“Für die Zukunft arbeiten”

Auf dem 10. CAAL wurde auch über deutschsprachige Medien in Südamerika diskutiert

Von Nina Obeloer


Vom vergangenen Donnerstag bis Sonntag fand zum 10. Mal das Treffen der deutsch-österreichisch-schweizerischen Gemeinschaften Lateinamerikas – kurz “CAAL” (Encuentro de Comunidades de Habla Alemana en Latinoamérica) – statt, diesmal in Argentinien. Durch die vom Dachverband der deutsch-argentinischen Gemeinschaft FAAG organisierte Veranstaltung sollten die geschichtlichen Zusammenhänge der gemeinsamen Wurzeln in Europa thematisiert und eine kulturelle Zusammenarbeit aufrechterhalten werden. Vom 20. bis 23. September fanden in Buenos Aires, Olivos, Temperley und Villa Ballester diverse Vorträge und Diskussionen zu kulturellen wie geschichtlichen Themen der Gemeinschaft auf Spanisch, brasilianischem Portugiesisch und Deutsch statt. So berichtete Isabel Kessler beispielsweise über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der Wolgadeutschen, Gisela Wachnitz stellte ein Schülerprojekt zur Ahnenforschung in Misiones vor und Dr. Eckhard Kupfer erläuterte geschichtliche Eckdaten zur Immigration von Deutschen nach Sao Paulo.

Begonnen hatte der Kongress mit zwei beachtenswerten Vorträgen von Dr. René Krüger über den “Argentinischen Volksfreund”, der 1895 bis 1960 erschien und nun mit Hilfe des Kulturerhaltungsprogramms des deutschen Auswärtigen Amtes digitalisiert wurde, und die publizistische Arbeit von Pastor Jakob Riffel (1893-1958) in Argentinien. Mit diesen spannenden Ausflügen in die Geschichte deutschsprachiger Publikationen wurde der Prämisse des Kongresses Leben verliehen, die Rudolf Hepe vom Organisationskomitee der FAAG in seinen Begrüßungsworten ausgesprochen hatte: “Wir wollen die Vergangenheit präsent haben, um für die Zukunft arbeiten zu können.”

Der anwesende Bürgermeister von Vicente López, Jorge Macri, lobte die Arbeit der Gemeinschaft und forderte ausdrücklich die Unterstützung des Kulturaustauschs zwischen Argentinien und anderen Ländern. Er halte es für besonders wichtig, “zu wissen, was in Argentinien passiert und was in den anderen Ländern passiert”.

Wachsende Bedeutung des Onlinebereichs

Zum Ende des Donnerstagprogramms galt die Aufmerksamkeit ganz den deutschsprachigen Zeitungen in Südamerika – der “Brasil-Post”, dem “Argentinischen Tageblatt”, dem “Wochenblatt” in Paraguay sowie dem “Cóndor” in Chile. Dr. Eckhard Kupfer von der “Brasil-Post” in Sao Paulo erklärte, dass die Zeitung ein Minderheitenblatt sei und dass es “systematisch abwärts” gehe. Während es laut seiner Aussage 1846 noch 65 deutschsprachige Tageszeitungen in Brasilien gab, seien es heute lediglich noch zwei – eine Wochenzeitung sowie eine, die alle 15 Tage erscheint. Auch sei die Anzeigenakquise schwieriger geworden, da selbst deutschstämmige Unternehmen keine Marketingzukunft in den deutschen Zeitungen sehen.

Dr. Roberto Alemann, der Direktor des “Argentinischen Tageblatts”, blickte auf die lange Geschichte der Zeitung in Argentinien zurück, wo sie im Jahr 1889 gegründet wurde. Seitdem erlebte sie viele Höhen und Tiefen: Aufgrund der ablehnenden Haltung gegenüber der im Großteil Europas herrschenden Monarchie erlebte sie einen Anzeigenboykott. Als die Zeitung gegenüber dem Nationalsozialismus in Deutschland eine klare Oppositionshaltung einnahm, folgten ein Brandanschlag auf die Druckerei sowie Angriffe auf Redakteure. Nach Kriegsende erreichte das Blatt jedoch viele neue Leser. Auch unter der Regierung von Juan Domingo Perón wurde das “Argentinische Tageblatt” kritisch betrachtet und wurde sogar für zwei Monate verboten. Seit der technischen Revolution mit Computern und Offsetdruck wurde der Mitarbeiterstab stark abgebaut. Seit 1998 ist der argentinische Teil der Zeitung auch im Internet abrufbar, wo ihn mehrere tausend Besucher – die meisten im deutschsprachigen Raum Europas – lesen. In diesem Jahr erhielt die Zeitung den Medienpreis der deutschen Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland.

“Das Wochenblatt” in Paraguay, für das Jan Päßler als Vertreter angereist war, existiert erst seit drei Jahren. Die Online-Zeitung entstand fast zeitgleich mit der Einstellung der “Aktuellen Rundschau” in Paraguay. Es informiert Leser, die kein Spanisch können oder nicht spanischsprachige Medien Wort für Wort übersetzen möchten, über Kultur, Politik und Geschichte. Der “Cóndor” in Chile wurde von Ralph Delaval vorgestellt: Die Zeitung entstand 1916 aus der Verschmelzung verschiedener kleinerer Blätter. Heute gibt es auch eine Online-Version.

Dann richtete sich der Blick in Richtung Zukunft der deutschsprachigen Medien in Südamerika. Auf die Frage, wie diese aussehe, erläuterte Dr. Roberto Alemann das grundlegende Problem des Leserschwunds, mit dem alle Zeitungen zu kämpfen haben: “Junge Leute, die die deutsche Sprache beherrschen, lesen keine Zeitung mehr.” Aufgrund dessen waren sich alle Experten einig: Die Onlineausgaben werden eine wachsende Bedeutung erhalten. Dr. Eckhard Kupfer schrieb den virtuellen Versionen vor allem in Brasilien aufgrund der Größe des Landes hohe Wichtigkeit zu, da so neue Abonnenten und Leser erschlossen werden könnten. Denn durch die langen Wege könne die gedruckte Zeitung nicht alle Regionen so schnell erreichen, wie die Informationen aktuell seien. Er fügte auch hinzu, dass eine Wochenzeitung nur überleben könne, wenn sie in die Tiefe gehe und analysiere.

Auf die letzte Frage, ob eine Zusammenarbeit der verschiedenen deutschsprachigen Medien in Südamerika denkbar sei, zeigten sich die anwesenden Vertreter durchweg offen und äußerten, dass sie sich eine Kollaboration, zum Beispiel in Form von Artikelaustauschen mit den jeweils anderen Zeitungen gut vorstellen könnten. Dabei müsse jedoch darauf geachtet werden, dass die Themen auch für den Leserkreis in den entsprechenden Regionen relevant seien.

Der Kongress wurde am Freitagmorgen im Stadtparlament offiziell eröffnet, ging am Samstag in Temperley weiter und klang am Sonntag in Villa Ballester aus. Das elfte CAAL-Treffen wird im kommenden Jahr in Sao Paulo stattfinden.

Bild:
Die Vertreter der Zeitungen (v.l.n.r.) Dr. Eckhard Kupfer, Dr. Roberto T. Alemann, Jan Päßler sowie Ralph Delaval, und der Moderator (stehend) Manfred Grashof.
(Foto: Nina Obeloer)

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