Namibische Zeitung in deutscher Sprache

Die Allgemeine Zeitung feiert im kommenden Jahr 100-jähriges Jubiläum

Von Marcus Christoph

AZ11
“Wir bringen täglich Nachrichten aus Namibia in deutscher Sprache. Das ist unser Alleinstellungsmerkmal.” Chefredakteur Stefan Fischer formuliert, was das Besondere der Allgemeinen Zeitung (AZ) in der namibischen Hauptstadt Windhoek ausmacht.

Fünfmal pro Woche, von Montag bis Freitag, bringen Fischer und seine Kollegen ein Printerzeugnis heraus, das locker mit jeder guten deutschen Lokalzeitung mithalten kann: Ein modernes Layout, ansprechende Farbfotos, leserfreundliche Aufmachung und vor allem lokale und regionale Nachrichten auf den ersten Seiten. Das Weltgeschehen und das, was in Deutschland passiert, findet der Leser erst im hinteren Teil. Bewusst versteht sich das Blatt als namibische Zeitung – deutscher Sprache.

Die 1916 gegründete Publikation ist die einzige deutschsprachige Tageszeitung in Afrika und die älteste in Namibia, das bis zum Ersten Weltkrieg deutsche Kolonie war. Je nach Wochentag beträgt die Auflage zwischen 5300 und 6200 Exemplare. Die Seitenzahl pendelt zwischen zwölf und 32. Umfangreich ist vor allem die Wochenendausgabe, die freitags herauskommt. Der Verkauf erfolgt durch Abonnements, aber auch durch Straßenhändler sowie in Buchhandlungen und sonstigen Geschäften.

Die Hauptklientel der AZ sind die rund 20.000 Muttersprachler, die laut Angaben der Namibia Statistics Agency (2013) im Land leben. Viele sind Nachkommen der Beamten und Siedler, die zu Koloniezeiten (1884 bis 1915) ins damalige “Deutsch-Südwest” kamen.

Deutsch ist eine von insgesamt 14 Landessprachen und als solche fester Bestandteil des namibischen Lebens. Die Tendenz sei aber leicht rückläufig, beschreibt Fischer. Dies liege zum einen an einem Geburtenrückgang, der bei den Deutschsprachigen festzustellen sei. Zum anderen aber auch an der restriktiven Einwanderungspolitik der Regierung. Fischer, der aus Cottbus stammt, musste selber zwölf Jahre kämpfen, ehe er in Namibia eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung bekam – und dies trotz einer festen beruflichen Position, einer in Namibia aufgewachsenen Frau und im Land geborener Kinder.

Zu den Lesern der Allgemeinen Zeitung gehören aber nicht nur die Einheimischen, sondern auch die zahlreichen Touristen aus Deutschland, die Fischer auf 60.000 bis 80.000 pro Jahr schätzt. Hinzu kommen Namibia-Interessierte aus dem deutschsprachigen Teil Europas.

“Das Interesse wird durch Urlaub geweckt. Es gibt familiäre Bindungen oder auch geschäftliche Aspekte”, erläutert Fischer, weshalb die Zeitung Beachtung auch jenseits der Landesgrenzen findet. Die Tendenz spiegele sich in der steigenden Zahl der Besucher des AZ-Internetauftritts wider, so Fischer. Diese wird mittlerweile täglich etwa 1500 Mal aufgerufen.

Auf den Trend hat sich die Redaktion mit der Herausgabe einer monatlichen Tourismusbeilage eingestellt. Die Extra-Publikation wird gemeinsam mit den Schwesterzeitungen “Namibian Sun” (Englisch) und “Die Republikein” (Afrikaans) produziert, die wie die AZ zur Verlagsgruppe Namibia Media Holdings (NMH) gehören. Die drei Zeitungen teilen sich seit zwei Jahren auch ein modernes Großraumbüro (Newsroom).

Synergie-Effekte ergäben sich auch, was die Akquise von Anzeigen betreffe, so Fischer. Unter dem Strich stünden so schwarze Zahlen. Gleichwohl sei die Finanzierung eine ständige Herausforderung, zumal aus Deutschland “kein Cent an Unterstützung” komme, beklagt der AZ-Chefredakteur. Wichtig sei von daher auch das Nebengeschäft mit Kalendern, DVDs und Büchern über Namibia, mit denen die AZ ihre Wirtschaftsbilanz aufbessert.

Kämpfen muss die AZ aber auch an anderer Front. So sei es nicht einfach, in ausreichendem Maße journalistische Fachkräfte zu gewinnen. “Es gibt wenig Menschen im Land, die in Frage kommen”, meint Fischer mit Blick auf sprachliche und journalistische Qualifikation der in Namibia aufgewachsenen möglichen Kandidaten. Und die wenigen, bei denen es diesbezüglich passen könnte, zögen oft finanziell lukrativere Jobs in der Wirtschaft vor. “Journalismus ist Herzenssache”, sagt Fischer und meint damit, dass für eine Tätigkeit bei der AZ auch eine gehörige Portion Idealismus vonnöten sei.

Derzeit arbeiten zehn Redakteure für die AZ. Hinzu kommen Mitarbeiter, die für Satz bzw. Anzeigenakquise zuständig sind, sowie Praktikanten, die regelmäßig aus Deutschland kommen. Insgesamt zähle man derzeit 20 Personen, die für die AZ arbeiten, so Fischer. Er selbst kam nach mehreren Urlaubsaufenthalten in Namibia 2004 zur AZ. Zuvor hatte er als Bildjournalist beim “Märkischen Boten” in Cottbus gearbeitet, wo er auch mit dem Schreiben anfing.

Fischer zur Seite steht sein Stellvertreter Eberhard Hofmann, der 1954 als DDR-Flüchtling nach Namibia kam und seit vier Jahrzehnten für die AZ arbeitet. Er erzählt vom Wandel der politischen Ausrichtung, den die Zeitung in ihrer jüngeren Vergangenheit durchgemacht hat: Zunächst habe die AZ lange Zeit den Apartheidskurs der südafrikanischen Besatzungsmacht unterstützt. Erst ab Mitte der Siebzigerjahre sei eine allmähliche Neuorientierung erfolgt. Die Unabhängigkeit von den Südafrikanern, die 1915 die Deutschen als Herren des Landes abgelöst hatten, wurde nun als Ziel unterstützt.

In ihrer politischen Ausrichtung hatte die AZ ohnehin nicht immer ein glückliches Händchen. Als in Deutschland die Nazis marschierten, sprangen auch die Blattmacher im südwestlichen Afrika auf den nationalsozialistischen Zug auf und benannten im Jahr 1939 ihre Zeitung in “Deutscher Beobachter” um – offenbar in Anlehnung an den “Völkischen Beobachter”, dem Parteiorgan der NSDAP in München.

“Es hat unter den Deutschen in Namibia einen starken Nationalismus gegeben, aber nicht alle waren Nazis”, erläutert Hofmann. Fast alle seien während des Zweiten Weltkrieges interniert worden. Schon 1943 habe man sich besonnen und das Blatt wieder in Allgemeine Zeitung umbenannt. Überhaupt wendet sich Hofmann gegen ein Verharren in der Geschichte: “Schauen wir doch lieber in die Zukunft als in die Vergangenheit.” Gegründet wurde die Zeitung im Übrigen während des Ersten Weltkrieges unter dem Namen “Der Kriegsbote”. Als der Waffengang dann vorbei war, erhielt das Blatt den Namen, den es heute noch (bzw. wieder) trägt.

Die heutige politische Ausrichtung der Zeitung beschreibt Hofmann als “unabhängig, überparteilich, kritisch”. Wobei sein Kollege Fischer hinzufügt, dass regierungskritische Meinungen in der AZ vielleicht stärker präsent seien als in anderen Zeitungen des Landes. Namibia wird seit seiner Unabhängigkeit von der einst marxistischen Befreiungsbewegung SWAPO (South-West Africa People‘s Organization) regiert. Diese charakterisiert Fischer als “nationalistisch”. In der SWAPO herrsche zuweilen noch “sozialistisches Denken” vor, das heutzutage aber mit einer “kapitalistischen Anspruchshaltung” gepaart daherkomme.

Die Allgemeine Zeitung hat seit ihrer Gründung im Jahr 1916 viel zum Zusammenhalt der deutschsprachigen Gemeinschaft im heutigen Namibia beigetragen. Im kommenden Jahr am 22. Juli, dem Gründungstag, wollen Fischer und seine Kollegen das runde Jubiläum gebührend feiern. Ein ganzes Jahrhundert als deutschsprachige Zeitung im Südwesten Afrikas bestanden zu haben, ist schließlich eine stolze Leistung.

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Fotos von oben nach unten:
Das moderne Großraumbüro, das die AZ mit den Schwesterzeitungen “Namibian Sun” und “Die Republikein” teilt.
(Foto: Marcus Christoph)

AZ-Chefredakteur Stefan Fischer (l.) und sein Stellvertreter Eberhard Hofmann (r.) nach dem Gespräch mit dem Redakteur des Argentinischen Tageblatts Marcus Christoph (M.).
(Foto: Carlota Salomón)

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