“Ovationen! Und 15 Minuten Applaus!“

“El crítico” im Teatro San Martín thematisiert die Hassliebe zwischen Autor und Kritiker

Von Jana Münkel

“Wenn Künstler und Kritiker in einen Dialog treten, dann wird dieser kämpferische Dialog selbst zum Theaterstück”, schreibt der spanische Dramatiker Juan Mayorga. Der 1965 geborene Madrider hat genau diese Begegnung zu einem spannenden Kammerspiel verarbeitet. Dass Mayorga Doktor der Philosophie und Absolvent eines Mathematikstudiums ist, passt in gewisser Weise: Das Stück, aus einem einzigen langen Dialog bestehend, ist ausgeklügelt und spitzt sich mit fast mathematischer Genauigkeit zu, lässt Gedankenspiele einfließen, bis es zu einem überraschenden Ende führt.

Ein Theaterkritiker (sehr authentisch mit seinem unaufgeregten Spiel: Horacio Peña) kommt nach einem viel beklatschten Premierenabend nach Hause und will gerade in gewohnter Manier mit ruhiger Musik seine Kritik verfassen, als es an der Haustür klingelt. Davor steht kein anderer als der Autor des Theaterstücks selbst (Pompeyo Audivert). Konsterniert ob dieser unüblichen Begegnung, versucht der Kritiker, den ungebetenen Gast hinauszuschmeißen. Der Autor jedoch zieht es vor, herauszufinden, was der Kritiker denn so zu schreiben gedenkt und währenddessen einen Wein nach dem anderen zu öffnen. “Ovationen! Und 15 Minuten Applaus!”, wiederholt der “kritikallergische” Dramatiker immer wieder, wie um sich vor einem Verriss zu schützen. Als der Journalist ihm seinen Griffel überlässt, um ihn seine Kritik selbst schreiben zu lassen, ist er allerdings ratlos… Auch kritisieren will gelernt sein. Um Mitternacht wird das Telefon klingeln, bis dahin muss der Artikel geschrieben sein.

Mit viel Witz, wahren Worten und einem schönen Zweierspiel entwickelt sich ein ebenso unterhaltsamer wie tiefsinniger Abend im kleinen Cunill Cabanellas-Saal des Teatro San Martín. Wie auf einem Sezierbrett werden große Theatergefühle, die Authentizität des geschriebenen Stücks und auch das Publikum thematisiert und untersucht. Das schon von Shakespeare so geliebte “Theater im Theater” (mit simuliertem Boxkampf!) ist ebenso inbegriffen wie ein Geheimnis um die große Liebe des Kritikers, über die der Dramatiker mehr zu wissen scheint. Und als am Ende das Telefon klingelt, ist doch alles anders als erwartet. Ein bisschen Bauchpinselei für das anwesende, kritische San Martín-Publikum darf natürlich auch nicht fehlen, denn “Im Kino ist der Zuschauer nichts – im Theater ist er König!”

Foto:
Kritik kann manchmal wehtun. Pompeyo Audivert (u.) und Horacio Peña in “El crítico”.
(Foto: Carlos Furman)

Escriba un comentario