“Man erschafft etwas komplett Neues”

Die Band Nairobi geht über das Konzept des “alten” Reggae hinaus

Von Carlo-Johannes Schmid


Nairobi ist eine siebenköpfige argentinische Band, die den Staub, der sich auf den Wurzeln des Reggae abgesetzt hat, mit einer erfrischend neuen Interpretation des Genres abschüttelt. Nach “WU WEI” (2009) und “WET” (2010) brachte die Band im Mai diesen Jahres bereits ihr drittes Studioalbum “WAX” auf den Markt. Ein Gespräch über Reggae in Argentinien, das Leben als Musiker, die Schwierigkeit, ein eigenes Label zu betreiben – und ein Gruß nach Berlin.

CJS: Könnt ihr mir erklären, was es mit dem Gebäude auf sich hat, in dem wir sind?
Nairobi: Dieser Ort heißt “La Fábrica” – es ist ein multikultureller Ort, wo fünf Bands aufnehmen und proben. Außerdem arbeiten hier Künstler, Theatergruppen und junge Modedesigner. Wir arbeiten in den verschiedensten kreativen Bereichen übergreifend miteinander. Zusammen haben wir auch “Estamos Felices” (Wir sind Glücklich) gegründet, unser eigenes Plattenlabel.

CJS: Wann und wie hat es mit Nairobi angefangen?
Nairobi: Wir haben Nairobi am 7. August 2007 gegründet, als wir anfingen, waren wir drei Bandmitglieder, jetzt sind wir zu siebt.

CJS: Welche Einflüsse stecken in eurer Musik?
Nairobi: Wir sind beeinflusst von Dancehall, HipHop, Rock, Punk und natürlich auch von Reggae. Der Punk-Einfluss wird vor allem während unserer Liveshows sichtbar. Wir mögen den Prozess der Integration und versuchen, verschiedene Musikarten, verschiedene Reggae Arten zu mixen.

CJS: Gibt es eine große Reggae-Szene in Argentinien?
Nairobi: Sie gehört nicht zu den größten, aber die Reggae-Szene in Argentinien wächst sehr schnell. Bei den großen Festivals wird meistens noch Rasta-Roots-Reggae gespielt, eine alte traditionelle Art, Reggae zu spielen, zum Beispiel so wie Bob Marley. Seit ca. zwei Jahren aber wächst eine neue Generation von Reggae heran, die ein immer größeres Publikum erreicht.

CJS: Was ist der Unterscheid zwischen der alten und der neuen Generation?
Nairobi: Die neuen Bands, wozu auch wir uns zählen, sind beeinflusst von anderen Musikgenres so wie zum Beispiel Punk oder elektronischer Musik. Und die Texte sind persönlicher, es dreht sich nicht mehr nur alles um “Jah” und “Rasta”, es geht mehr um persönliche Erlebnisse. Die Message des „alten“ Reggae ist immer dieselbe, das hat sich nie verändert. Die neue Generation dagegen will etwas Neues schaffen. Es verändern sich also die Musik selbst und auch die Texte.

CJS: Und wie würdet ihr die Musikszene in Buenos Aires allgemein beschreiben? Was ist typische argentinische Musik heutzutage?
Nairobi: Typisch für Buenos Aires ist, dass fast jedes Genre vorhanden ist. Aber auf den Rolling Stones basierender Rock’n’Roll ist die am meisten verbreitete Musik, die man in Argentinien finden kann. Auch gibt es sehr viele Punkbands, die sich anhören wie die Ramones. Und natürlich Cumbia, eine Menge Folklore und Tango. Tango ist aber eher eine kulturelle Identität, es wird nicht wirklich viel produziert, sondern eher viel live gespielt.

CJS: Gibt es in BA eine gute Struktur für junge Musiker, ist es leicht, Unterstützung zu bekommen?
Nairobi: Nein, es ist hier eher schwer, Unterstützung zu bekommen. Oder sagen wir es so, wenn man als Band positiv in Richtung der Politik eingestellt ist, dann bekommt man Unterstützung. Wir finanzieren uns durch unsere Arbeit, durch unsere Musik selbst, und ab und zu holen wir einen Sponsor mit an Bord. Wir sagen weder etwas gegen noch für die Regierung. Wir denken, es ist nicht nötig, etwas auszusagen. Uns füllt es aus, wenn Leute zu unseren Konzerten kommen. Das reicht.

CJS: Was versucht ihr mit eurer Musik auszudrücken?
Nairobi: In unserer Musik ist nur ein kleiner Prozentsatz gesprochene Botschaft, wir versuchen, uns beim Spielen von allen dummen Gedanken frei zu machen. Wenn wir das auch auf unser Publikum übertragen und wenn die Menschen sich nach dem Hören unserer Songs besser fühlen, dann haben wir gewonnen.

CJS: Ist es schwierig, Musiker, Labelgründer und Manager in einem zu sein?
Nairobi: Die größte Herausforderung ist, kreativ zu sein und zu bleiben und nebenher noch alles managen. Manchmal ist es schwierig, im Musikgeschäft Dinge zu planen, alles passiert von Tag zu Tag. Man muss etwas reißen, man muss ständig verfügbar sein und so weiter. Das ist teilweise harte Arbeit, wir würden lieber nur musizieren und uns auf den künstlerischen Part konzentrieren, doch es gehört dazu.

CJS: Was ist das Beste daran, Musiker zu sein?
Nairobi: Das Beste ist, dass man etwas komplett Neues erschafft, was so noch nicht existiert, indem man wie bei einer Collage viele kleine Elemente zu einem großen neuen Gesamten zusammenfügt. Man versucht, ein Gefühl einzufangen und in eine Art Box zu stecken, wo es dann rauskommt. Wenn man das Publikum damit erreicht, ist es das Größte.

CJS: Wie geht es weiter mit Nairobi?
Nairobi: Unser Traum ist, einfach weiterzumachen, wir fühlen uns ausgefüllt und wohl dabei, miteinander zu spielen. In zwei oder drei Wochen werden wir hier einen “WAX”-MP3-Player rausbringen, auf dem das Album zu hören ist. Im Oktober werden wir wieder auf Südamerikatour gehen und im Sommer dann nach Europa.

CJS: Habt ihr auch schon mal in Deutschland gespielt?
Nairobi: Ja, 2009 haben wir zwei Nächte hintereinander im Tacheles in Berlin gespielt. Wir wollen all die Leute dort grüßen, die diesen speziellen Platz möglich machen. Es waren zwei schöne Nächte. Zwei der schönsten Gigs überhaupt.

Infos über Nairobi hier.

Hörproben aus dem Album “WET” hier.

Fotos von oben nach unten:
Ein Gefühl einfangen – sechs Mitglieder der Band Nairobi.

Das neue Album “WAX”.

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