Knallhart, authentisch – und unterhaltsam

“El año en que nací” von Lola Arias wurde im Teatro Sarmiento gefeiert

Von Susanne Franz


Am vergangenen Samstag und Sonntag fand im Teatro Sarmiento neben dem Zoologischen Garten von Buenos Aires, das zum Complejo Teatral de Buenos Aires gehört, mit dem vom Publikum stürmisch gefeierten Stück “El año en que nací” die dritte und letzte Vorstellung der Chilenischen Gastspielreihe statt, die der CTBA im Oktober organisiert hatte. In dem Barrio-Theater hatten an den Wochenenden zuvor die Werke “Niñas araña” über drei 15-jährige Einbrecherinnen und das Marionettentheater “Sobre la cuerda floja” über einen Großvater, der nicht weiß, wie er der Enkelin den Tod der Großmutter beibringen soll und ihr deshalb erzählt, sie sei als Seiltänzerin zum Zirkus gegangen, einen Einblick in das zeitgenössische Theaterschaffen des Nachbarlandes gegeben.

“El año en que nací” ist eine Koproduktion der argentinischen Theaterregisseurin, Dramaturgin, Schauspielerin und Sängerin Lola Arias, die teils in Buenos Aires, teils in Berlin lebt, und der Stiftung “Fundación Teatro a Mil”, die in Chile das prestigeträchtige Theaterfestival “Santiago a Mil” organisiert.

Das Werk basiert auf Lola Arias’ bekanntem Theaterstück “Mi vida después”, in dessen Rahmen junge Argentinier anhand von Kleidern, Fotos oder Briefen die Vergangenheit ihrer Eltern während der letzten argentinischen Militärdiktatur aufarbeiten. Dieses Werk, das Arias beim Festival in Santiago de Chile gezeigt hatte, gab Anstoß zu einem Workshop, in dem junge chilenische Theaterstudenten unter derselben Prämisse die Geschichte ihrer Eltern aufarbeiteten.

Das Resultat ist umwerfend, ergreifend und zugleich lakonisch: 11 junge Menschen erzählen ihre persönliche Geschichte, zeichnen, singen, tanzen, schreien, rennen, schmeißen sich zu Boden – zwei Stunden lang, die wie im Flug vergehen. Ein gewisses System – und eine gehörige Portion Humor – in das Ganze bringt der Sohn des Marinesoldaten, für den “Ordnung das wichtigste Prinzip” gewesen sei: Er lässt die jungen Frauen und Männer sich in eine Reihe nach politischer Gesinnung der Eltern (ganz links bis ganz rechts) oder Hautfarbe oder sozio-ökonomischer Stellung (das meiste Geld, die Ärmsten, die Fußböden aus Erde hatten) aufstellen, und da kommen sehr unterschiedliche Konstellationen und so manches Vorurteil zutage.

Anhand der Geschichten eines jeden Ensemblemitglieds lässt sich die blutige Geschichte des Landes und das ganze Ausmaß der schrecklichen Geschehnisse – Gewalt, Folter, Exil – für den einzelnen Menschen ablesen bzw. knallhart erfahren. Und doch ist “El año en que nací” auch ein Theatergenuss allererster Güte.

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