Was der Pyjama hergibt

Die Rückkehr von Bersuit Vergarabat

Von Jürgen Ramspeck

Rückblende ins Jahr 2004. Bersuit Vergarabat traten im Estadio Ferrocarril Oeste beim Quilmes Rock auf. Was stach damals heraus? Die harmonische Reibeisen-Stimme von Gustavo Cordera, die weiten bunten schlafanzüglichen Kostüme der Bandmitglieder, das Entern der Bühne durch weibliche Fans beim Stück “La petisita culona” inklusive des Entblößens der Oberweite und das extreme Durchhaltevermögen bei fast drei Stunden Konzert mit Vollgas.

Rückkehr ins Jahr 2012. Bersuit Vergarabat kehrt nach drei Jahren Abstinenz auf die Bühne des Luna Park zurück. Was hat sich geändert? Die Stimme von Gustavo Cordera ist abwesend. Nicht jeder Band ist es in der Vergangenheit gelungen, den Abschied eines solch charismatischen Sängers zu verkraften. Bei Bersuit versuchen mit Daniel Suarez und Condor Sbarbatti gleich zwei Sänger mit verschiedenen Stimmfarben den Kraftakt. Es gelingt: Sbarbattis Stimmlage, die sehr zu den Reggaerhythmen passt und Suarez’ kraftvolle Rockstimme verschmelzen zu einer für das neue Bersuit unverwechselbaren Klangfarbe.

Die Schlafanzüge der Band sind zu noch krasseren Opa-Pyjamas mit blauen Vertikalstreifen mutiert. Gut 30 weibliche Fans aus den ersten Reihen dürfen wieder auf die Bühne, die blanke Oberweite blieb allerdings unter den Pullovern und T-Shirts. Sollten die Bandmitglieder etwa älter und reifer geworden sein?

Ein bisschen – aber nicht ganz, denn wieder sind es drei Stunden Vollgas auf der Bühne. Die Fans im Luna Park danken es. Spätestens nach einer knappen Stunde bei “El viejo de arriba” sitzt niemand mehr. Leider sind auf den Sitztribünen einige Plätze leer geblieben, Bersuit hätte sich für diese Rückkehr wahrlich eine volle Halle verdient.

Zum Repertoire gehören natürlich Klassiker wie “La soledad” und “La argentinidad al palo”, die alle Fans lauthals mitsingen, die Texte sind hinlänglich bekannt. Schwerer wird das Mitsingen bei den neuen Titeln des Comeback-Albums “La revuelta”. Leider schafft es der Tonmeister im Luna-Park nicht, Musik und Stimmen zu entzerren, so dass einige Stück nur als breiige Soße zu hören sind, die eigentlich spannenden Texte bleiben unidentifizierbar.

Mit Unterstützung alter und neuer Freunde überspielen Bersuit aber auch diese unerfreuliche Klippe. Gemeinsam mit den Auténticos Decandentes, die ebenfalls schon seit über 25 Jahren auf der Bühne stehen, und La Franela (ein Höhepunkt des Konzerts mit “Hacer un puente”) feiern La Bersuit eine Riesenparty auf der Bühne. Bis nach knapp drei Stunden die Pogo-Pyjamas die Bühne wieder verlassen – begleitet vom Dank der Fans und der Hoffnung auf eine kürzere Pause bis zur nächsten Rückkehr.

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