Sag mir, wo die Blumen sind

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“Siempreviva” – Berliner Installation von Silvina Der-Meguerditchian und Marula Di Como zum Gedenken an die Opfer der Militärdiktatur

Von Susanne Franz

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“Was hast Du eigentlich mit der Militärdiktatur zu tun?”, fragte ein Besucher die argentinische Künstlerin Silvina Der-Meguerditchian, als sie am 1. September gemeinsam mit ihrer Kollegin, der Argentinierin Marula Di Como, die ebenfalls in Berlin lebt, die Installation “Siempreviva” zum Gedenken an die Opfer der Militärdiktatur in Argentinien in der “Klosterruine” eröffnete.

Womöglich ist es in Deutschland, wo der Zweite Weltkrieg und der Holocaust nach über 60 Jahren noch offene Wunden sind, einfach nicht vorstellbar, wie kurz diese Diktatur im südlichsten Land Lateinamerikas erst zurückliegt, wie wenig sie aufgearbeitet wurde und wie stark die Gesellschaft noch von dem Trauma bestimmt ist.

Silvina, die seit 18 Jahren in Berlin lebt, wurde 1967 geboren. Sie war neun Jahre alt, als in ihrem Heimatland die Diktatur begann, Menschen um sie herum zu verschwinden begannen. Wenn man sich das vorstellt, ist “Was hast Du mit der Diktatur zu tun?” eine recht naive Frage.

silvi1.jpg“Siempreviva” – “immer lebendig” – ist der spanische Name für die Strohblume. Marula Di Como und Silvina Der-Meguerditchian haben Tausende dieser Blumen so auf eine frei stehende Wand montiert, dass die bunten Köpfe an der einen Seite ein Blütenmeer bilden und an der anderen Seite nur die Stiele hervorschauen. An diese Speeren ähnelnden, bedrohlich wirkenden Spitzen haben sie transparente Schildchen gehängt, auf denen die Namen von Verschwundenen der Militärdiktatur stehen. Männer, Frauen, Kinder, Ungeborene. Tausende Namen, Altersangaben und Zeitpunkte des Verschwindens eines Menschen, den seine Angehörigen und Freunde nie wiedergesehen haben. Wie Tränen wirken diese zarten Erinnerungs-Schriften, zerbrechlich und doch eindringlich.

“Es war nicht nur körperlich, sondern auch psychologisch eine sehr schwierige Arbeit”, erzählt Silvina am Telefon. Aber sowohl sie als auch Marula Di Como seien sehr froh, dass sie sich die Mühe gemacht hätten. “Sonst denken nur wenige in Deutschland an den 30. Jahrestag des Putsches und die vielen Opfer der Diktatur”, sagt Silvina. Bei den zahlreichen anderen politischen Brennpunkten wie dem Nahen Osten oder wirtschaftlich attraktiveren Partnern wie den asiatischen Ländern sei in Deutschland das Interesse an Lateinamerika so gut wie erloschen.

Der Ausstellungsort, die “Klosterruine” in Berlin, ist nicht überdacht – die Installation ist somit Wind und Wetter ausgesetzt und wird bis zum 15. Oktober, wenn sie abgebaut werden soll, Veränderungen durchmachen. Über diesen besonderen Ort schreibt die in Berlin lebende argentinische Soziologin Dr. Estela Schindel:

“Die Klosterruine bietet für die ephemere Installation “Siempreviva” einen besonders geeigneten Rahmen: Sie zeugt vom Fortbestand, aber auch von der Fragilität der Erinnerung. Die Installation ist den Naturgewalten ausgesetzt. Wie andere Arbeiten, die sich mit dem vergänglichen Stoff der Erinnerung beschäftigen, stellen diese Blumen uns vor eine ethische Forderung: das Gedenken fortzuführen, wenn die Arbeit selber vergangen ist.” (Übersetzung von Silvia Fehrmann; kompletter Text im Blog der Künstlerinnen.)

“Siempreviva”, Installation zum Gedenken an die Opfer der Militärdiktatur in Argentinien, von Marula Di Como und Silvina Der-Meguerditchian. Vom 1. September bis zum 15. Oktober 2006. Klosterruine, Klosterstrasse 73a, Berlin-Mitte.

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