“Berlin ist ein bisschen neidisch”
Klaus Wowereit eröffnet Veranstaltung zur Feier der 20 Jahre Städtepartnerschaft Berlin und Buenos Aires
Von Philipp Boos
Berlin und Buenos Aires feiern dieses Jahr 20 Jahre Städtepartnerschaft. Am Montag wurde zu den offiziellen Feierlichkeiten im “Centro Metropolitano de Diseño” (CMD) in Barracas geladen, dort wurde Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit erwartet.
Ab 16 Uhr öffnete das Programm im hochmodernen und neuen Auditorium. Es gab unterschiedliche, an der Oberfläche kratzende Vorträge über das Erfolgsmodell Berlin. Mitarbeiter der Tourismusagentur “visitBerlin” erklärten, warum Deutschlands Hauptstadt in den letzten zehn Jahren zum Mekka und zur Heimat von Kreativen und Start-Ups aus der ganzen Welt geworden ist. Alle 12 Minuten, so die Verantwortliche für das Hauptstadtmarketing Christine Carboni in ihrem Vortrag, werde in Berlin ein Start-Up gegründet, bedingt unter anderem durch den noch erschwinglichen Wohnraum, im Vergleich mit London und San Francisco.
Kein Wort zum Wohnraummangel und der Gentrifizierung in den Stadtteilen Kreuzberg und Neukölln. So brüstet man sich mit der Freifläche des stillgelegten Flughafens Tempelhof, verschweigt aber auch hier eventuelle Bauvorhaben. Klar, es geht um die Außendarstellung, aber Fakt ist, dass auch Berlin immer teurer wird.
Berlin ist eine junge Stadt, das Durchschnittsalter liegt unter 35 Jahren. Die Stadt an der Spree, die niemals schläft, und in der täglich aus bis zu 1500 Veranstaltungen gewählt werden kann. “Deswegen schläft auch keiner”, wird gescherzt und gelacht. Die Stunden plätschern angenehm dahin.
Gegen 19 Uhr trifft Berlins Bürgermeister ein, u.a. in Begleitung des Ministers für wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Buenos Aires, Francisco Cabrera, des Deutschen Botschafters Bernhard Graf von Waldersee und des Geschäftsführers von visitBerlin, Burkhard Kieker. Dazu ein nicht genau zu definierender Mitarbeiterstab und ein Tross kurzhaariger Bodybuilder im Smoking – seine Bodyguards. Wie niedrig fliegende Schwalben vor dem vermeintlichen Regenschauer warnen, kündigen die aufgescheuchten Hühnern gleichenden, kreuz und quer umherlaufenden Fotografen Wowereits nahende Ankunft an.
Klaus Wowereit wirkt inmitten des Blitzlichtgewitters wie ein Fels in der Brandung – man möchte es ihm gleichtun und über den Dingen stehen. An einer großen Wandkarte lässt er sich den Stadtteil Barracas und dessen kreative Zentren erläutern und wird durch die Ausstellung der von Berliner Designern entworfenen Berlin-Souvenirs geführt.
Am Ende der ehemaligen Markthalle befindet sich die Bühne. Zu blöd, dass die Tanzgruppe davor auf dem Pflasterstein ein Medley aus Breakdance und Tangoschritten vorführt, und nur die in der ersten Reihe wirklich “live” dabeisein können. Der Applaus ist aber durchaus gerechtfertigt.
Francisco Cabrera betritt nun die Bühne, zeigt sich erfreut über den Austausch zwischen den Städten und bittet schließlich den Berliner Bürgermeister, das Wort zu ergreifen. Der gibt sich gewohnt entspannt – so wie Berlin ist auch er nicht mit dem Rest Deutschlands zu vergleichen. Als Zeichen der guten Zusammenarbeit überreicht ihm Cabrera den Schlüssel des “Distrito de Diseño”, in einem 3D-Drucker gepresst.
“Herzlichen Glückwunsch zu diesem wunderbaren Design-Zentrum, zur Gestaltung dieser außergewöhnlichen Halle für das wunderbare Thema Design”, beginnt Wowereit seine Rede und erntet seinen zweiten Beifall. Berlin sei neidisch auf so eine Einrichtung für die kreativen Industrien, die sich weltweit sehen lassen könnte, umschmeichelt er seinen argentinischen Gastgeber und das Publikum. Desweiteren betont er, dass diese Partnerschaft nicht bloß eine Formalie auf dem Papier sei oder darin bestünde, dass sich zwei Bürgermeister alle Jubeljahre mal die Hände schüttelten. Vor allem würden die Menschen der Partnerstädte miteinander kommunizieren. Diese Ziel habe man erreicht.
Wowereit führt aus, wie die kreativen Industrien sich verlassener Industriebrachen annehmen und diese wiederbeleben würden. Daher sei es die Pflicht der Städte, Arbeitsplätze in den kreativen Bereichen zu fördern: “Die kreativen Industrien sind nicht nur etwas für verrückte Designer, sondern sie schaffen in der Tat Arbeitsplätze, in Berlin sind das Zehntausende von Arbeitsplätzen, und deshalb ist es so wichtig für die Weiterentwicklung einer Stadt, die kreativen Industrien zu unterstützen.”
Im persönlichen Gespräch erklärt der Regierende Bürgermeister, dass die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Buenos Aires noch weiter ausgebaut werden wird. Von der Unesco sind beide Städte als kreative Städte ausgezeichnet wurden. Habe man in der Vergangenheit “Die lange Nacht der Museen” nach Buenos Aires exportieren können, möchte man in Zukunft noch mehr miteinander kommunizieren. Trotz der Unterschiedlichkeit beider Städte gäbe es auch viele Gemeinsamkeiten, so Wowereit.
“Ich denke, dass beide Städte erkannt haben, dass die Kultur ganz wichtig ist, dass die Förderung der Kreativen eine super Chance ist, die Städte zu entwickeln. Was aus meiner Sicht ganz entscheidend ist in der Situation von großen Metropolen.” Doch das alles könne nur geschehen, wenn Metropolen wie Berlin und Buenos Aires ihre innere Liberalität bewahren, wo sich die Bürger wohlfühlen und die Leute aus der ganzen Welt hinkommen. Ausgrenzung und Diskriminierung, in beiden Städten sicherlich ähnlich präsente Probleme, bedrohten eine solche Freiheit.
“Das ist ein täglicher Kampf, das muss gelebt werden, das kann man nicht anordnen”, schließt er das Gespräch. Ich muss ihn ziehen lassen, die Kollegen vom Fernsehen sind jetzt an der Reihe. Ich bewundere noch ein wenig das Lichtspektakel der mitgereisten Berliner LiCHTPiRATEN, bekannt für ihre Licht- und Klanginstallationen, und trete die Heimreise an.
Hier im südlichsten Barracas ist an jeder zweiten Straßenecke ein Ordnungshüter in orangefarbener Weste anzutreffen. An ihnen orientiere ich mich, um zu den belebteren Hauptstraßen zu gelangen. Berlin und Buenos Aires, wo, wenn nicht in Barracas werden Gemeinsamkeiten und Widersprüche besser deutlich?
Die Ausstellung “Berlín en Vivo en Buenos Aires” ist noch bis zum 10. April im CMD (Algarrobo 1041) zu sehen. Auf Facebook können Texte, Videos und Fotos angesehen werden.
Foto:
Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit (li.) und der Minister für wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Buenos Aires Francisco Cabrera gemeinsam in Barracas.