Tango auf Reisen

Das Sexteto Mayor feiert Jubiläum im Torquato Tasso

Von Philipp Boos

sexteto
Das weitgereiste Tango-Orchester Sexteto Mayor feiert im Centro Cultural Torquato Tasso am Lezama-Park sein 40-jähriges Bestehen. Soeben von einer Tour durch Deutschland, Lettland, Russland und Schweden heimgekehrt, spielen sie nun vor heimischem Publikum. Denn keiner applaudiert empathischer als die Porteños.

Vor dem Eingang eine Menschenschlange, die Plätze nahe der Bühne sind begehrt. Man kann den Künstlern auf die Finger schauen und die Hinterköpfe anderer Besucher sind rar bis gar nicht vorhanden, so nah reicht die Bestuhlung an den Ort des Geschehens.

Zwei ältere Herren am Tisch hinter mir schlürfen voller Vorfreude ihre Pasta. Immer wieder geraten euphorisch ihre Gläser aneinander, alteingesessene Tango-Fans, die den Abend begießen und deren Kommentare mich in den nächsten Stunden begleiten werden. Das Publikum im Tasso ist mehrheitlich aus Buenos Aires, was einen Besuch umso erstrebenswerter macht. Und das Verhältnis von kahlen und dicht behaarten Köpfen hält sich die Waage, jung und alt kommen zusammen, Tango verbindet.

Zwar verirren sich auch Touristen hierher, aber das Tasso ist vor allem einheimisch, was spätestens bei der Kommunikation zwischen Künstlern und Publikum hör- und auch sichtbar wird.

Das Sexteto Mayor wurde 2003 für ihr Werk “Homenaje a Piazzolla” in der Rubrik „bestes Tango Album“ mit dem lateinamerikanischen Grammy ausgezeichnet. Von den Bandoneonspielern José “Pepe” Libertella und Luis Stazo am 23. April 1973 gegründet, gastierte das Orchester bis dato in mehr als 700 Städten weltweit. 1981 waren sie bei der Eröffnung der Tanguería “Trottoirs de Buenos Aires” in Paris, neben Julio Cortazár und Paloma Picasso wichtigste Protagonisten.

Nach dem Tode Libertellas im Jahr 2004 und dem Ausscheiden Stazos, nahm sich Juan Libertella des Erbes seines Vaters an und zieht seitdem die Fäden im Hintergrund. Der auch heute Abend mitwirkende 87-jährige Violinist Mario Abramovich, seit Gründung des Sextetts dabei, lehnte die Leitung des Orchesters ab. Mit der Begründung, dass er seit jeher nur spielen wolle. 2005 beauftragte Libertella den Bandoneonisten Horacio Romo mit der musikalischen Leitung. So spielen heuer drei Generationen herausragender Solisten zusammen im Torquato Tasso: Fulvio Giraudo am Piano, Enrique Guerra am Kontrabass und Luciano Sciarretta neben dem besagten Romo am Bandoneón. Sowie der zweite “Oldtimer” neben Abramovich an der Violine, Eduardo Walzack.

Die zwei “Alten” erklimmen die Bühne schweren Schrittes – schon jetzt sind sie die Publikumslieblinge – umso überraschender ihre nach wie vor virtuose Fingerfertigkeit auf den Violinenstegen. Hinter mir klirren immer wieder die Gläser, zwischen den Klassikern und modernen Tango-Stücken klatscht das Publikum frenetisch Beifall. “Impresionante” beschreibt die Kraft des Orchesters wohl treffend, als würde eine Dampflok unaufhörlich ihre Runden durch den Lezama-Park drehen. Ein aufwühlendes Spektakel und faszinierend mitanzusehen, wie die vier Instrumente zusammenwirken und gewaltige Klangwelten schaffen.

Das Sextett orientiert sich in seinem Stil an der in den 1920er Jahren von Julio De Caro initiierten Erneuerung des Tangos, bestehend aus zwei Bandoneons, zwei Violinen, Piano und Kontrabass. Ein Besuch ist jedem nur ans Herz zu legen. Bevor es sie wieder in die weite Welt verschlägt, ist das Sextett am Samstagabend, den 29. März, noch einmal für 120 Pesos (Abendkasse) im Torquato Tasso zu sehen. Das Vorbestellen von Karten ist zu empfehlen. Die Türen öffnen 20.45 Uhr, zwei Vorbands sind geladen, und eine Stunde später kommt dann der Orchesterzug ins Rollen.

(Torquato Tasso, Defensa 1575, San Telmo, Buenos Aires, Tel.: (011) 4307-6506.)

Foto:
Ein aufwühlendes Konzerterlebnis: Sexteto Mayor.

Escriba un comentario