählen und Erinnerungsräume sowie Gefühlszustände oder potenzielle Wirklichkeiten des Protagonisten in Form von Video Teil des unmittelbaren Bühnengeschehens zu machen, ist zwar nicht mehr neu, aber trotzdem toll. Den Tanz als Ausdrucksform für die Gefühlswelt der Darsteller zu wählen, macht auch Sinn. Was will man aber genau erzählen? Warum braucht man ein weißes Sofa auf der Bühne. um darauf dasselbe Sofa zu projizieren? Das Sofa ist das Zentrum der Bühne und zieht besondere Aufmerksamkeit auf sich. Hier sitzen, rein virtuell, der Mann und seine Frau und streiten sich darum, wo man die Bilderrahmen aufhängen könnte. Der Mann soll seine Füße gefälligst von der Couch nehmen und endlich mal einen Job suchen, der Geld ins Haus bringt, meint die Frau zwischen Geschichten über die Kinder und ihren eigenen stressigen Alltag. Thematisch sowie sprachlich ist das so banal und klischeehaft, dass man nach dem dritten Dialog eigentlich nicht mehr zuhören will, das Sofa-Zentrum dafür aber zu präsent ist.

Die Schwierigkeit, die sich in “Hombre rebobinado” stellt, ist die Verbindung von Bild mit Text und Bild ohne Text. Die sprechenden Personen haben, zumal im Zentrum der stillen Bildervielfalt platziert, eindeutig den Fokus. Die Alltäglichkeit der Unterhaltung wird so zum hell erleuchteten Mittelpunkt, während der real präsente Darsteller seiner Projektion hinterherhastet. Zweifellos gibt es auch poetische Momente in der Interaktion zwischen realem und virtuellem Körper, die Bühnenaktionen von Sandro Nunziata fallen allerdings durch fehlendes Licht im Bühnenraum kaum auf und wirken oft unkoordiniert. Hier wäre vielleicht doch ein professioneller Theaterraum dienlich gewesen, die Wohnung ist eigentlich zu eng für eine Installation dieses Ausmaßes.

Musikalisch wird das Stück mit einer Mischung aus rückwärtsgespielten Klängen, elektronischer- und Klaviermusik von Gabriel Gandin begleitet, dies aber leider erst nach der ersten Hälfte, wodurch sie nicht integrer Bestandteil des Geschehens wird und der Eindruck eines musikalischen Gesamtkonzepts fehlt. Der Klang bleibt so spärlich ausgeschöpftes Potenzial und lässt die Sprache meist ohne Musik, dafür aber teils mit schlechter Aufnahmequalität in der Luft hängen.

Insgesamt bleibt das Potenzial der formalen Ideen Margarita Balis sowie das künstlerische Potenzial ihres anscheinend hochkarätigen Teams hinter den Ungenauigkeiten der szenischen Umsetzung zurück.

  • “El Hombre rebobinado”
  • Sala Loft, Jorge Newbery 3571, 1°7
  • Freitags 20.30 Uhr

Foto:
Große Installation in zu engem Rahmen.

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