Verloren und verfolgt in der Fremde

Bafici-Gewinnerfilm von 2011 “Figuras de guerra” zeigt das Leiden und Leben von Migranten im französischen Calais

Von Fabian Vögtle


Sie sind oft Monate oder Jahre unterwegs, passieren zahlreiche Länder, kämpfen sich ohne Trinkwasser tagelang durch die Wüste und überqueren auf einem Fischerboot das Mittelmeer Richtung Spanien oder Italien. Viele überleben diese Torturen erst gar nicht. Am Dienstag dieser Woche starben wieder einmal 54 Flüchtlinge aus Libyen auf offenem Meer – kurz vor der italienischen Küste.

Viele der afrikanischen Immigranten schaffen es dennoch bis nach Europa, ihre Leidenszeit ist damit jedoch noch nicht zu Ende. Das macht der französische Regisseur Sylvain George mit seinem Dokumentarfilm “Figuras de guerra” eindrucksoll deutlich. Drei Jahre lang begleitete er mit seinem Team Immigranten, die im nordfranzösischen Calais auf eine Weiterfahrt nach England hoffen. Er lässt die jungen Männer aus Nigeria, Libyen oder auch Pakistan ihre Geschichten erzählen. Deren schreckliche Erlebnisse aus der Heimat und von ihrer jahrelangen Flucht, auf der sie zahreiche Freunde und Familienmitglieder verloren, lassen einen erschaudern. Es sind die emotionalsten Momente dieses Filmprojekts und auch eine Anklage gegen die herrschende Machtelite ihrer Staaten.

Der schwarz-weiße, über zweieinhalb Stunden lange Streifen ist aber vor allem auch eine Kritik an der europäsischen Immigrantionspolitik, allen voran an Frankreichs Regierung von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy. Die Polizei wird als autoritäre Staatsmacht dargestellt, die rund um die Uhr hinter den Immigranten her ist. Dieser Eindruck wird dadurch verstärkt, dass George mit seiner Kamera nicht von den Flüchtlingen abrückt und so immer deren Sicht auf die nach ihnen fahndenden Polizisten einnimmt. Diese spüren sie in Parks und vor allem am Hafen auf, wo sich die Flüchtlinge erhoffen, in LKWs auf einem Schiff oder einem Zug im Eurotunnel durch den Ärmelkanal nach England zu kommen.

Den Höhepunkt der gnadenlosen französischen Migrationspolitik bildet die gewaltsame Auflösung eines von den Immigranten selbst errichteten Camps mit Zelten und Hütten. Dieses wird auch gegen den Widerstand zahlreicher französischer Demonstranten, die zur Solidarität mit den Migranten gekommen sind, früh morgens gestürmt.

Wie es mit den teils minderjährigen Immigranten weitergeht, wird zwar nicht beantwortet, und es wird auch nicht die Geschichte eines einzelnen “erfolgreichen” Migranten, der es nach England schafft oder woanders eine Aufenthaltsgenehmigung erhält, geschildert. Vielmehr geht es George, dessen Dokumentarfilm auf dem Bafici-Filmfestival in Buenos Aires 2011 als “Bester Film” ausgezeichnet wurde und auch in Europa zahlreiche Preise gewann, um die Darstellung des täglichen Überlebenskampfes der Migranten: ums Essen, um einen Schlafplatz, um ihre Verletzungen und besonders um die Angst vor der Ungewissheit.

Der Film läuft seit dem heutigen Donnerstag im Leopoldo Lugones-Saal des San Martín-Theaters (Av. Corrientes 1530). Die insgesamt 16 Vorstellungen sind vom 12.2. bis zum 15.7. um 21 Uhr, vom 17.7. bis zum 22.7. um 14.30 und 18 Uhr. Weitere Informationen findet man auf der Hompepage des Complejo Teatral de Buenos Aires.

  • “Figuras de guerra” (Qu’ils reposent en révolte – Des figures de guerre) – Frankreich 2010. 153 Min. Dokumentarfilm. Regie: Sylvain George.

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