Sprache und Kultur des Jiddischen lebendig erhalten

Robert Neumann und Dr. Ulrike Kiefer vom Förderverein für jiddische Sprache und Kultur stellten in Buenos Aires das EYDES-Projekt vor

Von Janina Knobbe

neumann_kieferDie jiddische Sprache und Kultur ist nicht jedem alltäglich gegenwärtig, und vielen ist nicht mehr bewusst, dass sie nicht nur Bestandteil der europäischen Kultur, sondern durch Migrationsströme während sowie nach dem zweiten Weltkrieg auch auf anderen Teilen der Welt präsent ist. Dass die jiddische Sprache auch heute noch auf dem lateinamerikanischen Kontinent in einigen Gemeinden als Muttersprache erlernt wird, ist den wenigsten bekannt.

Damit weder die Sprache noch die Kultur des Jiddischen in Vergessenheit geraten, wurde in Argentinien, ein Land, welches während der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland und Europa viele Flüchtlinge jüdischer Abstammung aufnahm, bereits im Jahr 1928 die Stiftung IWO (Instituto Judío de Investigaciones) mit Sitz in Buenos Aires gegründet. Die Stiftung hat sich die wissenschaftliche Untersuchung, den Erhalt und die Verbreitung der jiddischen Kultur zum Ziel gemacht.

Dieselben Ziele verfolgt der deutsche Förderverein für jiddische Sprache und Kultur, der seit 1991 existiert, seinen Sitz in Düsseldorf hat und vierzehn freie Mitarbeiter zählt, die auf der ganzen Welt verteilt sind. Der Förderverein hat sich besonders eines in New York liegenden Archivs mit Interviewmaterial in jiddischer Sprache angenommen.

Vergangene Woche ist eine Delegation, bestehend aus dem Vorsitzenden des Vereins Robert Neumann sowie Dr. Ulrike Kiefer, langjähriges Mitglied des Vereins, nach Sao Paulo und Buenos Aires gereist, um das Projekt EYDES (Evidence of Yiddish in European Societies) vorzustellen. Hierbei handelt es sich um ein fünftausendstündiges Archiv mit Tonbandaufnahmen, welche in Form von Interviews die linguistischen Variationen der jiddischen Sprache innerhalb sowie außerhalb Europas dokumentiert.

Dieses Projekt wurde in den 1950er und 1960er Jahren von dem Linguisten Uriel Weinreich in den USA durchgeführt und liegt heute dank der Hilfe und Mitarbeit von freiwilligen Wissenschaftlern und Freunden der jiddischen Sprache in digitalisierter Form vor und ist für jeden frei zugänglich. Kiefer, Spezialistin für jiddische Sprache und Kultur, sowie Neumann, Linguist und Softwarehersteller für Sprachtechnologie, stellten das EYDES-Archiv am 21. und 22. Oktober in den Räumen des IWO in Buenos Aires im Rahmen einer Konferenz vor.

Laut Neumann besteht die Besonderheit dieses Archivs darin, dass es aus Tonbandaufnahmen besteht, da die Dokumentation von gesprochener Sprache im Normalfall lediglich in Papierform vorliegt. Das Archiv dient heute hauptsächlich zu Forschungszwecken, kann aber auch als Unterrichtsmaterial zum Erlernen des Jiddischen gebraucht oder als “Museum” für die sprachlichen Variationen des Jiddischen in der Welt betrachtet werden.

Über die Präsentation des Projekts hinaus lag die Intention ihrer Reise darin, einen direkten Austausch mit anderen Organisationen und Stiftungen anzuregen und die Begründung zukünftiger Partnerschaften zu initialisieren. Der Konsens des IWO und des Fördervereins liegt in der internationalen und transnationalen Verbreitung und Förderung des öffentlichen Bewusstseins für die jiddische Sprache und Kultur vor und nach 1945, jedoch vor allem auch in der internationalen Verbreitung von Informationen über das digitale Archiv, welches laut Kiefer und Neumann als ein gemeinsames Produkt aller Institutionen, die den Erhalt und die Förderung des Jiddischen in der Welt unterstützen, angesehen werden soll.

Hierbei soll auch der eurozentristischen Ausrichtung der Wissenschaftsproduktion zu dieser Thematik entgegengewirkt werden. Neumann und Kiefer zeigten sich zufrieden mit den bisherigen Resultaten ihrer Auslandsreise und hoffen auf die weitere Entwicklung internationaler Kooperationen sowie ein international ausgerichtetes Interesse an dem EYDES-Projekt, welches weiterhin durch die Mitarbeit von Freiwilligen existiert. Zukünftig steht die Transkription des Interviewmaterials aus, welche zur Erweiterung des wissenschaftlichen Umgangs mit dem Archiv beitragen soll.

Foto:
Robert Neumann und Dr. Ulrike Kiefer von Förderverein für jiddische Sprache und Kultur e.V.
(Foto: Janina Knobbe)

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