Schweben über dem Parkett

Eine Tangostunde im Rahmen des Tangofestivals von Buenos Aires

Von Maren van Treel


Die Türen des Centro de Exposiciónes werden geschlossen. Die Tangoklasse sei voll, ab jetzt komme man nicht mehr rein, erklärt das Personal. Leider stehe ich nicht an der Innenseite der Tür, sondern an der Außenseite. Tangostunde ade! Ärgerlich.

Da aber keiner der Wartenden die Schlange verlässt, entschließe ich mich, zu warten. Die Hoffnung scheint noch nicht verloren. Und tatsächlich: Die Menge fängt an, sich zu echauffieren. Wildes Gestikulieren, schnippische Kommentare und immer wieder Einreden auf die Türsteher. Letztendlich bringt mir das argentinische Temperament doch noch meine erste Tangostunde. Was für ein Glück!

Geschätzte vierzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer bilden einen Kreis um die Tanzlehrerin. Männer und Frauen meist mittleren Alters wollen eine Stunde lang in die Kunst des Tangotanzens eintauchen. Die Stunde findet im Rahmen des diesjährigen Tangofestivals von Buenos Aires statt und ist deshalb kostenlos.

Zuerst wärmen wir uns auf, indem wir die Beine lockern und mit den Füßen Kreise auf die Tanzfläche zeichnen. Alles natürlich mit kerzengeradem Rücken, schließlich ist der Tango ein melancholischer, aber ein stolzer Tanz. Das ist jedoch manchmal gar nicht so leicht: eine stolze Haltung zu bewahren, wenn man sich bei dem ein oder anderen Schritt eigentlich etwas ungeschickt vorkommt. Ich kann mir gut vorstellen, dass das Tangotanzen über mehrere Jahre so auch die Persönlichkeit der Tänzer stolzer und selbstbewusster macht.

Die erste Figur, die wir lernen, ist die Pivot, die im Wesentlichen aus Ochos besteht. Die Damen tanzen dabei eine liegende Acht vor dem Herrn. Kommuniziert werde über die Arme, erklärt die Lehrerin. Bewegt werde sich aber nur hüftabwärts. Leichter gesagt als getan, denn manchmal wollen die Beine anders als sie sollten.

Manch einer emanzipierten Frau mag auch die strenge Rollenverteilung im Tango missfallen: die Herren führen, die Damen führen aus. Das ist aber der Preis, den frau zahlen muss, wenn sie Tango tanzen möchte. Und schließlich ist es bei jedem der Standard- und Gesellschaftstänze so – und auch nur für die Zeit auf dem Parkett. Außerdem kann frau es auch von einer anderen Seite sehen: es geht um das Sich-Einlassen auf das Gegenüber.

Dass die Herren führen sollen, heißt allerdings auch nicht, dass sie es immer tun oder besonders gut können. Bei dem ein oder anderen Paar sieht die Rollenverteilung eher umgekehrt aus. Und so eng wird es dann auch nicht gesehen: Wenn sich kein freier Herr findet, tanzen eben zwei Damen zusammen. Dann merkt man allerdings, dass die feste Rollenverteilung durchaus ihren Sinn und ihre Berechtigung hat.

Allerdings werden die Tanzpartner so oft gewechselt, dass es nicht weiter schlimm ist, wenn man mit dem Führungsstil eines Herren nicht zurechtkommt oder die Kommunikation in den Armen nicht funktioniert. Schließlich ist es auch auf dem Parkett nicht anders als im Leben: die Chemie muss stimmen und tut es nicht immer.

Das Tanzen an sich ist eine sehr schöne Erfahrung, denn hat man den Dreh einmal heraus und stimmt die Chemie, fühlt man sich, als schwebe man über das Parkett.

Und auch wenn die Gesichter beim Tango normalerweise ernst bleiben, ist mir manchmal nach einem Lächeln.

Das Tangofestival dauert noch bis zum 27. August 2013, alle Veranstaltungen sind kostenlos, erfordern jedoch manchmal eine Reservierung. Infos hier.

(Foto von Carlos Furman)

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