Von vielen verachtet

Politikverdrossenheit

Von Friedbert W. Böhm


Seit einigen Jahren ist dieser Begriff in der westlichen Welt immer häufiger zu hören. In Argentinien fand er 2002 seinen Ausdruck in “¡Que se vayan todos!” (Sollen Sie doch alle zurücktreten!). Politiker gelten zunehmend als egoistische Machtmenschen, denen das Wohl der Gesellschaft wenig oder nichts bedeutet. Sie werden deshalb von vielen verachtet.

Einher geht diese Entwicklung mit der Beobachtung, dass die Schamlosigkeit einer immer größeren Zahl von Politikern ein jeder Erklärung zu spotten scheinendes Ausmaß erreicht hat.

Es gibt aber eine Erklärung: “Wenn ich als Politiker ohnehin verachtet werde”, mögen sich zahlreiche dieses Berufsstandes denken, “dann wären meine Bemühungen um eine seriöse Amtsführung von vorneherein vergebens. Also nutze ich alle mir zur Verfügung stehenden Möglichkeiten, auch die unanständigen, auch die illegalen und sogar die nicht zu verbergenden, um mir ungerechtfertigte Vorteile zu verschaffen”. Ist der Ruf einmal ruiniert, sündigt man ganz ungeniert, oder, auf Argentinisch, “¿qué le hace una mancha más al tigre?” (Noch ein Flecken mehr kann dem Tigerfell ja wohl nicht schaden).

Dies dient natürlich nicht dazu, die Politikverdrossenheit zu verringern. Es sollte uns aber anspornen, den glücklicherweise gar nicht so wenigen redlichen Politikern umso größeren Respekt entgegenzubringen.

Foto:
Wirtschaftskrise 2001/2002 in Argentinien, fünf Präsidenten in wenigen Tagen: Wer dieses Chaos erlebt hat, ist heute eher vorsichtig, wenn es darum geht, alle Politiker aus dem Amt treiben zu wollen.

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