Bis zum bitteren Ende
“Die Toten Hosen” rockten wieder in Buenos Aires
Von Michaela Ehammer
Lauter, punkiger, rockiger – das sind “Die Toten Hosen”, die Punkrock-Band aus Düsseldorf. Sie brachten Bühnen zum Einstürzen, verteilten Kondome auf Konzerten und konnten sich über eine eigene Hörfunksendung freuen. Aus der Punkszene von Buenos Aires sind sie genau wie “Los Violadores”, eine ihrer Vorbands, nicht mehr wegzudenken. Seit Jahren rocken sie ihr euphorisches argentinisches Publikum, so auch bei den fünf ausverkauften Konzerten bei der “Buenos Aires City Tour 2015” Mitte Mai in ihren Lieblingsclubs verteilt in der ganzen Stadt.
Mit Argentinien verbindet sie eine lange und tiefe Liebe. So schlendern die Musiker in ihrer Freizeit gerne durch die Stadt, essen köstliches argentinisches Steak oder schauen Fußball, auch wenn sie sich beim argentinischen Fußball neutral halten. Wie der Name der Kult-Band entstand und wieso Buenos Aires zu ihrer zweiten Heimat wurde, erzählt mir Bassist und Songwriter Andreas Meurer, der “Andi”, in einem Interview vor dem letzten Konzert im Groove.
Frage: Seit 1982 gibt es “Die Toten Hosen”, seit 1992 spielt ihr regelmäßig in Argentinien. Wie kam diese besondere Freundschaft zustande?
Andi: Tatsächlich war es so, dass ein Hosen-Fan und Freund von uns von der Arbeit aus nach Argentinien versetzt wurde. Der hat uns dann von der großartigen argentinischen Punkszene erzählt und gemeint, wir sollten dort auch mal spielen. Unsere Antwort war klar: “Wenn du uns die Flugtickets schickst, dann kommen wir.” Wir dachten natürlich nicht, dass er das tut. Aber die kamen dann tatsächlich. Und so kam unser erstes Konzert hierzulande zustande. Wir hatten ja keine Ahnung, was uns erwartet, gar nicht, aber es war schon ein großartiger erster Abend, was da alles abging… Seitdem spielten wir oft und gerne in Argentinien.
Frage: Seit über 30 Jahren tourt ihr um die Welt. Kann man sagen, dass sich das deutsche bzw. europäische vom argentinischen Publikum unterscheidet?
Andi: Da gibt es auf jeden Fall Unterschiede. In Buenos Aires zu spielen ist natürlich schon sehr aufregend. Dieses extrem euphorische Publikum hier mit seiner unglaublichen Leidenschaft fasziniert uns immer wieder aufs Neue. Vor allem die eigenen Lieder, die hier in Argentinien zwischendurch vom Publikum gesungen werden, das hat schon seinen ganz speziellen Reiz.
Frage: Gibt es ein bestimmtes Konzert, das euch ganz besonders nah ging?
Andi: Oh, gerade in Buenos Aires gibt es da eine Menge besonderer Konzerte, die uns in bester Erinnerung geblieben sind. Zum Beispiel im River-Stadion beim Abschiedskonzert der Ramones zusammen mit Attaque 77 und Iggy Pop, das Straßenkonzert auf der Rodríguez Peña, oder das Konzert im Museo, bei dem nach 20 Sekunden die Bühne eingebrochen ist (schmunzelt).
Frage: Was macht ihr Musiker vor den Konzerten, um abzuschalten und euch vorzubereiten? Gibt es ein spezielles Ritual?
Andi: Rituale darf man ja nicht verraten. In Deutschland oder in Europa ist es so, dass wir nicht ohne unsere Tischtennisplatte auf Tournee gehen. Wir spielen also praktisch vor den Shows Tischtennis (lächelt). Nach Argentinien haben wir sie jedoch nicht mitgenommen. Das war dann doch etwas zu schwierig, die im Flieger zu verstauen.
Frage: Woher kommt der Name “Die Toten Hosen”?
Andi (lacht): Darauf gibt es verschiedene Antworten. Welche willst du denn hören?
Frage: Die beste?
Andi: Als wir uns gegründet haben, war es klar, mit dem Namen konnten die Leute nicht ihr Geld zurückverlangen, weil wir so schlecht waren. Wir haben es ja vorher schon in unserem Namen gesagt, “Die Toten Hosen”.
Frage: Auf welches Album seid ihr besonders stolz?
Andi: Stolz ist das falsche Wort, finde ich. Aber natürlich gibt es Alben denen wir mehr Bedeutung schenken und die einen höheren Stellenwert für uns haben, wie zum Beispiel “Auswärtsspiel”, “Opium fürs Volk” oder “Palast der Republik”. Dann gibt es natürlich auch Alben wie “Damenwahl”, mit dem wir im Nachhinein nicht so zufrieden waren.
Frage: Was ist dein ganz persönlicher Lieblingssong?
Andi: Das wechselt bei mir. Es gibt eine Menge Lieder, die ich besonders gerne spiele.
Frage: Anfänglich noch als Vorband von weltberühmten Bands wie den Rolling Stones, U2 oder Green Day tätig, könnt ihr euch heute diesen Bands gleichstellen. Hättet ihr je gedacht, dass eure Band einmal so einen großen Erfolg feiern wird?
Andi: Natürlich nicht. Sowas kannst du auch in keiner Form planen. Wir sind natürlich froh, dass das alles passiert ist, aber es war ein reiner Glücksfall und das wissen wir auch zu würdigen (schmunzelt). Wie gesagt, am Anfang unserer Karriere hatten wir Angst, dass die Leute ihr Geld zurückverlangen würden.
Dann ist es soweit: Das Licht verdunkelt sich, die Gitarrentöne geben dem gut gelaunten Publikum zu verstehen, dass es jeden Augenblick losgehen wird, und die Musiker Campino, Andi, Breiti, Vom Ritchie und Kuddel springen auf die Bühne. Mit dem Lied “Bonnie und Clyde” beginnt im Groove das letzte Konzert im Rahmen der “Buenos Aires City Tour 2015” und es wird gerockt, was das Zeug hält. Manch einer aus der jubelnden Menge lässt sich bis vor die Bühne tragen, um seinen Idolen möglichst nah zu sein.
Die Band hält viele Überraschungen für ihre argentinischen Freunde bereit: Campinos Schwester Maria singt ein Duett mit ihm, Adriano Celentanos Klassiker “Azzurro” ertönt in herben Punkklängen genau wie “The Passenger” vom “Godfather of Punk” Iggy Pop. Der Höhepunkt ist jedoch, als sich Campino vom Balkon ins Publikum stürzt und sich von seinen Fans wieder zur Bühne tragen lässt, während er weiter ins Mikrofon kreischt. Für sein Rumtreiben auf der Bühne ist er ja bekannt, dieser Sprung ist jedoch mehr als gewagt. Auch Bassist Andi stürzt sich ins Publikumsmeer und rockt weiter auf seiner Bass-Gitarre. Eine Show der Superlative, die jeden einzelnen Peso wert war!
Das Publikum, welches perfekt zu den deutschen Liedern mitsingen konnte, war begeistert – und die Hosen auch, denn ans Aufhören wollten sie gar nicht denken. Die Zugaben konnte man schon nicht mehr zählen, bis dann nach zweieinhalb Stunden das letzte Lied gespielt wurde, ganz nach dem Motto der Hosen: Bis zum bitteren Ende! So dürfen wir uns wohl noch auf viele Konzerte freuen.
(Fotos: Michaela Ehammer)