Buenos Aires im Banne Barenboims
Freiluft-Konzert des Stardirigenten an der Alsina-Brücke & Autorenlesung in der Deutschen Botschaft
Von Marcus Christoph
Orchestermusik einmal anders: Nicht im pompösen Festsaal, sondern unter freiem Himmel im eher proletarisch geprägten Buenos-Aires-Stadtteil Nueva Pompeya lud Stardirigent Daniel Barenboim am Sonntag zu einem Konzert. Rund 8000 Zuschauer waren an diesem frischen Wintermorgen gekommen, um nahe der Alsina-Brücke den Klängen des West Eastern Divan Orchestra zu lauschen.
Auf dem Programm standen Werke des französischen Komponisten Maurice Ravel wie “Rapsodie espagnole”, “Pavane pour une infante défunte” oder “Bolero”, die unter Barenboims Stabführung die Szenerie in ein Freiluft-Opernhaus verwandelten. Als Hommage an Buenos Aires, der Geburtsstadt Barenboims, intonierte das Orchester zudem den Tango “El Firulete” von Mariano Mores.
Während des Konzerts richtete Barenboim einige Worte an das Publikum, in denen er an seine Kindheit in Argentinien erinnerte: “Ich habe das Land als Neunjähriger verlassen, aber es gab mir etwas für immer mit auf den Weg: nämlich, dass kein Problem darin besteht, mehrere Identitäten zu haben.” Egal ob man hier von Herkunft her Pole, Jude, Syrer, Deutscher, Libanese oder Türke sei, sei man dadurch nicht weniger Argentinier. Barenboim hob zudem die Warmherzigkeit der Argentinier hervor.
Der Auftritt an der Alsina-Brücke fand im Rahmen des zehntägigen Barenboim-Festivals in Buenos Aires statt. Dabei gab es mehrere Konzerte im Teatro Colón, unter anderem mit der Starpianistin Martha Argerich, die wie Barenboim aus der argentinischen Hauptstadt stammt. In dem Opernhaus führte Barenboim am Sonntagabend auch einen offenen Dialog mit dem ehemaligen spanischen Ministerpräsidenten Felipe González, bei dem beide das friedliche Zusammenleben von Arabern und Juden in Lateinamerika als Hoffnungsschimmer für den Nahen Osten hervorhoben.
Im Zeichen der Verständigung steht auch das West Eastern Divan Orchestra, das aus jungen arabischen, israelischen und spanischen Musikern besteht. Es wurde von Barenboim und dem aus Palästina stammenden, mittlerweile verstorbenen Literaturwissenschaftler Edward Said 1999 gegründet, um ein Beispiel für friedliches Zusammenleben im Nahen Osten zu setzen. In Deutschland ist Barenboim vor allem als Generalmusikdirektor der Staatskapelle Berlin bekannt.
Vor dem Hintergrund des Barenboim-Festivals ist auch die Autorenlesung zu sehen, zu der die Deutsche Botschaft vor wenigen Tagen einlud. Zu Gast war die argentinische Musikjournalistin Cecilia Scalisi, die aus ihrem Buch “En la edad de las promesas” vortrug. Dabei untersucht die Autorin die frühen Jahre der drei musikalischen Wunderkinder Daniel Barenboim, Martha Argerich und Bruno Gelber, die alle Anfang der Vierzigerjahre in Buenos Aires zur Welt kamen.
Das Buch handelt vom Emigrantenmilieu jener Jahre, wo die Musik als verbindendes Element wirkte und man sich zu “Tertulias” genannten Zusammenkünften künstlerischer Art traf. “Ich wollte die Kindheit von Daniel, Martha und Bruno beleuchten. Eine Zeit, als man noch nicht wusste, welch große Karrieren sie später einmal machen würden”, so die Autorin.
Zudem stellte Scalisi die von ihr gestaltete Kollektion “Piano Esencial” vor: Eine 20-teilige Ausgabe von Büchern und CDs mit Musik von Barenboim und Argerich, die ab sofort jeden zweiten Sonnabend im Zeitungskiosk erhältlich ist.
Fotos von oben nach unten:
Klassik unter freiem Himmel.
Autorin Cecilia Scalisi im Gespräch mit dem deutschen Botschafter Bernhard Graf von Waldersee.
(Fotos: Marcus Christoph)