Verzauberte Natur

Ana Eckells neue Gemälde in der Galerie Praxis

Von Susanne Franz


Ana Eckell sieht Wesen, die sonst niemand zu Gesicht bekommt. Und das, weil sie nicht hinschaut, sondern wartet, bis sie sich ihr von alleine offenbaren. Wie das kommt? Wenn Ana zu malen beginnt, bereitet sie erst einmal mit allergrößter Sorgfalt die Leinwände vor. Die, auf denen sich die scheuen Wesen später zeigen werden. Sie bearbeitet sie, spannt sie auf, trägt die Grundfarbe auf – in der Ausstellung ihrer neuesten Werke in der Galerie Praxis Graublau, Lila, Rosa, Sandfarben. Dann greift sie – nein, nicht zum Pinsel, sondern gleich zur Farbtube. Die ersten Striche führt sie noch relativ langsam aus, aber je mehr Dinge sie auf die Leinwand bannt – Ana plant ein Bild nie vorher, sondern lässt sich von ihrem Instinkt leiten -, desto schneller muss sie reagieren. Denn, so verrät die Künstlerin, wenn zwischen den Pflanzen und Bäumen (die in diesen neuen Gemälden das Wasser als Motiv abgelöst haben) mit einem Mal Figuren und Wesen auftauchen – ob sie nun aus den Baumstämmen wachsen oder auf den Baumkronen tanzen -, dann verlangen diese etwas von ihr, schreiben ihr etwas vor, dem sie gehorchen muss. “Hier bin ich! Wieso sehe ich so armselig aus?!”, scheinen sie zu schimpfen, und Ana reagiert sofort und macht sie perfekt, so wie sie sein wollen. “Es ist dann wie beim Pingpong”, sagt Ana, “denn sie tauchen ja an verschiedenen Stellen auf, es werden immer mehr und sie werden komplexer, und ich frage mich immerzu, was kann ich noch für diese tun, und für diese?” Auf die Frage, wann sie ein Bild als “vollendet” ansieht, sagt die Künstlerin: “In dem Moment, in dem es Leben hat, ist das Bild fertig.”

Und ihre Gemälde besitzen Leben. Auf eine “verrückte” Art und Weise sieht man die Figuren und Wesen in ihnen, als wären sie in einem Stroboskop hier und dort aufgeblitzt, und Ana habe diese ungemein kurzen Momente eingefangen. Da die Wesen sich auf einem Zickzackkurs durch ein Medium zu bewegen scheinen, das für das menschliche Auge normalerweise nicht sichtbar ist, sind sie nicht statisch: es ist, als könne man ihre Bewegung durch den Raum “sehen” oder eher ahnen bzw. komplettieren.

Wenn sie malt, denkt sie nicht, plant nicht, erinnert sich nicht, löscht Erfahrung und Wissen von der inneren Festplatte. Sie macht sich leer und spontan. Doch Ana Eckell ist Pragmatikerin. Wieso verwendet sie diese so ungewöhnlichen Farben – Orange, Ocker, Preußisch-Blau? “Importrestriktionen!”, lacht Ana. Dies betrifft vor allem die kleinen Tuben, mit denen sie malt, die großen sind der zierlichen Künstlerin zu schwer. Aber sie ist auch Philosophin. “Warum werden uns Steine in den Weg gelegt? Warum gibt es Hindernisse im Leben? Damit wir uns verändern können.”

“Sentido ausente” (Abwesender Geist) ist der Titel eines Werkes und der Ausstellung – und Ana Eckells schöpferisches Programm. Bis sie sich wieder verändert – weiß Gott, oder die Elfen, warum.

  • Praxis, Arenales 1311, Buenos Aires
  • Mo-Fr 11-13, Sa 11-14 Uhr
  • Bis 24.10.

Foto:
“Haciendo tierra”, 2011, Öl auf Leinwand, 140 x 200 cm.

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