“Theater kann man nicht aus dem Internet runterladen”

Tim Robbins ist der Stargast der internationalen Spielzeit des San Martín-Theaters

Von Susanne Franz


“Theater ist die einzige Kunstform, die man nicht aus dem Internet klauen kann”, sagte der US-Schauspieler und Regisseur Tim Robbins am Montagvormittag bei einer Pressekonferenz im San Martín-Theater. Der Weltstar und Oscarpreisträger präsentiert in Buenos Aires mit seinem Ensemble “The Actors’ Gang” das Theaterstück “1984” nach dem Roman von George Orwell. Die Bühnenadaptation schuf Michael Gene Sullivan. Im Rahmen der internationalen Spielzeit des San Martín-Theaters wird das Stück dreimal in der argentinischen Hauptstadt aufgeführt – alle Vorstellungen waren innerhalb kürzester Zeit ausverkauft.

Nicht nur die Bedeutung des Theaters als authentischste aller Künste ist für Tim Robbins der Beweggrund, Theater zu machen: “Für mich ist das Theater die Möglichkeit, ehrlich zu bleiben.” Der Status des Hollywood-Stars bedeute eine ständige Verführung, der Oberflächlichkeit zu verfallen. “Man kann sich selbst verlieren, denn wenn man berühmt wird, ist die Versuchung groß, zu glauben, dass man dem Image, das man nach außen hin hat, auch tatsächlich entspricht.” Es gebe nichts Geeigneteres, einen auf den Boden zurückzuholen, als auf einer Bühne zu stehen.

Eine Reise wie diese Lateinamerikatournee – “The Actors’ Gang” zeigte “1984” Anfang April schon auf dem Iberoamerikanischen Theaterfestival von Bogotá – ist für Robbins eine Gelegenheit, in direkten Kontakt mit dem Publikum zu kommen. Einige Kinoschauspieler hätten diese Chance nie, sagt er. “Für mich ist das ein Segen.”

“1984” ist für ihn heute aktueller denn je. “Orwell hat den Roman im Jahr 1948 geschrieben”, sagt Robbins, einen Roman, der sowohl den Kommunismus als auch den Faschismus verurteile. “Wir haben in den letzten 50/60 Jahren viele Beispiele dafür gesehen, wie totalitäre Staaten – rechte wie auch linke – Grenzen überschritten haben.”

Orwell habe in “1984” unter dem Eindruck der nuklearen Zerstörung von Hiroshima und Nagasaki über “die Natur des Krieges” geschrieben. Er habe vorausgesehen, wie es einer Regierung zugute komme, ununterbrochen Krieg gegen einen “unsichtbaren Feind” zu führen, um der herrschenden Klasse den Machterhalt zu sichern und die Mittel- und Unterschicht zu kontrollieren. Dazu gehöre auch die Schaffung eines Klimas der ständigen Angst. Die Drogenkriege oder den Terrorismus habe Orwell nicht voraussehen können, wohl aber habe er das Konzept verstanden, wie diese instrumentalisiert werden könnten.

Allerdings handelt “1984” Tim Robbins zufolge auch von der Durchsetzungskraft der Liebe und davon, dass man, egal, was in einer Gesellschaft geschieht, “immer frei sein kann, wenn man seinem Herzen folgt”.

Dass er selbst, trotz aller Berühmtheit, das Herz auf dem rechten Fleck hat, bewies Robbins bei der Entgegennahme des Podestá-Preises für sein Lebenswerk, der ihm im Anschluss an die Pressekonferenz vom nationalen Schauspielerverband überreicht wurde. “Es ist nicht einfach, Schauspieler zu sein”, sagte er zu seinen argentinischen Kollegen, “alle in deiner Familie warnen dich und sagen dir, dass du doch was Vernünftiges tun sollst – deine Eltern, die Omas, die Geschwister. Es ist fast so, als ob das eine leichtfertige Lebensentscheidung wäre.” Dabei sei es in Wahrheit ein Beruf, in dem sich alles um die Liebe drehe und in dem man als Künstler die Aufgabe habe, den Menschen Wahrheiten nahezubringen und sie emotional zu berühren.

“In unserer ‘Actors’ Gang’ verfolgen wir eine strikte ‘Keine-Arschlöcher-Politik'”, hob Tim Robbins auch die Bedeutung des absoluten Vertrauens innerhalb der Theatergruppe hervor. “Das Theater muss ein sicherer Raum bleiben, in dem man auch mal versagen darf.”

Fotos von oben nach unten:

Tim Robbins in Buenos Aires.

Tim Robbins (2.v.r.) auf der Pressekonferenz am Montag, mit Alberto Ligaluppi, dem Direktor des San Martín-Theaters (li.), Hernán Lombardi, dem Kulturminister der Stadt Buenos Aires (2.v.li.), und dem Dolmetscher Alejo Magariños (r.).
(Fotos: Carlos Flynn)

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