Innenstadtbesuch

Zwei Behördengänge in nur fünf Stunden!

Von Friedbert W. Böhm

Business StempelIch wohne in einer nahen Vorstadt von Buenos Aires – kaum 10 km von der City entfernt. Den Weg kenne ich bestens, mache ihn aber nur noch, wenn es unumgänglich ist, denn ein fröhliches Fahrerlebnis bietet er weder in öffentlichen Verkehrsmitteln noch im Auto. Heute aber muss ich in den sauren Apfel beißen, weil ich mir in der Botschaft eine Lebensbescheinigung abstempeln lassen und in meiner Bank den Eingangscode für Onlinebanking erneuern muss.

Die Botschaft liegt auf halbem Weg. Sie hat keinen Besucherparkplatz. Die umliegenden Straßen sind mit parkenden Autos überfüllt. Die nächstgelegene Parkgarage ist voll. Nach etwa 20 Minuten habe ich eine andere gefunden, eine von denen, deren dunkle, unbeleuchtete, kurvige Einfahrt eine Steigung von ca. 30 Grad aufweist und deren Stellplätze dem Vehikel höchstens 10 cm Freiraum lassen bis zur Wand, einer Säule oder dem nächsten Auto. Zur Botschaft muss ich jetzt nur noch 6 Blocks laufen, über zwei stark befahrene Durchgangsstraßen hinweg.

Die Botschaft hat vier Schalter, von denen drei besetzt sind. Lebensbescheinigungen werden in dem bearbeitet, der auch für Rentenanträge und allerlei Sonstiges zuständig ist. Das scheinen recht langwierige Dinge zu sein; der Mann, der schon bei meiner Ankunft da steht, tut das noch 10 Minuten länger. Dann sind noch vier andere vor mir. Das könnte noch ein kleines Stündchen dauern.

Ich habe aber das unverhoffte Glück, von einer mir bekannten Botschaftsdame außer der Reihe herbeigewinkt zu werden. Sie hat mein in den Pass eingeklemmtes Lebensbescheinigungsformular erkannt und in fünfzehn Sekunden abgestempelt. Ich überlege, ob ich der Botschaft als Betriebsverbesserungsvorschlag empfehlen soll, dem Publikum alle 10 Minuten von einem gerade unbeschäftigten Mitarbeiter anbieten zu lassen, solche Bescheinigungen zwischendurch abzustempeln, womit er einige Minuten verlöre, dem Publikum jedoch einige Stunden Zeit ersparte. Als in noch jünger, naiver und unbelasteter war, schrieb ich solche Vorschläge.

Zur Bank gelange ich im 2. Gang und nachdem ich den Wagen im 5. Untergeschoss einer Großgarage lassen konnte, die nur 5 Blocks entfernt ist. Ich bin seit über 20 Jahren Kunde der Bank und wurde in einem früheren Leben bei Eintritt von der Hälfte der Angestellten freundlich begrüßt, dann von meinem Betreuer bedient, der mich und mein Konto kannte. Jetzt muss ich erst vor der Auskunftsstelle anstehen. Dort wird mir gesagt, dass mein Anliegen von irgendeinem der drei Kundenbetreuer im 1. Stock bearbeitet wird.

Die erste Betreuerin will erst wissen, welcher Art von Konten meines angehört, dann verweist sie mich auf das zweite Kabuff. Als der dortige Betreuer mit seinem längeren Telefongespräch fertig ist und ich ihm sage, dass ich meinen Onlinecode wechseln will, sagt er, das müsse ich mit meiner Bankkarte am Automaten machen. Ich erkläre ihm, dass ich eine solche Karte nicht besitze und schon dreimal abgelehnt habe, weil ich sie so selten benutzen würde, dass der Aufwand größer wäre als der Nutzen. Dann lässt er mich einen Revers unterschreiben, mit dem ich bestätige, den Code gewechselt zu haben. Ich unterschreibe, darauf vertrauend, dass er mir dabei nun helfen würde. Das tut er aber nicht, denn dafür gibt es eine Spezialistin, die neben den Automaten steht und deren einzige Aufgabe offenbar ist, dem Publikum zum Verständnis des Systems zu verhelfen.

Sobald sie frei ist, ruft sie die entsprechende Maske auf, wo ich meine üblichen Daten eingeben muss. Dann soll ich eine vierstellige neue Codenummer eingeben. Sie wird vom System abgelehnt. Die Betreuerin will sie nun wissen. Ach nein, sagt sie, Du (sie könnte ja meine Enkelin sein) darfst weder mit 19 noch mit 20 beginnen (vermutlich aus Sicherheitsgründen, weil wohl 80 % der Kunden Jahreszahlen benutzen). Mein zweiter Versuch hat auch keinen Erfolg, wahrscheinlich, meint die Betreuerin, weil ich eine Ziffer wiederholt habe, was man “natürlich” nicht darf. Beim dritten Versuch klappt es dann. Nun muss ich aber noch einen Benutzerspitznamen eingeben, wohl als zusätzliche Sicherheit. Er muss mindestens 8 Stellen haben. Das System ist aber schon wieder nicht zufrieden, ich muss den Spitznamen der Betreuerin offenbaren. “Aber das sind ja alles Buchstaben!”, wirft sie mir vor, “es muss doch mindestens eine Ziffer enthalten sein”.

Irgendwann ist das System endlich zufrieden. Ich prüfe und freue mich, wieder Onlinezugang zu besitzen. Die Betreuerin guckt mir dabei über die Schulter, damit ich auch alles richtig mache. Sie verabschiedet mich froh und stolz über unseren gemeinsamen Erfolg. Als ich sicher bin, dass mir niemand mehr zusieht, ändere ich Code und Spitznamen.

Auf der Heimfahrt höre ich im Radio, dass das Mutterhaus meiner Bank soeben zur effizientesten Bank Europas erklärt wurde. Wie mag wohl die Bürokratie der anderen aussehen? Bloß gut, dass ich in Argentinien wohne, wo es möglich ist, in kaum fünf Stunden einen Stempel auf ein Formular und einen neuen Onlinezugang zu bekommen!

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