“Die gehen weg wie warme Würstchen”

Zwei deutsche Bratwurst-Brutzler schreiben in Buenos Aires an einer Erfolgsgeschichte

Von Tobias Zwior

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Auf den ersten Blick erinnert er ein wenig an den jungen Gerard Depardieu, doch der Schein trügt. Mit Schauspiel hat Michael Schnirch nichts zu tun, sein Handwerk ist das Würstemachen. Schnirch, 35, ist einer der beiden Gründer von “Bratwurst Argentina”, dem ersten Unternehmen in Buenos Aires, das sich allein auf das Brutzeln deutscher Würste spezialisiert hat. Schnirch lebt seit neun Jahren in Argentinien und arbeitet hauptberuflich in einer Softwarefirma in Palermo. Die Mittagspause hat er sich für das Gespräch freigeschaufelt.

Seit zwei Jahren gibt es “Bratwurst Argentina” nun schon. Bestellen kann der Kunde im Onlineshop so ziemlich alles, was das Herz eines Wurstliebhabers begehrt und, was man bisher in Argentinien nicht bekam: Currywurst, Nürnberger, Pankower, Käsebeißer, Hähnchen- und sogar Chilibratwurst. “Das Unternehmen floriert, und diesen Weg wollen wir weitergehen”, sagt Schnirch zufrieden. “Auch wenn wir niemals erwartet hätten, dass wir so schnell einen solchen Erfolg haben würden.”

Die Geschichte von “Bratwurst Argentina” begann damit, dass sich Schnirch und sein heutiger Geschäftspartner André Kalisch bei einem Public Viewing im Rahmen der Fußball-EM 2012 kennenlernten. “Es war wie Liebe auf den ersten Blick”, erinnert sich Schnirch. Kalisch kommt aus Berlin und hatte auch dort schon eine eigene Pizzeria betrieben, während der gebürtige Nürnberger Schnirch als Student die ersten Erfahrungen in der Gastronomie sammeln konnte.

Es vereint sie – das wurde den beiden schnell klar – der Wunsch, in Argentinien etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Die Idee zur Bratwurstschmiede lag auf der Hand: “Immer, wenn wir zwischendurch mal privat oder beruflich in Deutschland waren, haben wir Bratwürste und andere deutsche Spezialitäten nach Argentinien mitgebracht”, sagt Schnirch. Einmal war auch seine argentinische Frau dabei, ebenfalls mit deutschen Lebensmitteln in der Tasche. Doch sie hatte Pech: “Der Zoll hat ihre ganze Tasche leergeräumt und den gesamten Inhalt geschreddert.” Extrem schade um die guten Lebensmittel sei das gewesen und habe den Wunsch bestärkt, auch in Argentinien einfacher an deutsche Bratwürste zu kommen.

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Ein zweiter Grund für Schnirch und Kalisch, ins Bratwurstgeschäft einzusteigen, war die in ihren Augen irritierend falsche Vorstellung, die Argentinier von deutschem Essen haben: “Wenn man hier in Buenos Aires auf eine ‚Feria de las Naciones‘ geht, bekommt man am deutschen Stand Bockwürste, Sauerkraut und Kartoffeln. Sonst nichts. Und das wird dann als typisch Deutsch hingenommen”, sagt Schnirch. Dabei habe die deutsche Küche viel mehr zu bieten: “Wir haben so viele leckere Wurstsorten in Deutschland, zum Beispiel die Currywurst.” Letztere sei aktuell der Verkaufsschlager bei den Kunden von “Bratwurst Argentina”.

Wenn Michael Schnirch an die Anfänge des Unternehmens zurückdenkt, muss er unweigerlich schmunzeln. Die ersten selbstgemachten Bratwürste gaben Kalisch und er noch ihren Freunden und Bekannten zu probieren. Deren positive Reaktionen brachten die beiden dann auf die Idee, einen Stand beim monatlichen BA Underground Market aufzumachen. “Beim ersten Mal hatten wir 15 Kilo Wurst produziert und dachten, das reicht locker. Doch dann standen wir da mit unserem kleinen Elektrogrill vor einer Schlange von 30 Metern”, sagt Schnirch.

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Daraus wollten die jungen Unternehmensgründer lernen und rückten beim nächsten Mal mit 30 Kilo Wurst und einem Gasgrill an. Auch das reichte nicht. Als “Bratwurst Argentina” schließlich kurz darauf von der argentinisch-deutschen Handelskammer eingeladen wurde, die Verpflegung beim Oktoberfest zu übernehmen, produzierten die beiden 50 Kilo. Mehr als positiv kalkuliert. “Nach zwei Stunden waren wir ausverkauft”, sagt Schnirch mit einem immer noch leicht ungläubigen Blick in den Augen. “Die Würstchen gingen weg wie warme Semmeln.” Oder eben wie warme, deutsche Würstchen in Argentinien.

Während der WM vor rund einem Monat sei natürlich Hochkonjunktur gewesen. Auch die Deutsche Botschaft war mittlerweile auf “Bratwurst Argentina” aufmerksam geworden. Bei den Viertel- und Halbfinalspielen der Deutschen Mannschaft versorgten Schnirch und Kalisch die zum Public Viewing eingeladenen Gäste der Botschaft. Das hätten sie auch beim Finale gerne getan, doch die Botschaft entschied sich gegen eine Übertragung des Spiels der beiden Nationen, ohne die es “Bratwurst Argentina” nicht geben würde. “Die Botschaft hat aber im Vorfeld des Finales alle Anfragen an uns weitergeleitet, so dass wir letztendlich eine ganze Pizzeria mit Gästen füllen konnten”. Auch der Botschafter und seine Frau waren gekommen. “Es war so voll, dass wir den Botschafter durchschieben mussten”, erinnert sich Schnirch grinsend.

Wie der WM-Titel der deutschen Mannschaft scheint auch die Entwicklung von “Bratwurst Argentina” eine Erfolgsgeschichte zu werden. Deutschland bestach im Fußball durch mannschaftliche Geschlossenheit, Schnirchs und Kalischs Würste durch Frische, den Verzicht auf Konservierungsstoffe und den für die von Hand gefertigten Würste fairen Preis.

Heute gehen jeden Tag Bestellungen ein. Die Kundschaft sei hauptsächlich international, aber von der Bestellmenge her mittlerweile sehr heterogen. Vom Einzelbesteller, über ein englisches Hotel, das die Würste zum Frühstück serviert, bis hin zum Kreuzfahrtschiff.

Die ersten Schritte sind gemacht, nun muss das junge Geschäft beweisen, dass es sich behaupten kann. Zum Beispiel, wenn es aufgrund der Einnahmen demnächst in eine höhere Steuerklasse aufsteigt. Oder wenn es darum geht, noch mehr Argentinier von den Produkten zu überzeugen. Ernst ist es den beiden Gründern in jedem Fall: So hat André Kalisch seinen Job gekündigt und arbeitet jetzt Vollzeit bei “Bratwurst Argentina”. Noch werden die Bratwürste bei ihm zu Hause produziert. Im Oktober soll dann endlich der erste eigene Laden eröffnet werden.

Nächste Termine: 3.9. Botschaft (Public Viewing Deutschland-Argentinien), 27.9. AHK-Oktoberfest.

Fotos von oben nach unten:
Michael Schnirch beim Mittagessen in Palermo.
(Foto: Tobias Zwior)

André Kalisch und Michael Schnirch in ihrem Element: Am Grill.
(Foto: Privat)

Unerwartet großer Andrang am Stand von “Bratwurst Argentina”.
(Foto: Privat)

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