“Grenzen überschreiten”

Cordobeser Professor will bilaterale Zusammenarbeit ankurbeln

Von Marcus Christoph

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“Wir wollen Deutschland hier vor Ort besser bekannt machen und die bilaterale Zusammenarbeit fördern.” Mit diesen Worten beschreibt Dr. Alexander Freier die Zielsetzung des Projekts “Cruzando Fronteras – Grenzen überschreiten”, das der 36-jährige Politikwissenschaftler in Córdoba vor zwei Jahren maßgeblich ins Leben gerufen hat.

Freier, der seit drei Jahren an der Katholischen Universität Córdoba (UCC) einen Lehrstuhl für Internationale Politik innehat, will mit seiner Initiative Interesse für Deutschland wecken. Der Kooperationsgedanke, der sich zunächst auf Forschung und Wissenschaft bezog, soll auch auf andere Bereiche wie Kultur und Wirtschaft ausgedehnt werden. Synergieeffekte sollen entstehen. “Wir wollen Leute zusammenbringen. So entsteht Interesse. Denn bislang wissen die Menschen in Córdoba recht wenig über Deutschland”, beschreibt Freier, der selber bis vor drei Jahren in Deutschland lebte.

Für “Cruzando Fronteras” konnte er das Goethe-Institut in Córdoba, den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) sowie die Botschaft der Bundesrepublik in Buenos Aires als Partner gewinnen. Zur Gründungsveranstaltung des Projektes vor zwei Jahren war Botschafter Bernhard Graf von Waldersee nach Córdoba gekommen.

“Ein Ziel ist, argentinische Studenten und Wissenschaftler zu begeistern, nach Deutschland zu gehen”, so Freier. Erste Früchte habe man auf diesem Feld bereits ernten können. “Cruzando Fronteras” veranstaltet des Weiteren regelmäßig Vortragsabende zu verschiedenen Themen. Für die Zukunft sind außerdem Publikationen zu den deutsch-argentinischen Beziehungen sowie eine eigene Website geplant. Bislang informiert das Projekt auf Facebook über seine Aktivitäten.

Zu diesen gehörte auch eine Podiumsdiskussion zum 25. Jahrestag der deutschen Einheit, die am 2. Oktober in den Räumen des Goethe-Instituts Córdoba stattfand.

Zu den Gästen des Abends, den Freier mit Reflexionen zur Rolle des wiedervereinigten Deutschlands in der Welt einleitete, zählte der neue deutsche Gesandte Daniel Krull. Der Diplomat stellte die deutsche Wiedervereinigung in den Kontext der europäischen Integration, die er als fast noch wichtiger als die Wiederherstellung der deutschen Einheit bezeichnete. Krull, der vor wenigen Tagen seinen Dienst in Buenos Aires antrat, blickte auf das Jahr 1989 zurück. Er hob die Rolle Ungarns hervor, das als erstes Land den Eisernen Vorhang öffnete. Es sei von daher eine Ironie der Geschichte, dass es nun ausgerechnet die Ungarn seien, die an ihrer Grenze zu Serbien einen neuen Sperrzaun errichteten, um der Flüchtlingskrise Herr zu werden.

Der Historiker und einstige DAAD-Repräsentant Hans Knoll erinnerte sich daran, wie er von Argentinien aus den Fall der Berliner Mauer erlebte. Wenige Monate später fuhr er selber nach Deutschland, wo bei einem Spaziergang an der nun mehr offenen innerdeutschen Grenzen einen 15-jährigen Ostdeutschen traf und diesen dazu motivierte, zum Schulaustauschjahr nach Argentinien zu kommen.

Die heutige DAAD-Lektorin in Córdoba, Laura Benary, war beim Mauerfall zwar erst acht Jahre alt. Dennoch hat die Berlinerin aus dem Ostteil der Stadt recht genaue Erinnerungen an die Einschnitte und Veränderungen, die die historischen Ereignisse von 1989/90 mit sich brachten: Sie war keine Jungpionierin mehr, und die Produkte des täglichen Lebens änderten sich fast alle. Prägend waren auch die Erinnerungen an das Dröhnen der sowjetischen Panzer, als diese 1994 im Rahmen des Abzugs der Streitkräfte aus Deutschland durch die Straßen des Stadtteils Karlshorst rollten.

Bewegend waren die Schilderungen von Hans Henning Schiller, dem Vorsitzenden des Deutschen Clubs Córdoba. Sein Vater, ein ehemaliger Gutsbesitzer, war enteignet worden und galt den DDR-Oberen als “Konterrevolutionär”, da er als Verwalter einer Genossenschaft (LPG) nicht die gewünschten Ernteerträge einbrachte. Nach dem brutal niedergeschlagenen Aufstand vom 17. Juni 1953 flüchtete die Familie gen Westen. Viele Jahre später besuchte Schiller das Dorf seiner frühen Kindheit nahe Halberstadt, in dem sich kaum etwas verändert hatte. Lediglich das ehemalige Anwesen seiner Familie war dem Verfall preisgegeben.

Redakteur Marcus Christoph nahm für das Argentinische Tageblatt an der Veranstaltung teil. Er stellte die Geschichte der einzigen deutschsprachigen Zeitung Argentiniens vor und erzählte von seinen eigenen Erfahrungen als Jugendlicher in Deutschland in den Jahren 1989/90.

Für den musikalischen Rahmen des Abends sorgte der Chor der Uni. Im Anschluss an die Podiumsdiskussion gab es ein gemütliches Beisammensein bei Würstchen, Kartoffelsalat und einem Schluck Rotwein.

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Fotos von oben nach unten:
Laura Benary (DAAD) und Alexander Freier (UCC, r.) mit dem deutschen Gesandten Daniel Krull.
(Foto: Marcus Christoph)

(V.l.n.r.) Marcus Christoph, Hans Henning Schiller, Daniel Krull und Alexander Freier. (Foto: Carlota Salomón)

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