Gauchito Gil Reloaded

Dem argentinischen Robin Hood wird momentan im Centro Cultural Borges eine Hommage gewidmet

Von Chiara Kettmeir


Sie ziehen die Aufmerksamkeit auf sich, diese kleinen Häuschen am Straßenrand mit ihren vielen blutroten Fahnen und Bändern, die alle paar Kilometer die argentinische Einöde auflockern. Erst bei einem näheren Blick erkennt man es als Schrein, der mit verschiedenen Objekten wie Inschriften, Briefen, Blumen oder Figuren bedacht ist. Eine Figur taucht dabei immer wieder auf: ein kleiner Mann mit rotem Umhang, Schnurrbart, blauem Hemd und schwarzer Hose.

Mit bürgerlichem Namen Antonio Mamerto Gil Núñez, ist “Gauchito Gil” einer der am meisten verehrten Volksheiligen Argentiniens. Der in der nordargentinischen Provinz Corrientes Geborene versteht sich nicht nur als Patron der Fernfahrer, die beim Passieren (der Altäre) üblicherweise hupen, vielmehr ist Gauchito Gil ein Volksheld, der über die letzten 135 Jahre Abertausende Anhänger gefunden hat.

Die populärste von verschiedenen Legenden, die sich um Gauchito Gil ranken, erzählt von dessen verhängnisvoller Liaison mit einer reichen Witwe. Um dem aufkommenden Ungemach, das aus dem Ressentiment ihrer Brüder und der Eifersucht eines örtlichen Polizisten resultierte, zu entgehen, schloss er sich der heimischen Armee an, die in den Bürgerkrieg nach Paraguay zog.

Diese Mission beendet, wurde er in den kriegerischen Auseinandersetzungen der Colorados (Roten) gegen die Celestes (Blauen) innerhalb der eigenen Landesgrenzen eingesetzt. Es heißt, dass Gil Anhänger der Colorados war, was auch die Farbe der roten Fahnen erklären würde. Diesem Einsatzbefehl widersetzte er sich jedoch, da er nicht gegen seine Landsleute kämpfen wollte. Als Deserteur floh er in die Wälder, wo er fortan als Outlaw lebte. Er begann Vieh und andere Güter von Reichen zu stehlen, um sie an die Armen zu geben, weshalb er ständig auf der Flucht war – so avancierte er zu einem Vorkämpfer sozialer Gerechtigkeit.

Erzählungen zufolge wurde Gauchito Gil eines Tages geschnappt und am 8. Januar 1878 dem Henker zur Vollstreckung des Todesurteils überlassen. Kurz bevor er starb, sagte er zum Henker, dass dieser zu Hause seinen Sohn krank antreffen werde und er ihn heilen könne. Der Henker schenkte Gil keinen Glauben und vollstreckte das Urteil. Als er nach Hause kam, fand er seinen Sohn sterbenskrank vor. Er betete zu Gauchito Gil, und sein Sohn wurde wieder gesund. Voller Reue eilte er zum Ort der Hinrichtung zurück, begrub dessen Leichnam, baute einen Schrein auf und gab die frohe Botschaft um den Heiligen Gil kund. Die Legende war geboren.

Der von der katholischen Kirche als Heiliger nicht anerkannte Gauchito Gil genießt seither nicht nur den Ruf eines Volksheiligen, sondern gilt durch seine edelmütige Umverteilungen der Ressourcen und seiner Verkörperung von Unabhängigkeit und Auflehnung gegen Zwang und Missstände als argentinischer Robin Hood.

Zu Ehren von Gauchito Gil findet seit dem 14. Februar und bis zum 10. März im Centro Cultural Borges die Ausstellung “Plegaria por el Gauchito Gil” des argentinischen Künstlers Hugo Echarri statt. Mit seinen Bildern und Installationen bietet Echarri einen originellen Ansatz, in dem er mit der aus der Pop-Art gewachsenen Serialität eines Bildes spielt, das jedoch in jeder seiner Repetitionen eine Veränderung in sich birgt. Der Künstler bildet mit diesem vermeintlich Identischen eine Brücke zum Phänomen Gauchito Gil: Die Themen Religion und Glaube werden in ihrer “institutionellen Praxis” relativiert, ihre hierarchischen Strukturen durch den Kult um Gauchito Gil durchbrochen.

  • Centro Cultural Borges, Viamonte/San Martín, Buenos Aires. Mo-Sa 10-21, So und Feiertage 13-21 Uhr.

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