Britische Starpower in Buenos Aires

Zwei neue Gebäude von Norman Foster

Von Philip Norten

Buenos Aires, wo internationale Stararchitekten bislang kaum vertreten waren, wird in Kürze mit zwei Gebäuden des Briten Norman Foster aufwarten können. In Puerto Madero ist vor kurzem “Aleph” fertiggestellt worden, ein Immobilienprojekt des argentinischen Unternehmers Alan Faena. Das neungeschossige Gebäude beherbergt Läden, Cafés und Restaurants im Erdgeschoss und 50 Luxusapartments in den oberen Etagen.

Das zurückhaltend gestaltete Gebäude zeichnet sich durch hochwertige Materialien aus, wie z.B. die Sonnenschutzpaneelen aus Bronze, die zusammen mit den großen Fensterflächen die äußere Erscheinung von “Aleph” mitprägen. Die Balkone umlaufen jeweils die gesamte Etage und sollen neben ihrem praktischen Nutzen auf die lokale Bautradition verweisen. Die von den Architekten beschriebene Öffnung der Wohnungen zu Patios erinnert jedoch eher an den Typus der Maisonettewohnung als an das argentinische Casa Chorizo.

Interessantestes Detail des Gebäudes sind sicher die wellenförmig gewölbten Sichtbetondecken im Innern des Gebäudes. Sie können als Verweis auf die gewölbten Ziegeldecken verstanden werden, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts in vielen Gebäuden von Buenos Aires verwendet wurden. Diese aufwendig geformten Decken von “Aleph” tragen mit dazu bei, Fosters Gebäude von austauschbarer internationaler Luxusarchitektur abzuheben.


Noch im Bau befindet sich dagegen ein weiteres Gebäude des britischen “Stars”: Foster + Partners bauen zusammen mit dem argentinischen Partner BBRCH-Minond den neuen Hauptsitz der Banco de la Ciudad de Buenos Aires im Stadtbezirk Parque Patricios. In einem weitläufigen grünen Areal gelegen, öffnet sich das Gebäude durch große Glasflächen nach außen. Möglichst viele Büros sollen so von Tageslicht und den Ausblicken in den Park profitieren.

‘Markenzeichen’ des Gebäudes ist sicher das große geschwungene Dach, das die unterschiedlichen Teile des Bürokomplexes miteinander verbindet und auch das Atrium im Eingangsbereich, das alle vier Geschosse umfasst, überdacht. Schlanke Säulen aus Beton tragen das Dach und bleiben auch im Innern sichtbar. Die Architekten setzten mit ihrem Gebäude zahlreiche Trends des nachhaltigen Bauens um, so soll beispielsweise der Energieverbrauch durch intelligente Nutzung der Baumaterialien entscheidend reduziert werden, womit die Stadt als Bauherr sicher auch ein Zeichen für die künftige Entwicklung der hiesigen Architektur setzen will.

Fotos von oben nach unten:

Zurückhaltend gestaltet: In Puerto Madero wurde vor kurzem “Aleph” fertiggestellt.
(Bild: Nigel Young/Foster and Partners)

Noch im Bau: Der neue Hauptsitz der Banco de la Ciudad de Buenos Aires im Stadtbezirk Parque Patricios.
(© Foster + Partners)

Mehr als bunte Fassaden

Die Conventillos – Ein besonderes Stück Architektur von Buenos Aires

Von Philip Norten


Der Stadtteil La Boca erfreut sich seit einigen Jahren großer Beliebtheit bei den zahlreichen ausländischen Touristen, die nach Buenos Aires kommen. Menschenmassen aus Europa, den USA und Brasilien drängen sich über den Caminito an Restaurants und Souvenirhändlern vorbei, so dass es schwerfällt, die wirklichen Besonderheiten des Viertels zu erkennen.

Zu diesen gehört zweifelsohne der Bautyp des Conventillo. Obwohl der Name auf den kirchlichen Bautypus des Koventes verweist, ist das Conventillo aus Buenos Aires eng mit der argentinischen Geschichte verbunden: Das Ende des 19. Jahrhunderts markierte den Höhepunkt der Immigrationswelle nach Argentinien, zwischen 1880 und 1910 kamen ca. 4 Millionen Menschen aus Europa nach Argentinien. Die ursprüngliche Intention der nationalen Regierungen war es, diese neuen Bürger auf dem Land anzusiedeln und dieses nach US-amerikanischem Vorbild zu kolonisieren. Aufgrund der fehlenden Ausbildung der Neuankömmlinge und mangelnder Unterstützung durch den Staat schlug dieser Plan jedoch fehl, und die große Mehrheit der Immigranten blieb in Buenos Aires, wo der Bedarf nach günstigem Wohnraum daher stark anstieg. Da die liberalen Regierungen dieser Jahre keine aktive Stadtplanung oder Wohnungsbaupolitik betrieben, entstanden durch private Planung neue architektonische Lösungen für das Problem der rasch wachsenden Bevölkerung, deren bekannteste das conventillo ist.

Die ersten conventillos entstanden im Süden der Stadt in den Vierteln La Boca, San Telmo und Barracas. Da die Oberschicht von Buenos Aires aufgrund des Gelbfiebers von 1871 in die nördlichen Stadtviertel gezogen war, gab es hier Freiräume, die von den armen Neuankömmlingen genutzt wurden. So bestanden diese ersten conventillos aus aufgegebenen Residenzen, die ihrer neuen Funktion entsprechend umgewandelt wurden. Die um einen Hof angeordneten unterschiedlichen Wohnräume wurden nun an einzelne Familien vermietet, so dass in einem einzigen Haus mehrere Großfamilien auf engstem Raum lebten. Meist waren auch die sanitären Bedingungen sehr problematisch, da es nur eine Küche und Toilette für das ganze Haus gab. Später wurde dieser Haustypus – mehrere kleine Mietwohnungen, die um einen Hof gruppiert waren – auch in Neubauten angewandt. Den Familien standen dabei oft nur Wohnräume von 3×3 m zur Verfügung. Trotzdem lebten zum Ende des 19. Jahrhunderts ca. 25% der Einwohner von Buenos Aires – und hauptsächlich die Immigranten aus Europa – in conventillos.

In La Boca entstanden besonders viele dieser conventillos, da das Viertel mit seinem Hafen und der damals dort existierenden Kleinindustrie viele Arbeiter anzog. Aus Kostengründen wurden die conventillos aus Holz gebaut und ab 1890 zusätzlich mit Wellblech, das besser gegen Regen schützt, verkleidet. Die heute bei Touristen so beliebte Farbgebung der conventillos stammt ebenfalls aus dieser Zeit, als Farbreste aus dem Hafenbetrieb zum Streichen der Häuser verwendet wurden. Als Vorteil der conventillos erwies sich zudem, dass diese flexibel erweitert werden konnten, indem ein Obergeschoss hinzugefügt wurde.

Ab den 1910er Jahren wurden keine neuen conventillos mehr gebaut. Es waren u.a. Sozialproteste, die dafür sorgten, dass neue Formen für den sozialen Wohnungsbau gefunden wurden. Heute bietet das conventillo, abseits von den bunten Fassaden, einen interessanten Einblick in die argentinische Architektur- und Sozialgeschichte. So waren die conventillos und das mit ihnen verbundene enge Zusammenleben der Immigranten verantwortlich für die Herausbildung einer neuen gemeinsamen Identität der Neuankömmlinge aus Europa, die sich konkret z.B. in der Entwicklung des Lunfardo, des Dialekts von Buenos Aires, zeigte. Es lohnt sich also – bei gebotener Vorsicht – durch die Straßen Lamadrid, Garibaldi oder Magallanes in La Boca zu streifen, wo sich immer noch viele Beispiele dieser besonderen historischen Bauform finden lassen.

Fotos:
Conventillos in La Boca.
(Fotograf: Juan Pablo Pekarek)

Urbane Qualität durch intelligente Stadtplanung

Rosario – eine Stadt voller Beispiele guter moderner argentinischer Architektur

Von Philip Norten

Die Stadt Rosario hat in den letzten Jahren – auch dank des Soja-Booms der Provinz Santa Fe – eine wirtschaftlich sehr positive Entwicklung verbuchen können, welche sich im Stadtbild an den zahlreichen neuen Hochhäusern und an der 2003 eröffneten Brücke über den Paraná-Fluss ablesen lässt. Dieser Bauboom wurde – wohl auch dank der sozialistischen Stadtregierungen – intelligent gesteuert, so dass Projekte verwirklicht wurden, die Infrastruktur und Stadtbild nachhaltig verbessert haben.

Sichtbarstes Zeichen dieser Entwicklung ist die Öffnung der Stadt zum Fluss, die durch Baumaßnahmen unterschiedlicher Architekten verwirklicht wurde. Angefangen von der Umgestaltung des “Monumento a la Bandera”, die das Monument am Ufer mit der historischen Innenstadt verbindet, es ist vor allem die Revitalisierung des ehemaligen Hafenbereichs, die die Innenstadt an den Fluss angebunden hat. Dabei wurden historische Hafengebäude, zum Teil aus dem 19. Jahrhundert, erhalten und umgenutzt. Viele der ehemaligen Speicherhäuser dienen heute als Kulturzentren und erinnern zugleich an die ursprüngliche Nutzung des Geländes.

Die schon in den 1980er Jahren entstandenen Gebäude des Parque España verbinden einen Wohnkomplex mit einer großen Treppenanlage, die den Höhenunterschied des Ufergeländes vermittelt. Dank dieser intelligenten Architektur, die die kommerziellen Zwänge des Wohnungsbaus mit einem urbanistischen Nutzen verbindet, werden die Uferanlagen am Paraná miteinander verbunden, und der Parque España selbst gehört zu den beliebtesten Treffpunkten der Stadt.

Weiteres architektonisches Glanzlicht der “Wiedereroberung” des Ufers durch die Stadt ist die Umnutzung des Silos Davis. Der alte Getreidesilo wurde im Jahr 2003 so umgebaut, dass er heute einen Teil des städtischen Kunstmuseums beherbergt. Durch die farbliche Gestaltung des Silokörpers hebt dieser sich von seiner industriellen Nutzung ab und macht auf seinen neuen Inhalt neugierig. Die Uferneuerschließung hört damit aber noch nicht auf, sondern zieht sich weiter bis zur Uferbebauung Gerardo Caballeros im Norden der Stadt, die durch Stege das bis dahin private Ufer erschließt und beeindruckende Aussichten auf die neue Paraná-Brücke bietet.

Neben den Highlights der Neuerschließung des Flussufers fällt auf, dass auch bei weiteren städtischen Baumaßnahmen Wert auf hochwertige Architektur gelegt wurde. Der im Parque Independencia entstandene Jardín de los Niños überzeugt nicht nur durch sein anspruchsvolles pädagogisches Programm, sondern auch durch die dezidiert moderne Architektur von M. Perazzo. Im benachbarten Parque de Diversiones fallen zwei Pavillons von Rafael Iglesia auf, die die Baumaterialien Beton, Holz und Glas intelligent interpretieren.

Kunst- und Architekturinteressierten sei auch der Besuch des nahegelegenen Museo de Bellas Artes empfohlen, dessen elegantes Gebäude von 1937 wohl eines der schönsten Exemplare für den oft unerträglich monumentalen Neoklassizismus dieser Epoche (zu sehen beispielsweise am benachbarten Gebäude der Tribunales Provinciales) darstellt. Die am Museum beginnende Avenida Oroño bietet mit schönen Beispielen des Historizismus und der frühen Moderne einen guten Überblick über die argentinische Architekturgeschichte.

Glanzlichter der allerneusten Architektur sind ebenfalls der Stadt zu verdanken, die für den Bau der neuen Centros Municipales Distritos bekannte Architekten beauftragt hat, u.a. Pritzker-Preisträger Álvaro Siza. Insgesamt beweist der Blick nach Rosario, dass gute Stadtpolitik architektonische Zeichen setzen kann und intelligente Stadtplanung urbane Qualität entstehen lässt.

Foto:
Museo Macro, Rosario.