“Liebe Kollegen”

Eine mögliche Rede des Papstes

Von Friedbert W. Böhm

In wenigen Tagen wird Papst Franziskus sich mit acht repräsentativen Kardinälen aus den fünf Kontinenten zusammensetzen, um die Situation der Katholischen Kirche zu besprechen. Das folgende könnte ein Manuskript für seine Eingangsrede sein.

“Liebe Kollegen,

ich habe euch heute hierher gebeten, um ein Thema zu ergründen, dessen erschöpfende Bearbeitung das so zahlreiche Gesamtgremium aller Kardinäle überfordern würde. Es geht um eine Neuausrichtung unserer Kirche.

Der geht es nämlich gar nicht gut. Die illustrierten Gläubigen laufen uns weg. Und wir haben immer größere Schwierigkeiten, Nachwuchs für unsere Priester zu erlangen.

Ich wäre nicht Papst geworden, wenn ich nicht von der Notwendigkeit unserer Organisation als einem wichtigen Medium für größeren Frieden in der Welt überzeugt wäre. Wir sind uns ja einig, dass die seit einigen tausend Jahren von bärtigen Alten für die Bibel erzählten Geschichten nur der Bemäntelung unserer Kernaussage für einfache Menschen dienen.

Das Eigentliche, Wesentliche unser Mission, das, was wir allen anderen Religionen und Ideologien voraus haben, ist doch das christliche Mandat LIEBE DEINEN NÄCHSTEN. Richtig interpretiert, ist dies eine Kampfansage an die natürliche Aggressivität aller Lebewesen, im Falle von uns Menschen die tiefe Ursache für Kriege, Rassismus, Fanatismus und körperliche oder wirtschaftliche Ausbeutung.

Wie ich ja schon durch manche Aussagen und gegebene Interviews angedeutet habe, halte ich es für wünschenswert, dass die Kirche Anstrengungen unternimmt, diese Kernaussage auf eine Weise zu verdeutlichen, die auch den illustrierten Teil der Menschheit wieder von ihrer spirituellen Kraft und ihrem guten Glauben überzeugt. Dies wird eine mähliche Angleichung unserer Traditionen, Regeln und Riten an die heutige Lebenswelt erfordern.

Hierzu erbitte ich eure Vorschläge.”

Wem die Diktion als zu einfach und geradlinig für einen Papst erscheint, der möge sich an folgende Begebenheit erinnern: Als Franziskus noch im Gästehaus des Vatikans logierte, traf er im Fahrstuhl unvermittelt mit einem der jüngsten Kardinäle zusammen, der, noch im Pulli, auf dem Weg zum Frühstück war. “Oh, Heiliger Vater”, sagte der Kardinal überrascht. Und der Pabst antwortete: “Na, Heiliger Sohn”.

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