Begegnungen als Brücke

“El amigo alemán”: Eine Liebe und vier Jahrzehnte deutsch-argentinische Geschichte

Von Lara Falkenberg


Eine Brücke verbindet Argentinien und Deutschland. Eine Brücke aus Geschichten, die von Einwanderung, Erinnerung und Identität erzählen. Und von der Liebe. Der neue Film von Jeanine Meerapfel nimmt den Zuschauer mit auf eine Reise in die Vergangenheit, bei der wir immer wieder über diese Brücke laufen. “El amigo alemán” (“Der deutsche Freund”) lief am Donnerstag in den Kinos in Buenos Aires, Córdoba und Rosario an.

Die deutsch-argentinische Co-Produktion führt durch vier Jahrzehnte gemeinsamer Geschichte. Der Film erzählt die Geschichte zweier Menschen, die Zeugen der politischen Umbrüche und des historischen Wandels waren. Sulamit wächst als Tochter jüdischer Emigranten aus Deutschland im Buenos Aires der 50er Jahre auf. In dieser Stadt treffen Juden und Nazis, die aus Europa flohen, in unmittelbarer Nachbarschaft wieder aufeinander. So lernt sie Friedrich kennen, den Sohn einer deutschen Familie mit NS-Vergangenheit.

Die Liebesgeschichte zwischen Sulamit und Friedrich ist eine Geschichte vor dem Hintergrund der Geschichte. Denn Friedrich ist von Ereignissen geprägt, die er selbst nie erlebt hat und fühlt sich verantwortlich für Taten, die er nie begangen hat. Als er herausfindet, dass sein Vater SS-Obersturmbannführer war, bricht er mit seiner Familie und geht nach Deutschland. Im Versuch, sich gegen die Vergangenheit zu stellen, schließt er sich erst der Studentenbewegung der 68er und später einer argentinischen Guerrilla-Bewegung im Kampf gegen die Militärdiktatur an.

Es ist sein Kampf um eine eigene Identität, der Kampf einer Generation, um sich der Vergangenheit zu stellen. Doch es ist zugleich der Kampf der anderen Hauptfigur, Sulamit. Sie kämpft darum, dass Friedrich sich endlich selbst lieben kann und das Erbe des Vaters nicht als das seinige wahrnimmt. Sulamit folgt Friedrich nach Deutschland, und auch als ihre Wege sich trennen, verfolgt sie seine Spur, um ihn schließlich im fernen Patagonien wiederzufinden. Bei dieser Suche findet sie nicht nur Friedrich, sondern auch ihren Platz in der deutschen Gesellschaft und entdeckt dort die Liebe zu ihrer argentinischen Heimat.

Auch für die Regisseurin Jeanine Meerapfel ist der Film ihre Liebeserklärung an Argentinien. Sie wurde 1943 als Tochter deutsch-jüdischer Emigranten in Buenos Aires geboren. Wie die Protagonisten ihres Films ist sie in den 50er Jahren in einem Vorort von Buenos Aires aufgewachsen. Zugleich ist der Film jedoch eine Liebeserklärung an die Deutschen ihrer Generation, die sie während der 68er Zeit als Studentin in Ulm und Berlin kennenlernte. Eine Generation von Menschen, “die sich am eigenen Haarschopf gepackt haben und sich selbst aus dem Morast von Schuldgefühl und Selbsthass herausgezogen und dazu beigetragen haben, der heutigen deutschen Gesellschaft ein humanes Antlitz zu verleihen”.

Für Jeanine Meerapfel ist der Film eine Metapher: Eine Geschichte aus der Vergangenheit, die eine positive Vision für die Zukunft der Menschheit darstellt. Denn sie zeigt, dass sich Vorurteile und Feindschaft bei der Begegnung zweier Menschen verlieren und darin auch die Chance für die Zukunft der Menschheit liegt: Im Kennenlernen.

“Die Liebe zwischen Sulamit und Friedrich könnte auch die Liebe zwischen einem Palästinenser und einer Israelin, oder zwischen einer Muslimin und einem Katholiken sein. Eine Liebe, die den Unterschied der Herkunft aufhebt – zum Glück der Menschen.”

  • “El amigo alemán” (Der deutsche Freund) – Deutschland/Argentinien 2011
  • 100 Min.
  • Drama ab 13
  • Regie: Jeanine Meerapfel
  • Mit Celeste Cid, Max Riemelt, Daniel Fanego, Carlos Kaspar, Katja Alemann, u.a.

Foto:
Celeste Cid und Max Riemelt in einer Szene von “El amigo alemán”.

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