Wunder über Wunder

Italienische Meister im Museo Nacional de Arte Decorativo

Von Susanne Franz


Überwältigende Farbenpracht, entrückte Visionen, andächtige Anbetung: Seit dem heutigen Samstag ist im Museo Nacional de Arte Decorativo eine Ausstellung mit meisterhaften Gemälden renommierter italienischer Künstler aus sechs Jahrhunderten zu sehen. Unter dem Namen “Meraviglie dalle Marche. Seiscientos años de pintura italiana” (Wunder aus den Marken: 600 Jahre italienische Malerei) war die Schau mit ihren beeindruckenden religiösen Motiven zuvor in einem Flügel des Vatikanischen Museums zu sehen. Da das nächste Ziel der Sammlung aus 15 Museen bzw. Kirchen der Region, die “Pinacoteca Francesco Podesti” in Ancona, wegen Renovierungsarbeiten vorläufig geschlossen bleiben muss, wurde die Ausstellung auf Wanderschaft geschickt.

Welche Bedeutung die Region Marken dem Umstand beimisst, dass die 43 Meisterwerke nun in Argentinien gezeigt werden, wurde an der Tatsache deutlich, dass der Präsident der Region, Gian Mario Spacca, am Donnerstag persönlich bei der Vorstellung der Exposition für die Presse anwesend war, wo er mit viel Liebe und flammenden Worten (auf Italienisch) für den Landstrich zwischen Adria und Apennin warb, den die “New York Times” unlängst als “die Toscana der Zukunft” bezeichnet habe.

Produziert wurde die Schau vom argentinischen Kulturprojekte-Förderer Artifex, vertreten auf der Pressekonferenz durch seine Direktorin María Pimentel, und der italienischen Artifex, deren Vorsitzender Giovanni Morelli sich ebenfalls auf die Vielsprachigkeit der Pressevertreter verließ. 600.000 Euro für Transport und Versicherung zahlten die Artifex und Sponsoren wie der argentinische Anlageberater Hope Funds, um die Schau an den Río de la Plata zu bringen, erfuhren die Journalisten auf Nachfrage.

Auf dem Podium saß neben Alessandro Modiano, dem Vertreter der italienischen Botschaft, die die Ausstellung institutionell unterstützt, auch Museumsdirektor Alberto Bellucci, dem die Aufgabe zukam, die Begrüßungsworte zu sprechen und seinem Dank an alle Ausdruck zu verleihen – wobei er seinen Mitarbeitern im Museo Nacional de Arte Decorativo höchstes Lob für ihren Einsatz zollte.

Mit viel Spannung warteten die Pressevertreter auf die Worte des Kurators Prof. Dr. Ángel Navarro, anerkannter Kunsthistoriker der Universidad de Buenos Aires, der mit entwaffnender Offenheit erklärte, dass er zunächst von dem Angebot, die Schau zu kuratieren, überrascht und überfordert gewesen sei. “Ich konnte doch nicht hingehen und sagen, häng mal den Rafael da hin und den Tizian dort hin!”, sagte er unter dem Gelächter der Fachjournalisten. Dass er seinen Job hervorragend gemacht hat, konnte man auf dem anschließenden Rundgang sehen, bei dem er mit Sach- und Detailkenntnis und großer Begeisterung über viele der dort versammelten, beeindruckenden Meisterwerke sprach.

Vielleicht hängen hier nicht die bekanntesten Versionen von Rafaels “Katharina von Alexandria” oder Tizians “Wiederauferstehung”, aber das tut der großartigen Wirkung der Schau keinen Abbruch. Anhand von Werken von Meistern wie Guercino, Luca Giordano oder Maratta erhält man einen bereichernden Einblick in die religiöse Ikonographie der italienischen Malerei aus mehreren Jahrhunderten, von der Spätgotik (Olivuccio Ciccarello oder Paolo Veneziano) über den monumentalen Neoklassizismus (Adolfo de Carolis) bis zum späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.

Drei Monate lang, bis zum 30. September, wird die einzigartige Schau, die von der argentinischen Regierung zum “Gegenstand nationalen Interesses” erklärt wurde, zu sehen sein. Es wird immer nur eine bestimmte Zahl an Besuchern eingelassen, denn die Schau ist auf einen relativ engen Raum beschränkt, weil die grandiosen Werke an Stellwände montiert werden mussten, da der Palacio Errázuriz, in dem sich das MNDA befindet, unter strengem Denkmalschutz steht und keine Wand, nicht einmal der Boden, verändert werden durfte.

Die Eintrittskarte kostet 30 Pesos, für Rentner und Studenten ermäßigt 10 Pesos; dienstags ist der Eintritt frei. Dienstags bis sonntags gibt es ab dem 14.7. Führungen um 14.30, 16.30 und 17.30 Uhr. Als Begleitprogramm wurde ein 10-teiliger Vortragszyklus organisiert.

  • Museo Nacional de Arte Decorativo, Av. del Libertador 1902, Buenos Aires. Di-So 14-19 Uhr, montags geschlossen. Ab dem 14.7. ist das Museum samstags und sonntags von 12-19 Uhr geöffnet. Infos auf der Webseite des Museums.)

Foto:
Cristoforo Roncalli, genannt Pomarancio, “Heilige Familie mit dem hl. Johannes als Kind”, 1609.

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