“Glück” und noch viel mehr

12. “Festival de Cine Alemán” eröffnet

Von Susanne Franz


Sieben Tage Filmspaß pur: Am Donnerstagabend wurde im Kinokomplex Village Recoleta das 12. Deutsche Kinofestival von Buenos Aires eröffnet, das bis zum kommenden Mittwoch, dem 19. September, das Beste vom Besten der jüngsten deutschen Filmproduktionen zeigt. “Wer hätte das vor 12 Jahren gedacht!”, sagte Festival-Chef Gustav Wilhelmi von German Films am Dienstagabend bei der Pressekonferenz im Deutschen Klub von Buenos Aires vor einem voll besetzten Saal. Vor 12 Jahren war das erste Festival mit “Bin ich schön?” von Doris Dörrie eröffnet worden. Die deutsche Regisseurin reiste mit ihrer kleinen Tochter (die auch mitgespielt hatte) an und präsentierte den Film persönlich. Dabei war sie erstaunt, wie viele Fans sie an einem so weit abgelegenen Ort der Erde hat.

2012 war Dörries jüngster Streifen “Glück” der Eröffnungsfilm des Festivals, und als Stargast durfte man den jungen Schauspieler Vinzenz Kiefer begrüßen, der neben Alba Rohrwacher die Hauptrolle in dem aufwühlenden Drama spielt. Der 1979 geborene Darsteller verkörpert den Punk Kalle, der in Berlin auf der Straße lebt. Er lernt die junge Osteuropäerin Irina kennen, die als Prostituierte arbeitet. Die beiden Außenseiter verlieben sich ineinander. Ein falsch interpretierter Todesfall treibt Kalle dazu, extreme Maßnahmen zu ergreifen…

Der sympathische deutsche Schauspieler, der gar nicht punkig aussieht, sondern eher wie ein Unistudent, wie einer der Journalisten anmerkte, erzählte auf der Pressekonferenz u.a., wie die blutigen Szenen im Film gedreht wurden. “Das sind seltsamerweise die Szenen, in denen am meisten gelacht wird”, sagte Kiefer. “Wahrscheinlich handelt es sich dabei um eine psychologische Übersprungshandlung.” Als er selbst den fertig geschnittenen Film gesehen habe, habe er in den wenigen “Horror”-Minuten wegschauen müssen, sagte der Star freimütig.

Viele der Festivalbeiträge, wie Wilhelmi eingangs kurz skizzierte, haben mit der Aufarbeitung der Geschichte Deutschlands zu tun. Die NS-Zeit etwa in “Wunderkinder” und das Phänomen der Neonazis im knallharten, aber hervorragenden Drama “Kriegerin”. Oder die ehemalige DDR, auf die im Dokumentarfilm “This Ain’t California” oder in “Westwind” mal ein ganz anderer Blick geworfen wird.

“Gibt es in Deutschland Ausländerfeindlichkeit?”, wurde Vinzenz Kiefer gefragt. “Ja”, sagte der Star, aber ohne dies entschuldigen zu wollen, wies er darauf hin, dass das überall auf der Welt der Fall sei. “Es ist die Angst vor dem Fremden, dem Andersartigen”, sagte Kiefer. “Wir müssen lernen – und es schon unseren Kindern beibringen – ohne Angst aufeinander zuzugehen.” Im Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit könnten laut dem Schaupieler gerade Filme eine große Rolle spielen, da sie oft junge Leute ansprächen, die keine politischen Sendungen im Fernsehen sehen oder Zeitungen lesen. “Im besten Fall kommen die aus so einem Film raus und beginnen nachzudenken”, sagte Kiefer.

Auch in “Glück” geht es um zwei aus der Gesellschaft Ausgestoßene, an denen man im Alltag einfach vorbeigehe, ohne zu verstehen, aus welchen Beweggründen sie ein solches Leben führten. Er selbst habe in der Vorbereitung auf seine Rolle als Straßenpunk in einer gemeinnützigen Hilfsorganisation für diese jungen Obdachlosen gearbeitet, sie kennengelernt und ihre Geschichten angehört. Das habe ihn nicht nur für die Rolle fit gemacht, sondern auch persönlich weitergebracht.

In dem sehr sehenswerten Film “El amigo alemán” von Jeanine Meerapfel, der am Dienstagabend als Avantpremiere beim Festival einmalig gezeigt wird (die Regisseurin wird anwesend sein) geht es um die deutsche und die argentinische Geschichte, zugleich erzählt der Film von einer großen Liebe, die fast unvorstellbare Grenzen überwindet.

Wilhelmi wies in seiner Ansprache darauf hin, dass das diesjährige Festival aber auch Komödien wie “Rubbeldiekatz” oder das spannende Abenteuer “Fünf Freunde” für die ganze Familie im Programm hat. Dazu wird ein Kurzfilmprogramm geboten und als krönender Abschluss ein Stummfilmklassiker mit Live-Musik, der mit Unterstützung des Goethe-Instituts Buenos Aires veranstaltet wird. Inge Stache, die Leiterin der GI-Cinemathek, gab Hintergrundinformationen zu “Die Weber” (1927). Michael Kratz, Kulturattaché der Deutschen Botschaft, die ebenfalls tatkräftig mithilft, dass das Festival veranstaltet werden kann, hob in seiner Rede besonders die deutsch-argentinischen Film-Kooperationen hervor, über die ein bilateraler Vertrag abgeschlossen worden sei. Von der positiven Aufnahme deutscher Filme beim argentinischen Publikum zeigte sich Kratz hoch erfreut.

Das Programm des 12. “Festival de Cine Alemán”, Hintergrundinfos, Trailer, etc., finden Sie auf der Webseite des Festivals. Hingehen lohnt sich!

Foto:
Filmszene aus “Glück”.

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