Tango-Auszeit

Katharina Deissler studiert in Leipzig Violine und ist für ein Jahr aus ihrem klassischen Studium in Buenos Aires’ Tangowelt eingetaucht

Von Fabian Vögtle


An diesem Abend steht sie mit ihrer Violine auf der Bühne des Torquato Tasso in San Telmo. Für Katharina Deissler ist es eine große Ehre, hier auftreten zu dürfen. In einem der bekanntesten Tangolokale der Stadt, als Deutsche, die vor einem Jahr von Tango noch gar keine Ahnung hatte. Nun überzeugt sie in einem Quartett an der Seite des Bandoneonisten Ariel Hernández und wirkt so cool, als würde sie schon seit Jahren zur Tangoszene dazugehören. Es ist ihr letztes Konzert in Buenos Aires und man merkt, wie sie das genießt.

Aus dem Publikum sind Bravo-Rufe für die 24-Jährige hören. Sie kommen von keiner Geringeren als Amelita Baltar, die sich an diesem Abend unter die Touristen und Tangofans gemischt hat. Die 71-jährige Sängerin und Ex-Partnerin von Astor Piazzolla kommt für das letzte Stück auf die Bühne und präsentiert zusammen mit den ihr teils bekannten Musikern den Hit “Vuelto al sur” in Anspielung auf Hernández, der die letzten 20 Jahre in Europa und vor allem in Madrid gewirkt hat.

Mit dem Album “Tango Groove”, das er mit seinem Quartett, dem außer Deissler noch Pianist Martín Robbio und Guillermina Isturiz am Kontrabass angehören, jetzt vorstellt, meldet er sich derzeit zurück in seiner Heimat. Es ist kein klassischer Tango. In seinen Stücken kommt mal Elektromusik, mal Flamenco und vor allem viel Jazz vor. Im Tasso spielen sie unter anderem den “Broken Jazz”. Traditionell schmachtende Tango-Rhythmen wechseln sich mit lauter und schneller Jazz-Musik ab. Es gleicht einer Explosion. Diesen Kontrast kann man mögen oder nicht. Jedenfalls zeigt er die künstlerische Klasse und Vielfalt des Quartetts.

Katharina Deissler ist für 12 Monate vollkommen in diese Tangowelt eingetaucht. Zwar war sie 2007 schon mal in Argentinien und auch in Buenos Aires – ein Grund, wieder zurückzukehren. Doch am Anfang wusste sie fast nichts über die kulturelle Bedeutung und Faszination des Tangos. In Deutschland kam sie mit den “Vier Jahreszeiten” von Piazzolla in Kontakt, mehr kannte sie nicht. “Ich hatte gar keinen Schimmer. Das hätte auch schiefgehen können”, sagt sie rückblickend. Doch sie hatte das Glück, schnell Leute aus der Tangoszene kennenzulernen. Sie nahm einen Job in einer Tanguería als Aushilfe in einem Quartett an, spielte in den Orchestern der “Escuela de Música Popular de Avellaneda” und in der “Escuela de Tango Orlando Goñi”, wo sie auch Kurse besuchte. Einmal die Woche kam sie zudem in den Genuss, bei Leonardo Ferreyra, dem ehemaligen Konzertmeister des “Orquesta Municipal del Tango de la Ciudad de Buenos Aires”, Unterricht zu nehmen.

“Es ist eine ganz andere Welt hier, diese Populärmusik lebt von den Leuten und dem Ausdruck der Musik”, schwärmt Deissler über ihr nun zu Ende gehendes Jahr in Argentiniens Hauptstadt. “Du wirst Teil einer Struktur. Das jetzt alles hinter sich zu lassen, ist schon komisch”, ergänzt sie wehmütig. Das Jahr habe für ihre klassische Hochschulkarriere nichts gebracht. Doch sie wollte diese Auszeit vom Diplom-Studium an der Hochschule für Musik und Theater Mendelssohn Bartholdy in Leipzig unbedingt – um einfach mal eine ganz andere Musik und Kultur kennenzulernen. Nun kehrt sie wieder nach Deutschland zurück, um noch zwei weitere Jahre klassische Violine und Musik zu studieren.

Doch sie will auch dem Tango treu bleiben. Für Januar plant sie, zusammen mit Argentiniern in Berlin aufzutreten, und wenn es klappt, würde die aus Freiburg kommende Deissler gerne ein kleines Tango-Ensemble gründen.

Foto:
Katharina Deissler im Torquato Tasso.
(Bild: Gastón Bardy)

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