Mit “Glück” in Buenos Aires

Interview mit dem Stargast des 12. Deutschen Kinofestivals von Buenos Aires, Vinzenz Kiefer

Von Nina Obeloer

NO: Wie ist dein erster Eindruck von Buenos Aires?
VK: Super! Es gefällt mir hier gut, soweit ich das bisher überblicken kann. Nee, wirklich toll. Dieser Friedhof (in Recoleta, Anm. d. Red.) hat mich sehr fasziniert. Das war sehr beeindruckend. Und ein Steak habe ich gegessen, gestern Abend gleich. Das war etwas, das wollte ich gleich mal erledigen. Das hat phantastisch geschmeckt!

NO: Wie fühlt sich das an, den Film jetzt hier in Südamerika vorzustellen?
VK: Das war eine sehr große Überraschung und ich fühle mich geehrt. Das ist sehr schön. Ich mache Filme nie mit Blick darauf, was danach damit passieren könnte, wie Festivals oder Filmpreise. Es gibt ja Leute, die sagen “Oh mach das, dafür kannst du ‘nen Preis gewinnen”. Also wenn’s passiert, ist das natürlich schön.

NO: In “Glück” spielst du die Rolle des Punks Kalle, der den Freier seiner Freundin Irina mit einem Küchenmesser zerstückelt, weil er damit sein Glück verteidigen will. Wie weit würdest du gehen, um dein persönliches Glück zu verteidigen?
VK: Das kann ich jetzt nicht sagen, das kommt darauf an, was das Leben von mir verlangt. Aber sehr weit. Ich würde fast sagen, da gibt es keine Grenzen. Wenn jemand meine Lieben bedroht, dann gehe ich dagegen an mit allem, was in meiner Macht steht.

NO: In welchen Punkten seid Kalle und du euch noch ähnlich?
VK: Ich fand seine Frisur super! Wenn ich mit den Fingern schnipsen könnte und ich hätte sie, dann würde ich sie wahrscheinlich eine Weile tragen. Das war eine tolle Perücke. Und er hat einen tollen Hund, der Kalle. Der hat mich sehr an den Hund, den ich früher mal hatte, erinnert. Aber eine richtige Gemeinsamkeit – bis auf die, dass er eben bereit ist, für seine Liebe zu kämpfen -, gibt es nicht.

NO: Im Film sagst du als Kalle zu Irina, als sie auf einer Schaukel sitzt: “Glück ist der Moment, wo du ganz oben bist, alles stehenbleibt, und alles ist gut”.
VK: Ja, der “Wuppdich”.

NO: Genau, der “Wuppdich”. Wann hast du denn privat das letzte Mal geschaukelt?
VK: Das ist noch gar nicht so lange her, ich glaube, erst zwei Wochen. Den “Wuppdich” kenne ich erst seit dem Film, vorher kannte ich das Wort nicht. Den Moment kannte ich schon. Er hatte für mich nicht die Glücksbedeutung, aber ich mag das. Das ist auch im Flugzeug so, wenn es Turbulenzen gibt, und es macht kurz “Huu”. Ich mag diese Sachen, finde ich super.

NO: Laut deiner Biographie wolltest du erst gar kein Schauspieler werden. Warum macht der Beruf dir jetzt doch Spaß?
VK: Ich habe nie geplant, Schauspieler zu werden. Und ich habe es nie abgelehnt, einer zu sein. Als man mich das erste Mal gefragt hat, ob ich das machen möchte, wäre das damals damit verbunden gewesen, die Schule abzubrechen und nach Köln zu ziehen und dort auf eine neue Schule zu gehen, also mein Umfeld zu verlassen. Und das wollte ich damals nicht. Da habe ich es dann gelassen. Erst später, als ich fertig war, habe ich das versucht. Aber es ging nicht darum, dass ich den Beruf abgelehnt habe. Das hatte nur mit der Lebenssituation zu tun.

NO: Im Film geht es um Irina und Kalle, die beide sehr einsam in der Großstadt Berlin leben. Du bist eher ländlich aufgewachsen, hättest du dir damals vorstellen können, diese Rolle zu spielen?
VK: Ich habe wie gesagt nie darüber nachgedacht, Filmschauspieler zu werden. Als ich mich für mein erstes Casting vorbereitet habe, habe ich noch bei meinen Eltern gewohnt. Aber in meiner Anfangsphase als Schauspieler habe ich mir das schon vorstellen können. Ich habe lange davon geträumt, so eine Rolle spielen zu dürfen – wenn man genau will 15 Jahre, also von Beginn an. Diese Rolle war ein richtiger Glücksfall.

NO: Was hat dich besonders daran gereizt?
VK: Ich mag das, wenn man komplett etwas spielt, was mit einem selbst überhaupt nichts zu tun hat und das dann auch noch etwas ist, was cool ist, was Spaß macht. In diesem Falle machte es Spaß, diese Verkleidung anzulegen und so richtig in diese Rolle reinzugehen. Wie Kalle würde ich mich niemals kleiden oder optisch geben wollen: Die Frisur ist eine Sache, aber mit den Piercings… Das war auf jeden Fall ein Reiz daran.

Ich habe (in dem Film) auch Bettelszenen – die haben wir mit versteckter Kamera gedreht. Ich bin in die Fußgängerzone gegangen und habe geschnorrt. Dass das funktioniert hat, ist ein Beweis dafür, dass ich das gut verkörpern konnte und auch ein Kompliment an die Maske und ans Kostüm. Ich habe übrigens dort gewohnt, wo wir gedreht haben. Manchmal kam einer vorbei, der mich kannte, und fragte “Was machst du denn da?” Und ich sagte: “Geh weg, wir drehen hier ‘nen Film!” (lacht). Dass die Leute mir das abgenommen haben, das ist echt interessant – und ich habe teilweise in einer halben Stunde 15 Euro eingenommen und für den Hund mehrere Würste und was die Leute dann da anschleppen! Diese Rolle war ein großer Reiz.

NO: Der Film “Der Baader Meinhof Komplex” aus dem Jahr 2008 gilt als dein Durchbruch. Wie würdest du selbst “Glück” nun für dich sehen?
VK: Ich bewerte meine Filme nicht so: Das war der Durchbruch und das ist der Moment, wo ich den Knoten festziehe. Der Durchbruch ist für mich nicht spürbar. Also es ist nicht der Fall, dass ich auf der Straße nicht mehr laufen kann, weil mich die ganze Welt erkennt, oder dass ich nicht mehr weiß, wohin mit meinem Geld. Damals ist für mich ein Traum in Erfüllung gegangen: Ich war ein sehr großer Bewunderer und Fan von (dem Filmproduzenten) Bernd Eichinger. Und ich habe diesen Film mit ihm drehen können. Das war für mich das Tolle daran. Der Film hat mir viele Türen geöffnet, “Glück” hat das jetzt auf jeden Fall noch mal bekräftigt.

NO: In was für Rollen werden wir dich in Zukunft sehen?
VK: Ich habe gerade einen Film gedreht, in dem es um eine Neuauflage von Robin Hood geht, wo sich jemand in der Zukunft mit den Banken anlegt und die Position eines Robin Hoods übernimmt. Das wird demnächst kommen. Ansonsten hoffe ich, viele tolle Filme, die mir Spaß machen, zu drehen, die hinterher auch ihr Publikum finden und den Leuten wiederum Spaß machen. Vielleicht komme ich mal wieder, würde mich jedenfalls freuen (lacht).

NO: Vielen Dank für das Gespräch.
VK: Danke dir!

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