Karneval in Buenos Aires

Die fünfte Jahreszeit in der argentinischen Hauptstadt: ein Ventil für mangelhafte Zustände

Von Chiara Kettmeir

Kunst hat schon immer eine herausragende Rolle gespielt, wenn es darum ging, sich kritischen oder kontroversen Themen konfrontativ zu stellen. Sie erweist sich als eine hervorragende Möglichkeit, private, psychologische, historische oder soziale Strukturen zu beleuchten und eine kritische Sicht der Dinge einzunehmen.

Der Karneval ist eine Art sozialer Kunstform, die insbesondere im momentan schwierigen Umfeld von Buenos Aires als Ventil vielfältiger Missstände dient. Er bietet eine ästhetische Erfahrung voller lautstarker Emotionen, auffallender Farben und Formen und provozierender Freuden, ist aber zugleich auch ein subversiver Verweis, ein Anklingen von etwas, das nicht sein darf.

Mit viel nackter Haut, prachtvollen, eigenhändig genähten Kostümen, schrillen Farben und rhythmischer Musik lässt sich das freudige Beisammensein auf den Straßen der Haupststadt Buenos Aires beschreiben. 112 Murgas – das sind Gruppen von Sängern, Trommlern und Tänzern aus den jeweiligen Vierteln – treten in 37 verschiedenen Paraden seit vergangenem Samstag, 2. Februar, auf. Bis 12. Februar hat man die Möglichkeit, die Murgas bei ihren Paraden zu begleiten und sich der positiv wirkenden Stimmung hinzugeben. Was im ersten Moment als reiner Klamauk erscheint und feuchtfröhlich begossen wird, kommt auf den zweiten Blick – oder wohl eher auf das zweite Ohr – einer bittersüßen Parodie auf die argentinische Realität nahe. Mit Sarkasmus werden regierungskritische Themen des letzten Jahres aufgegriffen.

Im Jahr 1997 zum Kulturerbe und seit 2011 auch als offizieller Feiertag (dieses Jahr: 11./12. Februar) deklariert, findet der Karneval von Buenos Aires seinen Ursprung im volkstümlichen Kölner Karneval. Europäische Einwanderer aus dem Rheinland überlieferten vor über 150 Jahren ihre Tradition, die sich sodann mit der Musik der ehemaligen afro-amerikanischen Sklaven zu einer eigenständigen Volkskultur vereinigte. So erklärt sich auch das typische Kostüm, das aus einem Seidenfrack, Handschuhen, Hut und Stock besteht und die Verrenkungen ähnelnden Bewegungen. Anscheinend ein Erbe der Zeit, als Sklaven heimlich in die Gewänder ihrer Herren schlüpften und sich mit übertriebenen Bewegungen über sie lustig machten.

Ein buntes Treiben, das insbesondere in Zeiten wirtschaftlichen und politischen Unmutes, dem Volk eine – alternative – Stimme gibt.

Programm (auf Spanisch) hier.

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