Mein kleiner grüner Kaktus

“Cactus orquídea” ist wunderbares, tiefgründiges Theatervergnügen

Von Susanne Franz

cactus
Romantisch, poetisch, komisch, surrealistisch und zauberhaft: In Graciela Meijides Dauerbrenner-Theaterstück “Cactus orquídea”, das noch bis Ende Juli samstags um 21 Uhr im Teatro Anfitrión läuft, dreht sich alles um die Liebe. Der süße Schmerz, der grauenvolle Verlust, die Enttäuschungen, die dazu führen, dass die Menschen völlig bindungsunfähig werden: Alles entsteht aus dieser Sehnsucht nach Liebe oder der Erinnerung an ein vergangenes Glück.

Die Museumsangestellte Imelda begegnet in einem Café Isaias, der versucht, eine wirklich gute Geschichte zu schreiben. Das ist schwer, und so hält der Möchtegern-Autor sich mit dem Verfassen von Werbetexten über die Stadt Buenos Aires über Wasser. Imelda hält so einen Prospekt in der Hand und lacht lauthals über die Platitüden. Peinlich, als sich herausstellt, dass sie dem Verfasser gegenübersitzt. Aber sie hat eine Geschichte für den Schriftsteller: Die Geschichte des Eisenwarenhändlers Boris, der seine Frau verloren hat und der alles darum geben würde, sie noch einmal wiederzusehen. Boris’ obsessiver Mitarbeiter Peque erzählt ihm von einer Pflanze, die Esmeralda, die Kellnerin der Bar Jean Jaurés, wo Peque immer Kleingeld holt, aus einem Samen herangezogen hat, den ihr der Gast Denzel Romero geschenkt hat – der geheimnisvolle Samen stammt von Denzels verstorbener Großmutter. Die magische Pflanze blüht nur einmal im Jahr, und wer sie erblickt, sieht noch einmal seine/n Geliebte/n…

Neben den Hauptpersonen des Stücks gibt es noch eine Vielzahl an Nebengestalten, die alle in einem fast schwindelerregenden Tempo und mit absoluter Bravour von den fünf Schauspielern des “Ensamble orgánico” dargestellt werden (oben sind sechs genannt, weil Isaias und Peque vom gleichen Schauspieler dargestellt werden). Oft genügt ein Schritt und sie verwandeln sich in eine andere Figur, zum Beispiel die Liebhaber Imeldas – die nur mit Touristen anbändelt, weil diese den Vorteil haben, dass sie wieder abreisen – oder die Kollegen des Bankangestellten Denzel.

Es gibt kein starres Bühnenbild, Holzrahmen werden hin- und hergetragen und dienen als Türen oder Fenster. Das Stück hat eine ungeheure Dynamik, die sich aus dem Zusammenspiel des Ensembles ergibt: die Darsteller erschaffen den Raum, in dem sie agieren, und ziehen den Zuschauer in ein reiches Universum voller Magie und Humor, das außerhalb der Welt zu existieren scheint und diese doch auf unvergleichliche Weise spiegelt.

“Cactus orquídea” heißt so, weil ein kleiner, recht unscheinbarer Kaktus dieses Namens, den Imelda zu Beginn in einer Blechdose in der Hand hält, sich sozusagen als grüner Faden durch das gesamte Stück stachelt. So ist es einfacher, dem Wirbelwind an Ideen, Assoziationen und Gedanken zu folgen, der sich immer weiter verdichtet und zu einem Ganzen wird.

“Cactus orquídea”, das sind 75 Minuten rundum gelungenes Theater, das noch lange nachwirkt und sicher in Jedem ganz eigene Saiten zum Klingen bringt.

Bis zum 30. Juli samstags um 21 Uhr im Teatro Anfitrión, Venezuela 3340, Buenos Aires. Karten bei Alternativa Teatral oder direkt im Theater unter Tel.: 4931-2124. Der Eintritt kostet 180 bzw. ermäßigt 120 Pesos.

Weitere Fotos und Trailer hier.

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