Frauenpower auf der Bühne

Jean Genets Tragödie “Las Criadas” im Teatro Alvear

Von Fabian Vögtle


Wenn die Señora unterwegs ist, spielen ihre Dienstmädchen Clara und Solange das übliche Spiel der Unterwerfung und Demütigung. Eine der Zofen schlüpft in die Rolle der Dienstherrin. Sie bedient sich an deren Kleiderschrank, kommandiert ihre Schwester herum und karikiert so die feine Dame. Es ist ein Schauspiel innerhalb des Schauspiels, das Paola Barrientos (Solange) und Victoria Almeida (Clara) auf der Theaterbühne zeigen.

Als ihre Señora – gespielt von der überragenden Marilú Marini – zurückkommt, ändert sich dieses Ritual und es wird schnell klar, wer Herrin im Haus ist. Sie schickt ihre zwei Untergebenen hin und her, schreit sie mit ihrer hohen Stimme auf Französisch zusammen, lässt keine sexuellen Anspielungen aus. Auf der anderen Seite lobt sie die beiden, macht ihnen hin und wieder Komplimente und schenkt jeder eines ihrer Kleider. Wenn sie ihre Perücken wie Schmuck vor dem Spiegel probiert und sich dabei einen Zigarrillo anzündet, wirkt das authentisch und lächerlich zugleich. Das Stück wird zur Komödie und sorgt für Lacher im Premierenpublikum.

Jean Genet ließ sich für seine 1947 in Paris uraufgeführte Tragödie von einer wahren Geschichte inspirieren, die sich 1933 in Frankreich ereignete. Zwei Schwestern hatten ihre Dienstherrin und deren Tochter ermordet. Bei Genet und in der gelungenen, weil kurzweiligen Inszenierung von Ciro Zorzoli jetzt in Buenos Aires, wollen sie die gehasste wie geliebte Señora vergiften – mit einem Lindenblütentee. Doch der Plan misslingt, da sich ihre umtriebige Chefin gleich wieder auf den Weg macht, um ihren aus dem Gefängnis entlassenen Mann abzuholen, der erst gar nicht auftritt, weshalb das Stück von dreifacher Frauenpower lebt. Die Zofen hatten ihn zuvor mit falschen Anschuldigungen dorthin gebracht, um ihn aus dem Weg zu schaffen und ihrer Dienstherrin den ersten Streich zu spielen. Nun scheitern sie an ihrer Intrige und bringen diese in vertauschten Rollen zu Ende, indem sich eine von beiden als Herrin mit dem Tee selbst vergiftet.

Zorzolis Interpretation von Genets Tragödie besticht allen voran durch die schauspielerische Glanzleistung Marilú Marinis, die mit ihren 67 Jahren wie eine 30-Jährige über die Bühne stolziert. Leider ist die in Frankreich ansässige Argentinierin nur in einem Drittel der 90-minütigen Aufführung zu bewundern. Den lautesten Applaus bekommt sie vom Publikum trotzdem.

  • “Las Criadas”, Teatro Presidente Alvear, Av. Corrientes 1659. Mittwoch bis Samstag 21 Uhr, sonntags 20 Uhr. Parkett $80, Rang $60, Tertulia $35, mittwochs Parkett und Rang $40, Tertulia $ 25.

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