arteBA – na klar!

Noch bis Montag kann man auf dem Rural-Messegelände in Buenos Aires viel zeitgenössische Kunst bewundern

Von Jana Münkel


Der Holzboden riecht noch frisch laminiert. Es ist kurz nach 16 Uhr am Donnerstagnachmittag, und nur hier und da lümmeln ein paar extravagant gekleidete Menschen auf den grasgrünen Polstern und schlürfen Sekt. Die Rede ist vom “Espacio Chandon”, einer loungeartigen Insel im Messegelände “La Rural”, die sich inmitten von Galerieständen befindet. In diesen Messeräumen wird in drei Stunden die 22. Kunstmesse arteBA ihre Tore öffnen. Riesige Tische mit Champagnergläsern warten bereits und lassen den großen Andrang der geladenen Gäste erahnen, zu denen jedes Jahr auch wichtige Politiker zählen.

Hier erspäht man eine vergessene Leiter, dort wird schnell noch einmal kurz gebohrt, damit auch alles sitzt, wenn nachher die potenziellen Käufer kommen. Die arteBA ist eine der wichtigsten Messen für zeitgenössische Kunst und findet jährlich im Mai in Buenos Aires statt. Dass es sich explizit um eine Verkaufsmesse handelt, wird schnell am Verhalten der Galeristen deutlich, das oft nach ein und demselben Muster verläuft. Jeder, der einen Stand betritt, wird ausführlich gemustert. Wird der oder die Wahrgenommene für “interessant” befunden, wird anschließend eine lockere Plauderei begonnen, bei der möglichst schnell herausgefunden werden will, wo der Besucher einzuordnen ist. Ein Vertreter einer anderen Galerie? Ein Sammler etwa? Presse? Auch dann wird man meist freundlich beraten – gute Kritiken sind ja schließlich auch etwas!

Herzstück der letztjährigen Ruhrtriennale war die Ausstellung “12 Rooms” im Essener Museum Folkwang, die die Besucher in 12 verschiedenen, abgeschlossenen Räumen mit ganz verschiedenartigen Situationen und Performances konfrontierte. Ein bisschen so fühlt man sich hier in den “Ausstellungswürfeln” der verschiedenen Galerien – mit einem Unterschied: Es sind weit mehr als zwölf. In jedem der über 70 Stände muss man sich auf eine völlig neue Welt gefasst machen.

Für das Barrio Joven zum Beispiel wurden insgesamt 18 Galerien aus Argentinien, Chile, Kolumbien und Ecuador ausgewählt. Dieses Jahr wird viel Buntes, Glitzeriges und Flauschiges gezeigt und angeboten. Man ist ganz hin und hergerissen zwischen silbern bemalten Tierschädeln aus der “Galería Temporal” in Chile, lila-schwarz-schimmernden Alienköpfen aus Buenos Aires (ist der Name “Galería Inmigrante” hier etwa in besonderer Weise Programm?) und dem besoffenen Kuschel-Darth-Vader mit seinen angenähten Bierflaschen aus der Provinz Catamarca. Oder soll es doch lieber einer der bunten Stofflöwen mit Federmähne aus der Galerie “Isla Flotante” in Buenos Aires sein?

Doch neben knalligen Werken findet sich auch Unscheinbares, das einen Blick lohnt. Im NoMínimo-Stand der ecuadorianischen Galerie hängt ein kleines iPad an der Wand, das leicht übersehen werden könnte. Man wird Zeuge von umfallenden Stapeln vor weißem Hintergrund: Mit Getöse kracht ein Regal mit Plastikflaschen in sich zusammen, ebenso gestapelte Kisten oder ein Holztisch mit Murmeln. Der altbekannte Kartenhauseffekt wird hier auf ganz neuartige Weise interpretiert – und lässt die Besucher schmunzeln.

Auch Aktuelles findet auf der Messe seinen Platz. Sehr nachdenklich stimmt ein hängendes Hemd der kolumbianischen Galerie “MAS: Arte Contemporáneo”. Das Hemd weist getrocknete Blutspuren auf, es wurde während eines Attentates 2012 in Kolumbien von einem überlebenden Opfer getragen und soll an die dortige (Banden-)Gewalt erinnern. Mit einer witzigen Idee thematisiert Mariana Murcia aus Bogotá die ökonomische Situation Argentiniens. Sie hat einen Dollarschein, einen Pesoschein und einen Pfundschein so lange “ausradiert”, bis nur noch das Papier des Geldes übrig blieb. Die radierten Farb- und Gummireste sammelte sie und legte sie auf eine kleine digitale Waage. Ergebnis: Der Dollarschein wiegt 68,1 Gramm, der Pesoschein nur 16,2. Ist das etwa symptomatisch? Die junge Künstlerin von der Galería Laagenica erzählt, dass sie diese Arbeit extra für die Messe angefertigt und dafür mehrere Monate radiert habe. Augenzwinkernd nimmt sie die aktuelle wirtschaftliche Lage hier aufs Korn: “Ich wollte einen Wert abseits dieses virtuellen Wertes finden, der dem Geld gegeben wird. Das Gewicht ist stabil und ändert sich nicht.”

In der Haupt-Sektion stellen bereits etablierte Galerien aus; farbige Matratzenarbeiten von Marta Minujín dürfen dabei natürlich nicht fehlen. Spannend sind aber auch die bunten Arbeiten von José Luis Anzizar, die er selbst als “mapas” und “aeropuertos”, also Karten und Flughäfen bezeichnet. Ganz assoziativ malt der viel reisende Künstler zunächst mit einem Buntstift eine Bewegung auf ein weißes Blatt. Diese Linien überklebt er dann mit ausgeschnittenem, farbigem Papier, so dass etwas entsteht, das sich vielleicht am besten mit “wirkungsvolle wirbelige Explosionen” beschreiben lässt.

Eine Sektion mit deutscher Unterstützung ist bereits zum dritten Mal dabei: Die “U-Turn-Project Rooms” von Mercedes Benz erfreuen mit frischen Ideen und bereichern die Messe mit der Präsenz internationaler Galerien.

Bei all dieser Vielfalt kommen die Sofas zum Ausruhen und der starke Nespresso-Kaffee gelegen: Zeitgenössische Kunst ist anstrengend, vor allem in dieser Fülle. Und Zeit zum Wirkenlassen muss sein. Ein Besuch der arteBA lohnt sich allemal.

  • 22. Kunstmesse arteBA
  • 24.-27. Mai 2013
  • Messegelände La Rural, Grüner und Blauer Pavillon, Av. Sarmiento 2704, Buenos Aires
  • Öffnungszeiten: 13-21 Uhr
  • Eintritt 70 Pesos, Studenten und Rentner 35 Pesos
  • Webseite

Fotos von oben nach unten:
Die bunten Reisen des José Luis Anzizar.

Kuschellöwe gefällig?

Ganz schön brav: Stickarbeiten aus der Provinz Catamarca.
(Fotos: Jana Münkel)

Escriba un comentario