Kämpfer für Gerechtigkeit
Alfredo Bauer stellte seine als Pentalogie erschienenen “Vorgänger” im April persönlich in Österreich vor
Von Susanne Franz
Seine Lesereise nach Österreich im April 2012 war wie ein kleiner Siegeszug durch die alte Heimat. Man müsse schon lange niemandem mehr “eintrichtern”, wer Alfredo Bauer sei, schreibt sein Freund, der bekannte österreichische Autor Erich Hackl, in der Tageszeitung “junge Welt” über den 87-jährigen österreichisch-argentinischen Kollegen, diesen “aus Wien vertriebenen Schriftsteller, der seinem Zufluchtsland Argentinien (…) tief verbunden ist (…) und zugleich internationalistisch wie kaum jemand sonst”.
Alfredo Bauer selbst ist bescheiden, als er über die Vorstellung seiner Pentalogie “Die Vorgänger” erzählt, in der er Elemente seiner Familiengeschichte fiktionalisiert und mit geschichtlichen Ereignissen verwebt. Anstrengend sei die Reise gewesen, sagt der Autor und ist dankbar, dass seine Tochter ihn vom 19. bis 28. April auf die fünf Lesungen in Wien, Linz, Salzburg und Innsbruck begleitet hat. Am 23. April war Erich Hackl an seiner Seite, als er das im Verlag der Theodor-Kramer-Gesellschaft Anfang April erschienene 767-Seiten-Mammutwerk im Adalbert Stifter-Haus in Linz präsentierte, und am 25. April, im Literaturhaus in Innsbruck, ein weiterer berühmter Freund: der bedeutende österreichische Dramatiker Felix Mitterer, dessen Werk Bauer durch seine Übersetzungen auch in Argentinien und Lateinamerika bekannt gemacht hat.
Abgesehen davon, dass Österreich “ein Schmuckkästchen” sei, stellt Alfredo Bauer fest, dass sich “die Denkweise der Gesellschaft von engstirnig zu offen gewandelt” habe. Das heutige starke Interesse an der Exilliteratur habe bis in die 80er Jahre gar nicht bestanden – nach Bauers Meinung “hat das die Waldheim-Affäre ins Rollen gebracht”.
Auch in den neuen sozialen Netzwerken findet man überall Resonanz auf Bauers Lesereise. Zu seiner Pentalogie heißt es auf der Facebook-Seite zur Ankündigung einer der Lesungen: “Bauers fünfteiliger Zyklus ‘Die Vorgänger’ stellt eines der Hauptwerke der österreichischen Exilliteratur dar, eine Abrechnung mit der Geschichte von 1848 bis 1938, mit den Siegen und Niederlagen im Kampf um jüdische Emanzipation, Demokratie und soziale Gerechtigkeit in Österreich. Auf Spanisch erschien er bereits in den 80er Jahren unter dem Titel ‘Los compañeros antepasados’, nun liegt er erstmals vollständig in deutscher Übersetzung vor. Bauer verwebt Zeitgeschichte und Fiktion, Familien- und Weltgeschichte, trügerischen Glanz und werktätiges Streben im Leben seiner Figuren.”
Bauer erinnert sich, dass ihn ein Leser des ersten Bandes (erschienen 1985 unter dem Titel “Verlorene Hoffnung” im Verlag der Nation in Berlin), der die Geschichte von Alfredo Bauers Urgroßvater Adolf Beiersdorf erzählt, angerufen und ihn gefragt habe, ob er diesen Namen erfunden habe. Als er dies verneinte, rief der Anrufer aus: “Dann bist du mein Vetter!” Die Urgroßväter der beiden waren Brüder gewesen.
Endlich hat man nun die verstreut erschienenen und zum Teil längst vergriffenen Bände in der kompletten Ausgabe auf Deutsch vorliegen. “Ein Brocken von einem Buch”, nennt Bauers Freund Erich Hackl die Pentalogie und rät dringend, “es zur Hand zu nehmen, es aufzuschlagen und zu lesen zu beginnen, von vorn oder mittendrin”. Denn es es gehe eben nicht um verlorene Hoffnung, vielmehr sei es “die Zuversicht, die Alfredo zum Schreiben gebracht hat und am Schreiben hält, sein Glaube an die Kraft des geschriebenen Wortes und natürlich auch die Überzeugung, dass selbst die Niederlage wirkungsmächtig werden” kann. Insofern seien die “Vorgänger” nicht die vergangenen Gefährten, sondern “die, die uns vorangegangen sind, die vor uns, früher als wir, versucht haben, Gerechtigkeit zu schaffen”.
(Alfredo Bauer: “Die Vorgänger – Romanzyklus”. Verlag der Theodor-Kramer-Gesellschaft, Wien 2012, 767 Seiten, 36 Euro. Aus dem Spanischen von Alfredo Bauer und Christiane Barckhausen. Hrsg. von Monika Tschuggnall.)