Synergie zwischen Kunst und Pädagogik

Heute wird die “Casa Daros” in Rio de Janeiro eröffnet

Von Chiara Kettmeir


In den letzten Jahren gewann Brasilien zunehmend an wirtschaftlicher Bedeutung. Einst führend in der ungleichen Reichtumsverteilung, floriert Brasilien nun immer mehr als Mittelschichtland. Der Fokus verschiebt sich anwachsend weg von der Hunger- und Armutsbekämpfung hin zur Modernisierung unter anderem von Kultur und Bildung. Auch der politische und kulturelle Austausch mit anderen Ländern außerhalb Lateinamerikas nahm verstärkt zu, im internationalen Kunstgeschehen genießen insbesondere Sao Paulo und Rio de Janeiro größere Aufmerksamkeit jenseits ihrer Landesgrenzen.

Nicht zuletzt trägt die Sammlung von Daros Latinamerica AG mit Sitz in Zürich einen großen Beitrag dazu bei. Sie gilt als das reichhaltigste Konvolut zeitgenössischer lateinamerikanischer Kunst, ihre heutigen Besitzer Stephan und Ruth Schmidheiny verfolgen schon seit längerer Zeit verschiedene Kunstprojekte in Südamerika. Ihr jüngstes Projekt feiert am heutigen Samstag in Rio de Janeiro seine Eröffnungsschau “Cantos Cuentos Colombianos” und führt eine repräsentative Werkauswahl zeitgenössischer Kunst von 10 kolumbianischen Künstlern (Doris Salcedo, Fernando Arias, José Alejandro Restrepo, Juan Manuel Echavarría, María Fernanda Cardoso, Miguel Angel Rojas, Nadín Ospina, Oscar Muñoz, Oswaldo Maciá und Rosemberg Sandoval) vor.

Mit dem Namen “Casa Daros” wird das prächtige, neoklassizistische Gebäude Kunst aus allen Ländern Lateinamerikas, das aus der Kollektion von rund 1100 Arbeiten von 116 latinamerikanischen Künstlern stammt, ausstellen. Das 1866 von Francisco Joaquim Bethencourt de Silva (1831-1912) erbaute Anwesen – ein ehemaliges Waisenhaus für Mädchen, das ungefähr 11.000m2 umfasst – wurde 2006 von Daros gekauft und über sieben Jahre hinweg sorgfältig und umfassend renoviert. Es handelt sich um ein Kulturerbe der Stadt, weshalb sich die Umbauten am Prinzip der Reversibilität orientierten, so dass historische Bausubstanz erhalten bleiben konnte.

Zwei Ausstellungen pro Jahr sollen in der “Casa Daros” gezeigt werden, begleitet von verschiedenen Workshops, Seminaren und Vortragsszyklen. Ferner bietet das im zentralen Stadtteil Botofago gelegene Haus eine Bibliothek sowie Künstlerstudios, Auditorien, ein Restaurant, ein Café und einen Shop.

Dem Direktor der “Casa Daros”, dem Deutschen Hans-Michael Herzog, geht es dabei nicht nur um eine Zurschaustellung lateinamerikanischer Gegenwartskunst. Vielmehr soll die “Casa” Treffpunkt für Künstler sein, ein Ort des Austausches und der kulturellen Erziehung. Der Betrachter soll seinen gewohnten Standpunkt überdenken, ein neues Terrain betreten, das Interesse an anderen südamerikanischen Ländern soll gefördert werden. Dieser didaktische Ansatz hinter der erhofften Kunstvermittlung findet sein Ziel darin, Kunst als einen Forschungs- und Lernprozess zu betrachten. Einerseits soll auf die soziokulturellen Milieus aus den unterschiedlichsten Breitengraden Südamerikas aufmerksam gemacht werden. Andererseits soll Kunst als Hypothese betrachtet werden, die nicht von Kuratoren oder Kritikern vordeterminiert wurde, sondern den subjektiven Blickwinkel und die Auseinandersetzung mit anderen Kulturen herausfordert.

Diese Synergie zwischen Kunst und Pädagogik hört sich nach einem vielversprechenden Ansatz an. Es bleibt abzuwarten, welche neuen Verbindungen und Dialoge sich für die Gegenwartskunst in Südamerika daraus ergeben.

Foto:
“Casa Daros” in Rio de Janeiro – ein Ort, wo Kunst, Bildung und Kommunikation als Konzept und Programm formuliert werden.

Un comentario sobre “Synergie zwischen Kunst und Pädagogik”

  1. Gunther Kirschner dice:

    Neben dem gerade eröffneten MAR – Museu do Arte do Rio – eine weitere große Kunsteinrichtung für Rio.


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