Poetry: Schreiben – Spielen – Spüren
Der erste Poetry Slam in der Deutschen Schule Villa Ballester war nicht zuletzt auch ein Riesen-Publikumserfolg
Der erste internationale Poetry Slam an der Deutschen Schule Instituto Ballester begeisterte am vergangenen Samstag das Publikum. 24 Schüler deutscher Schulen aus Chile, Paraguay und Argentinien präsentierten selbst geschriebene, rhythmisch gesprochene Texte auf der Bühne. Begegnungen im Himmel oder in der Hölle oder der Kampf mit einem Schokokeks standen neben Texten, die eher ernste Themen ansprachen. Mit Kurzgeschichten, Lyrik und Comedy-Vorträgen fesselten die Slammer ihr Publikum, provozierten Lacher oder eine eher nachdenkliche Stimmung.
Jeder Teilnehmer hatte vier Minuten Zeit, seine eigenen Poetry-Texte vor dem Publikum zu präsentieren, und wurde anschließend durch eine Jury bewertet.
“Eine Slam-Veranstaltung soll eine intensive Beziehung zum Publikum aufbauen. Der Text und seine Präsentation verschmelzen im Idealfall zu einer Performance, die die Zuschauer mitreißt. Wenn Schüler anfangen, eigene Texte auf Deutsch zu verfassen, diese als Schauspieler zu performen und sich auf diese Weise emotional in deutscher Sprache ausdrücken, dann profitieren alle davon”, fasst Deutschlehrer Bernd Gockel, der diesen ersten Poetry Slam organisiert hat, die Ziele zusammen.
Und im nächsten Jahr sollen alte und neue Slammer wieder “gucken, gucken, gucken – was so geht – checken, checken, checken – was so geht, und vor allem hören, spüren, fühlen – was es so gibt”.
Die ersten vier Plätze:
1. Platz
Kategorie Internationaler Poetry Slam
Oktober 2012 in der Deutschen Schule Instituto Ballester
Weck mich auf
Himmelblau, weiß, himmelblau,
die Sonne geht unter
alles wird grau…
Es ist dunkel, es ist Nacht.
Nun steh ich hier. Wer hätte das gedacht?
Ich stehe alleine im dichtesten Wald,
finde keinen Ausweg. Mir wird kalt.
Frierend sende ich meinen Traum hinaus in die Welt,
doch da ist das schwarze Dickicht, das ihn zurückhält.
Mein Traum kämpft sich durch. Ich kann ihn kaum noch sehn.
Wer kann’s mir erklär’n? Ich kann’s nicht versteh’n.
Da!
In schwärzester Nacht,
treffe ich einen,
der dasselbe macht:
Testend, tastend schreitet er voran.
er versucht, weiter fortzufahr’n
Doch irgendjemand hält ihn auf,
er entwischt und flüchtet einen Baum hinauf.
Ich lauf zu ihm hin und fass‘ ihn an.
Er dreht sich zu mir um, der Schattenmann,
Und sieht sich meine Knöpfe an:
“Eins
Zwei
Drei
Vier
Fünf
Sechs”
Zählt er mit geschlossenen Augen.
Augen, die keine sind.
Augen, die nicht sehn.
Augen, die nicht verstehn.
Augen, die lebensleer sind.
– H I L F E –
Mein Traum ruft mich: Er ist in Gefahr!
Ich eile zu ihm, springe über Leichen sogar.
Mit seinen Kopflöchern blickt der Schattenmann mir hinterher,
verschwindet in der Dunkelheit. Man sieht ihn nicht mehr.
Endlich ist mein Traum gefunden.
Sein Antlitz ganz zerschunden.
Dornen bohren sich in seine Haut,
silbrig-glänzendes Blut läuft aus seinem Haupt,
tropft herunter,
macht die schwarze Erde etwas bunter.
Ein letzter, gemeinsamer Augenblick,
dann löst er sich auf
und ich bleib alleine zurück.
Gefangen in der Finsternis.
Finsternis.
Finsternis.
Fin – STERN – is
In jeder Finsternis gibt es einen Stern.
Ein einzelner Punkt leuchtet am Himmel hoch droben.
Ich verlasse den Boden und schwebe nach oben.
Dem Stern entgegen, entgegen des Stroms.
Am Horizont da geht die Sonne auf.
Am Firmament beginnt sie ihren Lauf.
Himmelblau, weiß, himmelblau.
Wohin führt dein Weg?
Ich weiß es nicht genau.
Mariela Alejandra Faría
Instituto Hindenburg
Eldorado, Misiones
2. Platz
In der Hölle
Eh? Wo bin ich eigentlich? Ist “das” der Himmel? Der berühmte Himmel, wovon alle sprechen? Find’ ich nichts besonders… Wo sind die Wolken und die Engel? Soll ich an diesem Platz den Rest der Ewigkeit bleiben?
Das schaffe ich bestimmt nicht! Ich dachte, ins Paradies zu gehen, würde so wie ein Urlaub sein… So wie ein schönes Hotel für die Seele… eigentlich sieht es hier wie ein billiges Hostel aus… oder vielleicht noch schlimmer…
Haben die keine Klimaanlage hier? Pffff … es ist zu heiß… und mein Gott, es stinkt! Wo ist eigentlich Gott? Lieber Gott! Es ist zu dunkel, um was zu sehen…
Was mache ich jetzt? Wohin soll ich eigentlich gehen? Kommt denn niemand, um mich abzuholen? Oder soll ich einfach hier bleiben und warten? Was für ein schlechter Service. Ok… ich werde mich auf den Boden setzen und auf irgendjemand warten… Hmm… Der Boden ist zu hart, um aus Wolken zu bestehen… und es gibt Wände… Steinwände… es ist komisch, es sieht aus wie eine Höhle… Bin ich eigentlich nicht…?
Nee, das kann nicht sein; nein, kann überhaupt nicht sein, ich bin zu schön, um in der Hölle zu sein… Außerdem war ich ein guter Mensch in meinem Leben… nicht viel geraubt, auch nicht viele Herzen gebrochen…
Aber es kann sicher nicht die Hölle sein, bin ich die einzige hier? Was mache ich hier, wenn das die Hölle ist? Eine ganze Ewigkeit mit Schrecken im Dunkeln verbringen? Oh Gott… war das ein Schrei? Ich hab‘ Angst… Ich höre Schritte… Mein Gott, sie kommen immer näher… Und jetzt stehen sie direkt vor mir…..eine unheimliche Stimme spricht zu mir:
“Wach auf, du kleine Schlafmütze, es ist Zeit, in die Schule zu gehen!”
Paloma Álvarez
Deutsche Schule Instituto Ballester
Villa Ballester, Prov. Buenos Aires
3. Platz
Du und ich
Abends.
Wir beide allein im Kerzenlicht.
Ich spür, du willst mich.
Du begehrst mich.
Du siehst mich an mit deinen
gierigen Augen,
verschlingst mich in Gedanken,
ich kann´s kaum glauben,
mir beginnt´s zu grauen.
Du witterst und guckst.
Du zitterst und zuckst.
Du schleckst und schlabberst.
Du leckst und sabberst.
Du fletschst die Zähne.
Du willst mich nehmen und
an dich reißen.
Du willst mich schmecken
und anbeißen.
Ich flattere vor Angst!
Es hat keinen Zweck.
Bin starr vor Schreck.
Schon packen mich deine großen Hände.
Es gibt kein Ausweichen.
Dies ist mein Ende.
Du witterst und guckst.
Du zitterst und und zuckst.
Du schleckst und schlabberst.
Du leckst und sabberst.
Du fletschst die Zähne.
Aus!
Du steckst mich in deinen Riesenschlund
und deine Zunge schleppt mich
durch den ganzen Mund.
Es geht hoch und runter,
wird immer bunter.
Ich falle und falle,
es gibt kein Entrinnen.
Es gibt kein Zurück!
Ich wittere und guck,
ich zittere und zuck.
Bin ich jemals wieder ich?
Seh ich jemals wieder Licht?
Ich verändere mich.
Wer bin ich? Wer werd´ ich sein?
Doch plötzlich merke ich,
ich bin nicht allein,
mit 1000 anderen der Meinen
werden wir zu Einem.
Wir werden gedrückt und geschoben,
wir werden verrückt und gehoben,
wir werden gequetscht und getrieben
und dann – allesamt ausgeschieden.
Dein Schokokeks
Claudia Baerg
Colegio Volendam
Paraguay
4. Platz
Was ist passiert…
Was ist passiert? Bin ich tot? Ach, ja. Ich sehe eine Person. Vielleicht ist er Gott. Oder bin ich Gott? Nein, ich bin ein ganz normaler Jugendlicher. Aber, ob er Gott ist? Was hat dieser Himmel für mich? Ich sehe nicht alles, was in meinem Leben geschah. Vielleicht ist es der zweite Teil des Lebens. Vielleicht, vielleicht.
Ich sehe eine sehr große Tür, neben dem Mann, dem Gott. Ich weiß nicht, was hinter dieser Tür liegt. Vielleicht ist es das Paradies. Vielleicht, vielleicht.
“Darf ich durch die Tür gehen?” – “Linga, linga!”
Ich habe nichts verstanden, weil unser Gott KOREANER ist.
So trete ich ein, und Gott kommt mit mir. In meinem Paradies gibt es keine Berge, keine Gebäude, keine Menschen, die ich kenne, keine Regeln, keine Autos, keine WELT!!! Nur einen leeren Platz, einen leeren Himmel, eine leere Zeit.
Aber – das alles ist nicht wichtig, weil unser Gott KOREANER ist.
Ich sehe einen Apfel auf dem Boden. Oh, ich möchte diesen Apfel.
“Lieber Gott, darf ich diesen Apfel haben?” – “Linga, linga!”
“Okay, noch einmal. Darf ich denn überhaupt irgendeinen Apfel haben?” – “Linga, linga!”
“Ich verstehe nicht, was du sagst!” – “Linga, linga!”
“GOTT! WARUM SPRICHST DU NICHT DEUTSCH!?!” – “Ich kann Deutsch sprechen, natürlich, ich bin Gott.”
“Warum nicht gleich so? Danke. Ich habe ein paar Fragen.” – “Dann frag.” – “Bist du so etwas wie ein Meister?” – “Ja, natürlich.” – “Hast du die Welt aufgebaut?” – “Ja, natürlich.” – “Ist das der Himmel?” – “Ja, natürlich.” – “Und, die wichtigste Frage: Was mache ich hier? Warum bin ich hier?” – “Uhm, ehm” (nachdenken) – Linga, linga!” – “AHRG, warum? Am Ende ist… ist… ist die Hölle besser.”
Aber das alles ist nicht wichtig, weil unser Gott KOREANER ist.
Nacho Martich
Deutsche Schule Instituto Ballester
Villa Ballester, Prov. Buenos Aires