Kinetische Kunst

Auf der Suche nach der Bewegung auf der 22. arteBA

Von Jana Münkel


Der letzte Nachmittag der arteBA ist gut besucht, viele Kunstinteressierte tummeln sich im Messegelände La Rural, um noch einen Blick in die Ausstellungsstücke der Galerien zu werfen. Insgesamt 100.000 Menschen haben die Messe in vier Tagen besucht – eine beachtliche Bilanz. Hier und da weisen leere Wände oder Zettelchen an den Werken darauf hin, dass so Einiges den Weg zu einem neuen Besitzer gefunden hat; ab und an verlassen Menschen mit großen flachen Paketen unter dem Arm das Messegelände. Der Verkauf scheint gut gelaufen zu sein, die Galeristen wirken durchweg zufrieden.

Die arteBA bietet unendliche Möglichkeiten und kann auch überfordern. Abhilfe schafft da der kostenlos angebotene Audioguide. “Bienvenido a arteBA 2013” wünscht die kernige Stimme des argentinischen Radio- und Fernsehmoderators Lalo Mir. Er führt zu acht verschiedenen Stationen der Messe und gibt Hintergrundinfos zu den Arbeiten verschiedener Galerien.

Es tut gut, sich leiten zu lassen, dies erlaubt eine ganz neue und entspanntere Perspektive auf die bunte Messe – das Stimmengewirr der anderen Besucher bleibt für einen Moment draußen. Beim Umherstreifen kann man eine besondere Beobachtung machen: Es ist Einiges in Bewegung auf der arteBA! Eine Erkundung der Messe unter diesem Gesichtspunkt lohnt sich. Schlifka Molina ist eine recht neue Galerie aus Palermo, die vor allem die Arbeiten junger Künstler ausstellt. Neugierige Besucher stehen um eine durchsichtige Vitrine herum, in der eine spiralförmige Konstruktion von Eduardo Rodríguez zu sehen ist. Auf der Spirale sind kleine Fähnchen aus feinem Silberpapier angebracht, die sich im Inneren der Vitrine durch einen warmen Luftstrom unaufhörlich bewegen. Das Kunstwerk ändert sich so ständig, die Fähnchen reflektieren und drehen sich und stehen niemals still. Es sei spannend und auch beruhigend, diese ständige Veränderung zu beobachten, sagt eine Besucherin fasziniert.

Ein paar Schritte weiter befindet sich der Stand von Barú, einer der wichtigsten brasilianischen Galerien. Hier entdeckt man eine ganz andere Bewegung als Spiel mit der Zeit: Die Zeiger der fünf an der Wand hängenden Uhren haben alle ihren eigenen Rhythmus. Mal pendelt der große Zeiger zwischen zehn vor und zehn nach sieben hin und her, dort geht die Uhr rückwärts, hier wiederum bewegen sich großer und kleiner Zeiger entgegengesetzt. Auch die Zeit ist permanent in Bewegung, entgleitet und fließt unaufhörlich. Was, wenn man dieses zeitliche Konzept einfach umstülpt und das Uhrwerk ganz anders konstruiert?

Ein bekannter argentinischer Vertreter der kinetischen Kunst war bereits mit seinen Arbeiten bei der Biennale in Venedig und lebt zurzeit in Paris. Julio Le Parcs Konstruktion spielt ebenfalls mit der Lichtreflektion. Ein riesiges Mobile aus silbernen Metallquadraten hängt im Raum der Galería Infinito und überzieht alle vier Wände mit Lichterspielen. Viele Besucher bleiben stehen, beobachten andächtig die unregelmäßige Bewegung des überdimensionalen Mobilés. Manchmal erhascht man sogar einen kurzen Blick auf sich selbst in einem der vielen Spiegelquadrate. “Ach, wusste ich’s doch!”, ruft eine Besucherin begeistert, als sie hört, dass Le Parc der Schöpfer dieser Arbeit ist.

Mit der Bewegung und dem, was sie verändern kann, spielt ein sehr konzeptionelles Kunstwerk des jungen Brasilianers Guilherme Peters. Er stellt in den von Mercedes Benz unterstützten U-Turn Project Rooms für die Galería Vermelho aus Sao Paulo aus. Vor Metallplatten, auf denen ein rostiges Stadtbild zu sehen ist, dreht sich eine kleine knallbunte Legopyramide, angetrieben durch einen Motor. Diese ist mit Kabeln an die Platten gebunden. Unmerklich verändert sich durch die Drehbewegung der Pyramide auch das Bild an der Wand – die Oxidation schreitet fort.

Ebenfalls in den U-Turn Project Rooms wird schließlich der Besucher selbst zu einer ganz unkonventionellen Bewegung aufgefordert. Provozierend kann man in einem Spiegel im Stand der Galería Ruth Benzacar lesen: “An den Spiegel spucken.” Dieser ist schon ganz undurchsichtig durch all den getrockneten Speichel. Es ist amüsant, Bewegungen der Besucher zu beobachten, wenn sie vor dem Spiegel stehen: Ein jeder verzieht das Gesicht, sobald er begreift, dass er vor seinem eigenen, angespuckten Spiegelbild steht. Selbst zu spucken, das trauen sich allerdings die Wenigsten.

Anschaulich zeigt die arteBA viel Spannendes und Seltsames. Und das ist auch gut so: Die zeitgenössische Kunst ist schließlich immer in Bewegung!

Fotos von oben nach unten:
Fähnchenmobilé: Besucher staunen über die ständige Bewegung.

Reflektierendes Spiegelmobilé.
(Fotos: Jana Münkel)

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