Spannender Thriller mit viel Romantik

14. Deutsches Kinofestival wurde mit Christian Alvarts “Banklady” eröffnet

Von Susanne Franz

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Das 14. “Festival de Cine Alemán” wurde am Donnerstagabend mit dem spannenden Thriller “Banklady” eröffnet. Regisseur Christian Alvart hat diese turbulente wahre Geschichte von Gisela Werler, der ersten Bankräuberin Deutschlands, gekonnt auf die Leinwand gebracht. Von Anfang bis Ende hält der Thriller den Zuschauer in Atem, und doch ist auch ein gehöriger Schuss Romantik dabei, denn die “Banklady” wurde aus Liebe zur Gangsterin.

Alvart ist der diesjährige Ehrengast des Filmfestivals. Der deutsche Regiestar hat internationale Erfolge vorzuweisen wie den Science-Fiction-Film “Pandorum” mit Dennis Quaid und den Horrorstreifen “Case 39” mit Renée Zellweger, aber deutsche Filmliebhaber bewundern ihn besonders als Tatort-Regisseur, der für die Folgen mit Til Schweiger verantwortlich ist – ab nächste Woche steht Alvart für den nächsten Til Schweiger-Tatort hinter der Kamera. Auch die gefeierten “Borowski”-Folgen “Der coole Hund” und “Der stille Gast” sind von Alvart.

Bei der Pressekonferenz am Dienstagvormittag merkte man Christian Alvart nicht an, dass er erst am Morgen bei Gewitter und Hagel am Flughafen angekommen war. Zunächst wurde der Film den zahlreich erschienenen argentinischen Kritikern vorgeführt, im Anschluss begrüßte Gustav Wilhelmi als German Films-Chef in Buenos Aires die Anwesenden und machte Geschmack auf die Festival-Filme, die bis zum 17. September zu sehen sein werden.

Michael Kratz, Kulturreferent der Deutschen Botschaft in Buenos Aires, hob besonders die Berlin-Filme hervor, während Uwe Mohr, der neue Direktor des Goethe-Instituts Buenos Aires, auf den Stummfilm mit Livemusik verwies, der wie jedes Jahr als Höhepunkt des Festivals mit Unterstützung des Kulturinstituts gezeigt wird. Der neue Goethe-Chef, der erst seit sieben Wochen in Argentinien ist, sagte, dass er sich im übrigen auch sehr auf die Filme freue, von denen er viele noch nicht kenne.

Dann war die Reihe an Christian Alvart. Im folgenden die Fragen verschiedener Kritiker an den Regisseur und Alvarts Antworten:

Frage: Haben die Recherchen zu dem Film sehr lange gedauert und ist der Fall der “Banklady” ein allgemein bekannter Fall in Deutschland?

Christian Alvart: “Ja, das hat tatsächlich ‘ne ganze Weile gedauert, allerdings nicht, weil sie so stark anerkannt ist, sondern im Gegenteil… Es gibt zwei Dokumentationen über diesen Fall, die die Hauptdarstellerin (Anm.d.Red.: Nadeshda Brennicke) gesehen hat und zu mir gebracht hat (…) und sie hat mich mit dieser realen Geschichte begeistert, weil ich mir vorher gar nicht vorstellen konnte, dass es bei uns so ‘ne Story gab. Wir kennen sozusagen die amerikanischen Vorbilder schon besser als die eigene Geschichte, und deswegen fand ich das sehr spannend, vor allem, weil auch die Zeit, in der das spielt (Anm.d.Red.: die 60er-Jahre), ein bisschen übersehen ist im deutschen Kino, also wir haben sehr viel, hm, sag ich mal, Zweiter-Weltkrieg-Geschichten – jetzt kam in letzter Zeit ein bisschen Erster Weltkrieg dazu -, dann sehr viel direkt danach (Anm. d.Red.: der Regisseur bezieht sich auf direkt nach den 60er-Jahren) mit der RAF, und genau dazwischen ist diese kleine übersehene Lücke, und das hat mich sehr interessiert.

Zu den Recherchen: Also wir haben uns die Original-Krimi-Akten angesehen, wir haben die Waffen gesehen, wir haben die Perücken gesehen, wir haben also sehr sehr sehr viel von dem Originalfall gesehen und auch alles original in den Film eingebaut.”

Frage: Wenn man das Bild der echten “Banklady” Gisela Werler im Abspann betrachtet, drängt sich die Frage auf, warum die Darstellerinnen solcher Figuren immer so viel besser aussehen als ihre Vorbilder.

alvartChristian Alvart: “Sie sieht nun mal so aus, wie sie aussieht (Anm.d.Red.: der Regisseur spricht von der Schauspielerin Nadeshda Brennicke). Wir haben ein bisschen versucht, sie “runterzurocken”, wie wir das genannt haben – ihr ‘nen schrägen Haarschnitt verpasst, ihr ‘ne Nasenprothese verpasst und so weiter – sie sieht normalerweise noch wesentlich schöner aus als in dem Film (Lacher im Saal). Hm, es ist so, die “Banklady” ist ja ‘ne Geschichte von einer Frau, die feststellt, dass sie plötzlich Glamour erlebt und so ein bisschen einen Hollywood-Traum lebt, also sie wird ja – in ihrer Phantasie und auch in der Phantasie der damaligen Massenmedien – so sehr überstilisiert und als sehr sexy empfunden. Deswegen ist es eigentlich eine Geschichte von zwei Frauen: einmal von der Gisela Werler und einmal von der “Banklady”. Und wir haben halt die “Banklady” besetzt und die Gisela Werler geschminkt. Wir hätten es auch andersherum machen können.”

Frage: War die “Banklady” wirklich die erste Bankräuberin Deutschlands und war das nicht ein ziemlich sexistisches Bild, das die Öffentlichkeit von ihr hatte?

Christian Alvart: “Also es ist schon so gewesen wie wir das im Film gezeigt haben. Es war wirklich historisch die erste Bankräuberin Deutschlands. Da es keine Fotos von ihr gab und keine Bilder, waren diese Karikaturen von ihr, die man auch im Film sieht, sozusagen der Vorstellungskraft der Karikaturisten geschuldet, und da war das ‘ne sehr sexy Bankräuberin. Und darum hat es sich auch gedreht dann im öffentlichen Diskurs. Aus heutiger Sicht ist das natürlich auch was sehr Sexistisches, dass wenn eine Frau so etwas macht, es plötzlich nur um ihre Beine geht und um ihre Outfits, und aus damaliger Sicht wurde sie tatsächlich bewundert für ihren Mut und ihren Glamour und ihren Style.

Es gibt ein Zitat von einem Polizisten aus einem Artikel aus der Zeit, bevor sie geschnappt wurde – der Polizeidirektor Hamburgs war es, glaube ich -, wo der sagte, er verstehe gar nicht, dass eine Frau eine Bank überfällt, ihr stehe doch der Weg der Prostitution offen, der wär‘ doch viel einfacher (schnaubt verächtlich). Und so war damals diese sehr herablassende Art, und ich glaube, da hat sie schon ein paar Mauern eingerissen, und dafür ist sie auch bewundert worden. Es gibt ganz viele natürlich, gerade die Leute, die sie überfallen hat – das sind ja rechtschaffene Menschen -, die sie auch ganz schlimm fanden.”

Frage: Ist das realistisch, wie die Polizei dieser Zeit dargestellt wird, und war es wirklich so einfach, eine Bank zu überfallen?

Christian Alvart: “Während die zwei Hauptfiguren bis ins kleinste Detail, sogar die genaue Wortwahl, die sich in den Polizeiakten findet, oder jeder Handgriff, den es auch in den Dokumentationen gibt, sehr sehr genau und sehr realistisch dargestellt wurden, ist bei der Polizei einfach die Sache, das waren natürlich viele Protagonisten, die diese Banklady gejagt haben, verteilt auf alle möglichen kleinen Ortschaften, und das hätte jetzt den Rahmen gesprengt, deswegen haben wir da fiktive Polizisten zusammengefasst. Es gibt diesen Chef, der von Heinz Hönig gespielt wird, der für die eine alte Schule steht, wie man Verbrecher dingfest macht – die gab‘s auch wirklich, diese Ansichten – , – der steht auch ein bisschen für den Polizeichef, den ich gerade zitiert habe -, und der Fischer steht halt für die neue Strömung der modernen Polizeiarbeit, die dann auch genau in der Zeit stattfand. Das heißt, am Anfang, als die die Banken überfallen haben, gab‘s noch nicht mal eine direkte Alarmverbindung zur Polizei, am Ende war das dann tatsächlich üblich.

Es sind sogenannte ‘composite characters‘, diese Charaktere bei der Polizei. (…) Die Polizisten sprechen auch in den Dokumentationen, und da kommt die Inspiration so ein bisschen her, es gab da einen Polizisten, der hat so begeistert von der Banklady gesprochen, da dachte ich, na, ob der nicht ein bisschen zu begeistert ist, und das war mein Haupteinfluss für den Kommissar Fischer.”

Frage: War es schwer, Originalmaterial aus der Zeit zu finden?

Christian Alvart: “Also das fühlt sich verdammt nah an, die Sechzigerjahre, aber wenn man sie sucht, sind sie schon ganz schön weit weg, und es war tatsächlich sehr schwierig, auch nur noch Architektur zu finden, wo man das spielen lassen kann – also Hamburg sieht heute nicht mehr so aus -, das heißt wir sind (…) in die Grenzregionen – wo früher die Grenze zwischen Ost und West verlief – in Orte gegangen, die noch nicht so totrenoviert sind – also für unseren Film und das, was wir gesucht haben -, und haben dann Hamburg dargestellt, ab und an haben wir auch Geld ausgegeben und Computer verwendet (lacht). Aber es war schon eine kleine Schatzsuche und wir haben tatsächlich, als wir den Film eingereicht haben und Förderer gesucht haben, schon so einen Fotoband mit Orten produziert, einfach um zu zeigen, dass das überhaupt noch geht, dass das darstellbar ist.

Bei den Zeitungen muss ich sagen, der Karikaturist, den man im Film sieht, der da zeichnet, dieser ältere Herr, das ist der, der die erste Zeichnung gemacht hat damals, vor 50 Jahren, und da waren wir sehr stolz, dass wir den noch gefunden haben, und dass er für uns wieder zum Stift gegriffen hat.

Was die Zeitungsartikel angeht, haben wir nicht uns die ganzen Rechte leisten können, das heißt, es ist eine Mischung aus echten Zeitungen, die mit uns zusammengearbeitet haben, und fiktiven Zeitungen, die dann so ähnlich heißen (lacht).

Bei den Waffen haben wir mit dem Polizeimuseum zusammengearbeitet, die hatten ‘ne Ausstellung zu dem Fall, und wir haben alle Waffen 1:1 nachgebaut.”

Frage: Ist “Banklady” schon in Deutschland in den Kinos gelaufen, war er auf Festivals? Wie war die Reaktion auf den Film?

Christian Alvart: “Also in Deutschland ist der Film schon gelaufen, wir haben auf Festivals wie zum Beispiel dem Filmfest Hamburg viele enthusiastische Reaktionen gehabt, wir haben auch ganz tolle Kritiken bekommen. Bei der ganz normalen Kinoauswertung ist er leider untergegangen, das muss man so sagen, also er ist nicht besonders gut gelaufen, und was internationale Festivals angeht, sind wir gerade auf der Reise, deswegen bin ich ja auch hier. Er läuft auf der ganzen Welt, ich denke mal, wir sind ungefähr in der Hälfte der Länder, wo er laufen wird. (…) Ich selber hab‘ leider dieses Jahr so viel gedreht, dass ich das erste Mal selber mit dem Film mitgereist bin, sonst war Nadeshda immer vor Ort.”

Frage: Hat die Kinoproduktion im Zuge der europäischen Krise auch in Deutschland gelitten?

Christian Alvart: “Ich hab‘ nicht den Eindruck, dass mehr oder weniger gedreht wird als in den Jahren zuvor. In Deutschland ist das immer schon sehr stark abhängig von Einzelpersonen gewesen: Sagen wir mal Bernd Eichinger, Til Schweiger oder jetzt Matthias Schweighöfer, wenn die ‘nen Film machen, dann ist das deutsche Kino groß, und wenn die ein Jahr Pause machen, dann ist es klein.” (Lacher im Saal)

Fotos von oben nach unten:

Auf der Pressekonferenz (v.l.): Michael Kratz, Kulturreferent der Deutschen Botschaft in Buenos Aires, Gustav Wilhelmi, German Films-Chef vor Ort, Uwe Mphr, Direktor des Goethe-Instituts Buenos Aires, Christian Alvart und seine Übersetzerin.

Christian Alvart amüsiert sich über eine Frage.
(Fotos: Festival de Cine Alemán)

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