Flucht und Heimat

Projekt “Wohin?” des Goethe-Instituts auf Deutsch und Spanisch

Von Susanne Franz

fluechtlinge
Für den spanischen Schriftsteller und Übersetzer Ibon Zubiaur bedeutet der Begriff Flüchtling “eine Person (…), die außerhalb ihres Landes Zuflucht gesucht hat, weil ihr das Leben dort unmöglich geworden ist”. Amal Saqr, Journalistin aus dem Iran, sagt auf die Frage, ob sie Flucht vor Armut für weniger legitim als Flucht vor Krieg oder politischer Unterdrückung halte: “Im Gegenteil, Armut ist gefährlicher als Krieg oder politische Verfolgung; Armut bedeutet kein Leben zu haben, ein Leben in konstanter Demütigung zu führen. Dem zu entfliehen und seine Situation zu verbessern ist ein sehr legitimes Recht.” Ob er glaube, dass er in seinem Leben jemals zum Flüchtling werden wird? Alexander Kluge, deutscher Filmemacher und Schriftsteller, sagt dazu: “Der sichere Augenblick täuscht. Niemand kann in seinem Leben ausschließen, dass er zum Flüchtling wird. Wenigstens kann er das nicht für seine Kinder.”

In dem Projekt “Wohin? 21 Fragen zu Flucht und Migration” des Goethe-Instituts wurden Autoren und Intellektuelle aus knapp 40 Ländern der Welt zu den Themen Flucht und Migration befragt. Inspirationsquelle für die ihnen vorgelegten Fragebögen waren die des Schweizer Schriftstellers Max Frisch, welche dieser in seinen Tagebüchern zu allgemeinen Themen wie Freundschaft, Ehe oder Tod formulierte.

Es ist hochinteressant zu lesen, was die wachsten Menschen aus ihren jeweiligen Kulturkreisen zu sagen haben – zu den eingangs erwähnten Fragen, zum Recht auf Asyl – Soll es bedingungslos sein? Kann es verwirkt werden? -, zur Frage nach einer Begrenzung der Aufnahme von Flüchtlingen oder zu ihrer Integration. Wie ist die Situation im eigenen Land? Werden dort einige Flüchtlinge lieber aufgenommen als andere? Sind Sie bereit, Einschnitte hinzunehmen? Was tun Sie persönlich?

Die Verantwortlichen des Goethe-Instituts schreiben: “Entgegen dem Eindruck, der bisweilen in den Medien hervorgerufen wird, haben die mehr als sechzig Millionen Menschen, welche sich derzeit auf der Flucht befinden, nur zu einem geringen Teil Europa als Ziel. Schon deshalb war uns eine geographische Vielfalt der Herkunftsländer unserer Teilnehmer ein Anliegen.” Ihnen ist ein immenses, wegweisendes Projekt gelungen.

Sehr berührend ist die letzte Frage, die direkt von Max Frisch übernommen wurde und sich unmittelbar auf den Kern der Sache bezieht: “Wieviel Heimat brauchen Sie?” Am niederschmetterndsten beantwortet sie der in den USA lebende Ire Colum McCann: “Eine Heimat.” Und der Argentinier Alejandro Grimson sagt: “Heimat ist für mich lebenswichtig. Ein erfülltes Leben ohne Heimat ist nicht möglich. Sie bedeutet Wärme, Liebe, Vertrauen, die Fähigkeit, sich im Dunkeln zurechtzufinden und blind zu wissen, wo die Dinge sind. Sie gibt Sicherheit. Ohne Heimat gehen alle Sicherheiten verloren. Und ein gewisses Maß an Sicherheit braucht der Mensch wie die Luft zum Atmen. Es sollte nicht nur ein Recht auf eine Unterkunft geben, sondern auch ein Recht auf Heimat, darauf, mit einem Ort eins zu werden, den man sein Eigen nennt.”

Deutsch.

Spanisch.

Foto:
Flüchtlinge am Hauptbahnhof in Budapest.

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