Plädoyer für aktive Gedenkarbeit

Klaus Wowereit eröffnet Ausstellung “250 Jahre Jüdisches Krankenhaus Berlin”

Von Marcus Christoph

wowereit
Um die Zukunft zu meistern, bedarf es einer aktiven Gedenkarbeit. Dieses Credo formulierte Klaus Wowereit anlässlich der Ausstellungseröffnung “250 Jahre Jüdisches Krankenhaus Berlin”, die seit Dienstag im Jüdischen Museum von Buenos Aires (Libertad 769) zu besichtigen ist. Der Regierende Bürgermeister der Spreemetropole weilte in der argentinischen Hauptstadt, um das 20-jährige Bestehen der Städtepartnerschaft zwischen beiden Städten zu feiern. Diese werde getragen von den Bürgern zweier Städte, die beide von wechselvoller Geschichte geprägt seien, so Wowereit.

Der Regierende Bürgermeister hob das Jüdische Krankenhaus (JKB) im Ortsteil Gesundbrunnen als einen Ort hervor, der beispielhaft die Veränderungen und Verwerfungen der Geschichte zeige: Wie Menschen friedlich miteinander gelebt haben, aber auch, wie Menschen verfolgt und schließlich ermordet wurden. Erinnerung daran sei man den Opfern der NS-Terrorherrschaft schuldig. Wowereit würdigte, dass Argentinien mehr als andere Länder Juden aufgenommen habe. Rund 30.000 vom Holocaust bedrohte Menschen hätten sich damals vor dem Regime der Nationalsozialisten hierher retten können.

Der Bürgermeister erinnerte an das einstmals blühende jüdische Leben in Berlin, das durch den Holocaust zerstört worden sei. Heute kehre jüdisches Leben zurück in die deutsche Hauptstadt. Dies müsse jedoch beschützt werden, da es immer noch Menschen gebe, die nichts aus der Geschichte gelernt hätten, so die Einschätzung des Bürgermeisters, der vor diesem Hintergrund ermahnte: “Demokratie muss jeden Tag neu gelebt werden.”

Wowereit unterstrich die Vorbildfunktion, die Metropolen wie Berlin und Buenos Aires für das Zusammenleben von Menschen insgesamt zukäme. Dabei habe die Geschichte beider Städte gezeigt, dass man immer dann erfolgreich war, wenn ein Klima der Offenheit und des Respekts vor den Menschenrechten geherrscht habe.

Für die Stadt Buenos Aires sprach Kulturminister Hernán Lombardi, der die Städtepartnerschaft als “fruchtbare Beziehung” charakterisierte. Buenos Aires und Berlin, die beide in der Geschichte viel gelitten hätten, stünden heute für Pluralismus, Jugend und für Kultur als Lebensform.

Besonders auf die Geschichte des Hospitals ging Dr. Jochen Palenker, der stellvertretende Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung JKB, ein. Seit 200 Jahren stehe das Krankenhaus Menschen aller Konfessionen offen. Menschlichkeit sei schließlich nicht teilbar. In Berlin weise nur die Universitätsklinik “Charité” eine längere Geschichte auf. Bedeutende Ärzte wie Dr. James Israel, der Wegbereiter der modernen urologischen Chirurgie, sowie Bernhard von Langenbeck, der Gründer der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie, hätten im JKB gewirkt. Gemeinsam mit der “Charité” sei das JKB “Motor des medizinischen Fortschritts” gewesen.

Prof. Dr. Julius Schoeps, der Direktor des Moses-Mendelssohn-Zentrums der Uni Potsdam, beschrieb das Jüdische Krankenhaus als “ein Stück berlinisch-jüdischer, aber auch deutsch-jüdischer Geschichte”. Schoeps‘ Institut hatte die Ausstellung 2006 konzipiert, die bereits in Berlin, Jerusalem, Haifa und New York zu sehen war.

Für die DAIA, den Dachverband der jüdischen Organisationen in Argentinien, sprach deren Vizepräsident Waldo Wolff. Er machte die Wichtigkeit, Geschichte zu vermitteln, am Beispiel eines Geschichtslehrers deutlich, den er bei einem Besuch in Deutschland kennengelernt hatte. Dieser begründete seine Lehrmotivation damit, dass er von seinem demokratisch gesinnten Großvater das Vermächtnis übernommen habe, die Erinnerung an das während der NS-Zeit Geschehene wachzuhalten.

Der deutsche Botschafter Bernhard Graf von Waldersee sieht in der aktuellen Ausstellung einen “Brückenschlag zum jüdischen Leben in Berlin”. Die Geschichtsschau stärke die Beziehungen nicht nicht nur zwischen Berlin und Buenos Aires sowie Deutschland und Argentinien insgesamt, sondern auch die Verbindungen zwischen der hiesigen deutschen Botschaft und den jüdischen Vereinigungen vor Ort.

Als Gastgeber des Abends sprach Museumsdirektor und Rabbiner Dr. Simón Moguilevsky von einer “großen Ehre und Genugtuung”, die Berliner Ausstellung in Buenos Aires zeigen zu können. Die Bezeichnung Hospital stamme vom lateinischen Wort für beherbergen, erinnerte Moguilevsky. Seien in früheren Zeiten Menschen in ihren Häusern kuriert worden, entwickelten sich heutzutage Krankenhäuser zu Einrichtungen, in denen die Patienten nicht nur operiert, sondern sich auch länger zu Genesungszwecken aufhalten könnten. Die Ausstellung spiegele auch die Entwicklung zum modernen Hospital wider.

Die Geschichte des JKB begann im Jahr 1756 mit der Schaffung eines Hospitals an der Oranienburger Straße durch die jüdische Gemeinde. 1914 erfolgte der Umzug aus Berlins Mitte in den Wedding/Ortsteil Gesundbrunnen. Als einzige jüdische Institution in ganz Deutschland überstand das JKB den Naziterror. In den letzten Jahren des Zweiten Weltkriegs wurde das Krankenhaus als Sammellager und Zwischenstation für die Transporte der Juden in die Konzentrationslager missbraucht. Es wurde Ghetto, aber auch Zufluchtsstätte für Untergetauchte.

Nach dem Holocaust konnten die wenigen Mitglieder der jüdischen Gemeinde das Krankenhaus finanziell nicht mehr tragen. 1963 wurde es in eine Stiftung des bürgerlichen Rechts umgewandelt.

Die Sonderausstellung im Jüdischen Museum von Buenos Aires (Libertad 769) ist bis zum 27. Juni zu besichtigen. Öffnungszeiten sind dienstags bis donnerstags von 11 bis 18 Uhr sowie freitags von 11 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Am Montag hatte Klaus Wowereit im Rahmen einer Veranstaltung zur Städtepartnerschaft Berlin-Buenos Aires eine Ausstellung im Design-Zentrum CMD eingeweiht.

Foto:
Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (re.) in Buenos Aires.
(Foto: Marcus Christoph)

Escriba un comentario