Atomverseuchter Südural

Gespräch mit Sebastian Mez über seinen Dokumentarfilm “Metamorphosen”, der auf dem 15. BAFICI im internationalen Wettbewerb läuft

Von Jana Münkel

Sagt Ihnen Majak etwas? Nein? Dort ereignete sich 1957 der drittgrößte Atomunfall weltweit nach Tschernobyl und Fukushima. Sebastian Mez hat über die stark radioaktiv belastete Gegend im Südural eine ebenso beeindruckende wie beklemmende Dokumentation gedreht. Er hat kürzlich sein Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg beendet und landete mit seinem Abschlussfilm einen Volltreffer. “Metamorphosen” reist von einem Festival zum anderen und Mez reist mit.

Auf dem Sofa des BAFICI-Pressebereichs sitzt ein junger Mann in Jeans und T-Shirt, der angenehm unkompliziert drauflosplaudert und gleichzeitig sehr überlegt von seinem Film spricht. Drei Wochen nach Fukushima sei er nach Japan geflogen, um zu drehen – und scheiterte, weil er das Land und die Kultur nicht kannte. Zurück in Deutschland recherchierte er weiter und stieß auf den totgeschwiegenen Majakunfall: “Es ist nicht so, dass das Thema gänzlich unbekannt ist. […] Aber aus irgendeinem Grund, den ich auch nicht kenne, wurde nie im Zuge von Fukushima über Majak berichtet.”

Zusammen mit seiner Regieassistentin und Übersetzerin drehte er vor Ort, verbrachte zunächst viel Zeit mit den Menschen, “um das Vertrauen der Leute zu gewinnen”. Er dokumentierte das Leben, führte Gespräche, die er kunstvoll aus dem Off einflicht, filmte die Landschaft. Ganz bewusst setzt Mez filmische Mittel ein, um etwas zu transportieren: Die Dokumentation ist in Schwarz-Weiß gedreht, darüber hinaus wurden auf der Tonebene naturalistische Geräusche überhöht, Kontraste verstärkt. Auch Filmkorn wurde künstlich in das Bild implementiert.

“Es ist ein permanentes Rauschen im Bild spürbar. An den Stellen, an denen die Strahlung höher war, ist das Rauschen viel stärker als an anderen Stellen. Es ging in dem Film ganz klar um Artifizierung, weil diese ganze Gegend dort durch die Strahlung künstlich aufgeladen ist. Die Bildebene kommt unnatürlich daher, so wie ich auch vor Ort diese Gegend als unnatürlich empfunden habe.” Und das funktioniert: Man sieht teilweise wunderschöne Bilder, die gleichzeitig etwas unterschwellig Unheimliches transportieren. O-Töne von schwarz geborenen und schnell sterbenden Babies, ein schmerzhaft laut knatterndes Strahlenmessgerät und die Nahaufnahme von Gesichtern der dort lebenden Menschen verfehlen ihre Wirkung nicht.

Dass der Film auf dem BAFICI läuft, freut Sebastian Mez: “Ich habe mich tierisch gefreut, weil es wirklich einen ganz tollen Ruf hat. Und dass das Publikum so filminteressiert ist, bestätigt das.” Auf eine Redaktion, die den erfolgreichen Film ins Fernsehen bringt, wartet er jedoch bislang vergebens. Dass “Metamorphosen” für ein Umdenken in der Atomenergiedebatte in Japan sorgt, bezweifelt er: “Ich bin Realist.” Trotzdem möchte er mit dem Film die Debatte verstärken und etwas bewegen.

Auf die Frage, ob er schon neue Projekte angeht, grinst Sebastian Mez verschmitzt. Er habe ein paar Themen auf Lager und arbeite auch szenisch an einem Drehbuch. Etwas Konkreteres möchte er noch nicht verraten. Macht nichts, wir werden sicher bald wieder von ihm hören, oder besser: sehen.


Fotos von oben nach unten:

Erfolgreich mit “Metamorphosen”: Sebastian Mez.

Achtung verstrahlt: Kontraste einer Winterlandschaft.

Un comentario sobre “Atomverseuchter Südural”

  1. Joern Moguntia dice:

    Vielen Dank Frau Münkel. Wie ich finde ein sehr interessantes Thema, das unbedingt mehr Aufmerksamkeit verdient hätte.
    Der Film klingt interessant!


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