Remix der Zeichen

Theater-Erstlinge im sechsten Zyklus des Projektes “Óperas Primas” im Centro Cultural Rojas

Von Karlotta Bahnsen


Das Centro Cultural Rojas zeigt im Rahmen des Projektes “Óperas Primas” Stücke junger Künstler, die sich zum ersten Mal an der Regie eines Theaterstücks versuchen. Auch Luis Garay ist eigentlich Choreograf, in “La tierra tendra dos soles” setzt er sich mit dem komplexen Zeichensystem des Theaters auseinander. Seinen tänzerischen Hintergrund merkt man dem Stück an: der Körper spielt eine entscheidende Rolle – er steht im Mittelpunkt, nicht der Dramentext.

Die einzige Darstellerin des Stücks, Maria Alche, legt Spuren im kargen Bühnenraum, die zu einer Geschichte gehören. Eine zerbrochene Tasse, verschüttete Tomatensoße, der Abgrund zu hoher Absätze und das wiederholte Abspulen eines Dialogs zwischen Familienmitgliedern um eine schwangere Tochter. Eine lineare Handlung oder gar einen dramentypischen Spannungsbogen gibt es nicht. “Me caigo”, sagt Maria, “ich falle”. Und nochmal: “Me caigo”, dann sackt sie in sich zusammen, steht wieder auf um wieder hinzufallen. Die Wiederholungen wirken wie die Übung für den Ernstfall.

Die theatertypische Illustration des Textinhalts durch eine Handlung wird hier durch zeitliche Verzerrung absurd und so als leere Konvention entlarvt. Nebenbei stellt sie gekonnt die Zeitstruktur auf den Kopf, hebelt so spannungssteigernde Mechanismen aus und wirft Fragen zu Ursache und Wirkung im Bühnengeschehen auf. Anfang und Ende koexistieren im geschaffenen künstlichen Raum.

Konventionen des Sprechtheaters werden von Garay genüsslich zerlegt, neu kombiniert und dadurch im hierarchischen Zeichensystem neu bewertet. Hier werden Fragen an die Kunstform Theater gestellt, der Bruch ist Prinzip und nichts ist selbstverständlich.

Heißt Schauspielen, den Platz eines anderen einzunehmen? Aber wer ist dieser Andere? Eine fiktive, körperlose Figur. Der Körper im Bühnenraum ist mittlerweile mehr wert als jede Art von psychologisch-realistischer Rollenarbeit. Wen Maria Alche darstellt, bleibt offen. Mal beschreibt sie als allwissende Erzählerin eine Szene von außen, mal spricht sie alle Rollen gleichzeitig oder gibt Regieanweisungen. Der Text wird zum schieren szenischen Element in einer Polyphonie theatraler Zeichen.

“La tierra tendra dos soles” spielt noch am 27. April sowie am 4., 11. und 18. Mai jeweils um 22 Uhr im “Cancha”-Saal des Centro Cultural Rojas, Av. Corrientes 2038, Tel.: 4954-5521. Der Eintritt kostet 20 Pesos. Infos, auch über die anderen Stücke des “Óperas Primas”-Projektes, auf der Webseite des Kulturzentrums.

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