Abstraktion im Fokus

Neues Kunstmuseum MACBA in Buenos Aires

Von Susanne Franz


Seit dem 1. September hat Buenos Aires ein neues Museum für zeitgenössische Kunst mit Schwerpunkt auf der geometrischen Abstraktion: Bei strahlendem Vorfrühlingswetter kamen über 300 Gäste aus dem Kunst- und Kulturbetrieb der Stadt Buenos Aires und des Umlandes in den Stadtteil San Telmo, wo das MACBA gleich neben dem Museum für Moderne Kunst auf der Avenida San Juan 328 seine Pforten öffnete. So gut wie alle, die Rang und Namen haben, waren da.

Das MACBA (Museo de Arte Contemporáneo de Buenos Aires), das über vier Säle auf 1500 m2 verfügt. ist eine Privatinitiative des Geschäftsmanns und Kunstmäzens Aldo Rubino aus Miami, dessen Privatsammlung den Kern des Museumsschatzes bildet. Darüber hinaus werden auch wechselnde Ausstellungen in dem Museum stattfinden.

Aldo Rubino und seine Gattin María Constanza Cerillo, die das MACBA zusammen mit der Art Directorin María José Herrera leitet, durchschnitten mit bedeutenden argentinischen Künstlern wie Marta Minujín, Rogelio Polesello und Gyula Kosice gemeinsam das Band. Der Gastgeber ließ es sich an dem fröhlichen Nachmittag auch nicht nehmen, ein paar Tangos zum Besten zu geben.

Aldo Rubino plant das Museum seit drei Jahren und hat mit Wanderausstellungen im ganzen Land (und auch Uruguay) darauf hin gearbeitet. Schon lange vor der Eröffnung war er eine bekannte Größe in Buenos Aires, und er verfügt auch in den sozialen Netzwerken über eine breite Fangemeinde. Für einen umfangreichen Katalog, in dem seine Sammlung dokumentiert wird, erhielt er Unterstützung des Mäzenen-Programms (Mecenazgo) der Stadt Buenos Aires.

Die erste Schau, die im MACBA am 1. September eröffnet wurde, trägt den Namen “Intercambio global. Abstracción geométrica desde 1950” und zeigt Werke von Künstlern wie Vasarely, Melé, Cruz-Diez, Kuitca, Lozza, Mack, Minujín, Tomasello, u.a. Kuratiert wurde die Ausstellung von dem US-amerikanischen Kunstexperten Joe Houston, der Anfang September auch ein gut besuchtes internationales Symposium leitete.

Für das Jahr 2013 sind im MACBA unter anderem zwei Ausstellungen geplant, die den argentinischen Künstlern Manuel Espinosa (1912-2006) und María Martorell (1909-2010) gewidmet sind.

  • MACBA (Museo de Arte Contemporáneo de Buenos Aires)
  • Av. San Juan 328, Buenos Aires
  • Mi-Mo 11-19 Uhr, dienstags geschlossen
  • Führungen: Mi-Mo 17, Sa, So und feiertags 15.30 und 17 Uhr
  • Eintritt: 20 Pesos; Studenten, Lehrer und Rentner (oder über 65-Jährige) mit Ausweis 10 Pesos; unter 12-Jährige gratis. Mittwochs für alle ab 12 Jahre 10 Pesos
  • Webseite

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Kurs “Einführung in die deutsche Kunst- und Architekturgeschichte”

Fortbildung in der deutschen Übersetzerkammer

Das “Colegio de Traductores Públicos” in Buenos Aires veranstaltet am 21. und 28. September den zweiteiligen Fortbildungskurs in deutscher Sprache “Einführung in die deutsche Kunst- und Architekturgeschichte”. Der Kunsthistoriker Philip Norten gibt dabei einen Überblick über die deutsche Kunst und Architektur vom Mittelalter bis zur Gegenwart und die Entwicklung der verschiedenen Kunstrichtungen und Baustile. Der Kurs richtet sich an Übersetzer und interessierte Hörer zugleich und legt Wert auf die klare Vermittlung von Konzepten, Fachbegriffen und Vokabular.

Der Kurs findet in der Zweigstelle Avda. Callao der Übersetzerhochschule statt: am 21. und 28.9. jeweils von 18.30 bis 20.30 Uhr. Unkostenbeitrag: 130 Pesos. Einschreiben kann man sich online bis zum 19. September.

Argentinischer Pavillon in Venedig

Tendenzen der Architektur in Argentinien werden vorgestellt

Von Marcus Christoph


Argentinien verfügt ab sofort über einen ständigen Pavillon bei der Biennale in Venedig. Am Montag wurde die Einrichtung offiziell eingeweiht. Während Außenminister Héctor Timerman in der italienischen Lagunenstadt vor Ort war, um das symbolische Band zu durchschneiden, war Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner per Videokonferenz von Tecnópolis, der Technikschau in Villa Martelli, aus zugeschaltet. “Die Biennale von Venedig ist das weltweit wichtigste Treffen in den Bereichen Kunst und Architektur”, hob die Staatschefin die Bedeutung hervor.

Bereits bei ihrem Besuch in Italien im Vorjahr hatte sie sich um die dauerhafte Präsenz Argentiniens bei der Biennale gekümmert. Der argentinische Pavillon hat seinen Platz im “Arsenale”, einem historischen Gebäude aus dem 16. Jahrhundert. Dort haben die Argentinier auf 500 Quadratmetern die Möglichkeit, sich zu präsentieren. Der Pachtvertrag ist zunächst auf 22 Jahre befristet. Derzeit steht alles ganz im Zeichen der Architektur-Biennale, die am Mittwoch begann. Im argentinischen Pavillon werden charakteristische Gebäude von Buenos Aires wie das Bicentenario-Museum und das neue Zollamt (“Aduana Taylor”) vorgestellt. Zudem soll ein allgemeiner Überblick über die Geschichte sowie aktuelle Tendenzen der Architektur in Argentinien gegeben werden. Besonders der italienische Einfluss steht im Blickpunkt. In dem Pavillon gibt es zudem einen Bereich, der den Malwinen-Inseln gewidmet ist.

Bild:
Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner mit dem Kurator des argentinischen Pavillons, dem Architekten Clorindo Testa, in Tecnópolis.
(Foto: Presidencia de la Nación)

BAF Week: Propuestas 13

Colores pasteles en la propuesta de Chocolate


(Foto: BAF)
(Producción para “Kunst in Argentinien”: Paula Bonnet)

Über das Normale hinaus

50 Streetart-Künstler zeigen in Parque Patricios Graffiti-Kunst

Von Susana Zickert


Um Kunst zu sehen, muss man nicht in ein Museum oder eine Galerie gehen. “Kunst ist alles”, wie der Fotograf Antonio an diesem späten Nachmittag überzeugt sagt. Er steht vor einem der Gemälde in Parque Patricios. 50 Künstler haben sich hier am letzten Wochenende zusammengefunden. Aufgerufen wurden sie von Banco Ciudad. Angesichts des neuen Gebäudes des Architekten Norman Foster, das sich allerdings noch im Bau befindet, wurden rund um den Häuserblock, der die Baustelle bildet, weiße Holzbretter aufgestellt, auf denen jetzt Kunst, genauer gesagt “Arte Urbano”, Street Art oder wie man es nennen will, gemacht wird.

Was hier relativ gesittet aussieht, bekommt man meistens an Wänden, Zügen, unter Brücken oder auf sonstigen öffentlich gut sichtbaren Orten zu Gesicht. Gerade die Anpassung an die Umwelt, machen die Arbeit eines Streetart-Künstlers aus. So halten sich die wenigsten an diesem Nachmittag an die Begrenzungen der Bretter, sondern machen Kunst über den Rand des “Normalen” hinaus.

Pum Pum, die schon seit einiger Zeit die Straßen von Buenos Aires durch ihre Selbst-Karikaturen verschönert, erkennt in der Streetart auch eine Lebenseinstellung. “Es hat Auswirkung auf alles. Es ist wie ein Filter, mit dem du durch die Straßen läufst. Farben, Design, Lichter.” Szenetypisch zeigt auch Pum Pum nicht gerne ihr Gesicht. Unter einer modischen Sonnenbrille versteckt sich eine bescheidene. zurückhaltende Künstlerin, die, wie viele hier, ihre Kunst für sie sprechen lässt.

Vertieft arbeiten sie alle. begleitet von Live-DJs, an ihren ganz persönlichen Werken. Mit Sprühfarbe, Collagen, Pinsel oder Kleber, eine Menge Materialien sind vertreten. So sind auch die Motivationen ganz unterschiedlicher Natur. Pum Pum sieht in der Streetart ein “persönliches Bedürfnis, sich auszudrücken”. Die Kunst von 3,14 Nal, eine Kooperation zwischen Tochter und Vater, soll “neben der Kritik an Politik, die Stadt verschönern”. Hingegen meint Lean Frizzera, dass “es weder Mode noch Politik ist. Ich male nackte Frauen, weil ich sie mag. Da gibt es keinen Hintergrund”. Fabiana Martínez, eigentlich plastische Künstlerin, nennt es “Kommunikation, auf der Suche nach der kulturellen Identität”.


Doch auch das scheinbar freie Graffiti hat sich mit den Jahren in eine Mode der Konsumgesellschaft verwandelt. Man sieht viel Fashion, es läuft Hip-Hop-Musik, und zum Schluss wird Breakdance gezeigt. Das Drumherum ist ein Lifestyle, der im Paket “Streetart” gleich automatisch mit dazu geliefert wird. “Bestimmt gibt es sowas. Aber der einzige Lifestyle, der uns Künstler definiert, ist, dass wir uns nie in unsere Werke verlieben. Wird die Mauer abgerissen, ist das Graffiti weg”. sagt 3,14 Nal. Moden verschwinden, Kunst bleibt.

Abseits der konsumierenden Zuschauer, die sich den Breakdance anschauen, malen die Künstler alleine weiter. Ein paar haben sich auch schon stillschweigend in die Seitenstraßen verzogen, auf der Suche nach Flächen und Formen, weit über die kahle Holztafel hinaus.

Fotos von oben nach unten:

Graffiti-Künstlerin Pum Pum bei der Arbeit.

Breakdance vor dem Gelände, auf dem das neue Gebäude von Banco Ciudad entstehen soll.
(Fotos: Pablo Rothschild)

Spekulieren bis zur letzten Minute

Die Weltkunstausstellung dOCUMENTA (13) in Kassel wirft ihre Schatten voraus

Von Nicole Büsing und Heiko Klaas

Eine Frage geistert bereits seit Monaten durch den internationalen Kunstbetrieb: Welche Namen enthält die Künstlerliste der dOCUMENTA (13)? Wer da versucht nachzubohren, stößt auf eisernes Schweigen seitens der Documenta-Leitung. “Die Künstlerliste wird erst am 6. Juni, dem Tag der Pressekonferenz, bekanntgegeben”, sagt Henriette Gallus, die Pressesprecherin. Auch wenn manche Galeristen, Sammler und Kritiker den einen oder anderen heißen Tipp haben: Mehr als ein augenzwinkerndes “Vielleicht” ist Carolyn Christov-Bakargiev, der Künstlerischen Leiterin und ihrem Team, nicht zu entlocken. Zwar lässt sie gelegentlich einige Namen im Rahmen ihrer Vorträge fallen. Doch die für ihre Ironie und ihren hintergründigen Witz bekannte, 1957 geborene US-Amerikanerin mit bulgarisch-italienischen Wurzeln gibt zu Bedenken, sie lege auch gerne falsche Fährten. Christov-Bakargiev hat dafür durchaus nachvollziehbare Gründe. Sie möchte, dass “ihre” Künstler, darunter viele noch unbekannte, sich ganz auf die Erarbeitung und Produktion ihrer Documenta-Projekte konzentrieren können – ohne bereits jetzt schon ins mitunter gnadenlose Räderwerk des Kunstmarktes zu gelangen.

Wer sich in die Gedankenwelt der nächsten Documenta einlesen möchte, sollte vielleicht das ein oder andere Exemplar der im Hatje Cantz Verlag erscheinenden Schriftenreihe “100 Notizen – 100 Gedanken” konsultieren. Seit März 2011 sind bereits 55 Titel erschienen. Die restlichen 45 Hefte folgen in den nächsten Wochen und Monaten. In diesen intellektuell-feinsinnigen Heften äußern sich Künstler, Wissenschaftler, Philosophen und andere Autoren zu Fragen unserer Zeit. Die Documenta versteht auch die Autoren dieser für die Ausstellung zentralen Essay- und Faksimile-Reihe als Teilnehmer der Weltkunstschau.

Insgesamt hat Frau Christov-Bakargiev rund 160 Künstler eingeladen. Anders als bei vorherigen Documenta-Ausstellungen wird es wohl keine neu geschaffenen Orte geben, an denen die Kunst präsentiert wird. Eine provisorische Pavillonarchitektur auf der Karlsaue wie bei der Documenta 12 vor fünf Jahren ist jedenfalls nicht geplant. Carolyn Christov-Bakargiev denkt da durchaus ökologisch. Die Karlsaue, der zweitgrößte Park Kassels, wird wieder ein zentraler Ort der Documenta werden. Hier plant Christov-Bakargiev, soviel hat sie bereits zwischen den Zeilen verraten, die Installation zahlreicher Arbeiten. Eine steht bereits seit Juni 2010 dort: “Idee di Pietra” (Ansichten eines Steins), ein neun Meter hoher Bronzebaum des 1947 geborenen italienischen Arte-Povera-Vertreters Guiseppe Penone, mit einem Granit-Findling in der Astkrone.

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“Amalita” Fortabat gestorben

Trauer um Kunstmäzenin Amalia Lacroze de Fortabat

Von Susanne Franz

Sie war eine der reichsten Frauen Argentiniens und eine bedeutende Kunstmäzenin: Am vorigen Samstag ist im Alter von 90 Jahren Amalia Lacroze de Fortabat, liebevoll “Amalita” genannt, verstorben. Es wird schwer sein, sie zu vergessen, denn sie ließ im Stadtteil Puerto Madero von Buenos Aires ein modernes Museum bauen, das Teile ihrer umfangreichen Kunstsammlung der Öffentlichkeit zugänglich macht. Als María Amalia de los Reyes Oribe wurde sie am 15. August 1921 in eine großbürgerliche Familie geboren. Ihre Ehe mit Hernán de Lafuente, die sie mit 19 Jahren schloss und aus dem ihre einzige Tochter, María Inés, stammt, zerbrach bald und wurde geschieden. 1941 begegnete sie Alfredo Fortabat, dem Besitzer der Zementfabrik “Loma Negra”. Zehn Jahre später heirateten sie, und nach seinem Tod 1976 übernahm sie das Unternehmen und führte es mit großem Erfolg weiter. Im Jahr 2005 verkaufte sie es für rund eine Milliarde US-Dollar an den brasilianischen Mischkonzern Grupo Camargo Correa. Forbes schätzte ihr Gesamtvermögen zuletzt auf 1,8 Milliarden Dollar.

Zu Fortabats kulturellem Schaffen zählt u.a. die Gründung der Stiftung Teatro Colón; sie war zudem Goodwill-Botschafterin Argentiniens. Sie war Trägerin zahlreicher Auszeichnungen, darunter des Bundesverdienstkreuzes, das ihr am 24. Oktober 2001 vom damaligen deutschen Botschafter Dr. Hans-Ulrich Spohn überreicht wurde. Anlässlich dieser Ehrung lobte Amalia Lacroze de Fortabat den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg und das Zusammenwachsen der zwei Teile Deutschlands nach dem Mauerfall als “bewundernswerte Leistungen” und verriet, dass eine ihrer Vorfahrinnen Deutsche gewesen sei, dass also “etwas deutsches Blut” in ihren Adern fließe. Fortabats Bestattung in der Familiengruft auf dem Recoleta-Friedhof fand am Sonntag im engsten Familien- und Freundeskreis statt.

(Foto: Susanne Franz)

Trauer um ehemaligen Kulturpapst

Kulturmanager, Kritiker und Ex-MNBA-Direktor Jorge Glusberg gestorben

Von Susanne Franz

Eine Flamme ist erloschen: Am 2. Februar starb im Alter von 79 Jahren der ehemalige Direktor des Museo Nacional de Bellas Artes (1994-2003), Jorge Glusberg. Der Gründer der Denkfabrik CAyC (Centro de Arte y Comunicación, seit 1968) und Initiator der Internationalen Architekturbiennale von Buenos Aires (seit 1985) war ein Hansdampf in allen Gassen des argentinischen Kulturbetriebs, der – unverkennbar mit seinen blauen Augen und dem weißen, meist zu einem Lagerfeld-ähnlichen Pferdeschwanz gebundenen Haar – mit unermüdlichem Arbeitseifer die argentinische Kunst und Architektur auf dem internationalen Parkett bekannt machte. Auch als Theoretiker und Kritiker machte Glusberg von sich reden, er schrieb u.a. für Ámbito Financiero.

Einmal hin und zurück

“Semanario Israelita”-Herausgeber und “Tageblatt”-Redakteur Werner Max Finkelstein in Berlin gestorben

Von Sebastian Loschert

“Welch ein abenteuerlicher Lebensweg!”, bewunderte die Frankfurter Allgemeine Zeitung 2005, als sie Werner Max Finkelstein in seiner Berlin Wohnung besuchte. Dass er seinen Lebensabend in Berlin verbringen würde, hätten seine Eltern bei seiner Geburt im ostpreußischen Gumbinnen im Jahr 1925 noch vermuten können – aber kaum das wechselvolle Leben, das dazwischen lag: Flucht um die halbe Welt, unzählige Jobs in Dschungel, Mine und Großstadt. Dann Posten als Chefredakteur und Herausgeber in Buenos Aires. Schließlich, 1999, im Alter von 74 Jahren, Rückkehr mit einer neuen Liebe nach Berlin.

Es waren der Machtantritt der Nazis und der Boykott jüdischer Geschäfte, die die Familie Finkelstein 1935 dazu zwangen, Gumbinnen und ihr gutgehendes Geschäft zu verlassen und nach Berlin zu ziehen. Ab 1938 wurde für Juden jedoch auch dort die Luft zu dünn zum Atmen. Der 14-jährige Max wurde deshalb mit dem Kindertransport nach Schweden geschickt, was für ihn der Beginn einer langen Odyssee werden sollte.

Erst zwei Jahre später sollte Finkelstein seine Mutter in La Paz wiedersehen, nachdem er alleine eine Zug- und Schiffsreise über die Sowjetunion, Asien und Nordamerika bis Bolivien unternahm. Doch diese Reise, ebenso wie die folgenden sieben Jahre in Bolivien, erlebte er eher als spannendes Abenteuer denn als Schicksalsschlag. Die teils unglaublichen Geschichten, die er bei seinen Jobs im Gefängnis von La Paz oder auf Alligatorenjagd in Trinidad erlebte und die er auch in der Redaktion gerne zum Besten gab, lassen sich in seiner Biographie “Jude, Gringo, Deutscher” nachlesen.

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Ein Abend mit der Pachamama

Festival der “Jornadas de Paz y Dignidad” im Theater SHA

Von Mirka Borchardt

Vorne auf der Bühne steht eine Frau in indigener Tracht, sie singt, nein, sie betet im Singsang, begleitet von Trommelschlägen: “Zuerst singe ich für die Erde, dann singe ich für meinen Vater im Himmel, dann für meinen Bruder, das Wasser, dann für meinen Bruder, die Luft…” Huch, frage ich mich, in was für einer Esoterik-Veranstaltung bin ich denn hier gelandet?

Der Name dieser Veranstaltung freilich weist schon die Richtung: “Festival de Jornadas de Paz y Dignidad”, “Festival der Tage des Friedens und der Würde2. Es geht um die Einigkeit der Völker Amerikas, um die Prophezeiungen der Vorfahren, namentlich des Adlers und des Kondors, und um das Wasser, das lebenspendende Element. Das kann man den Reden, die am Mittwochabend im Saal des Theaters SHA gehalten werden, entnehmen. Viel mehr allerdings auch nicht. Vielleicht ist es mein deutscher Anspruch, vielleicht bin ich zu gewöhnt daran, dass alles einen Zweck verfolgen muss, jedenfalls wundere ich mich sehr: Keine konkreten Forderungen, keine Aufrufe an die Politik, keine zum Geldsammeln. Stattdessen vage Aussagen: “Die Prophezeiung sagt, die Zeit der Einigkeit sei gekommen.” – “Wir müssen unsere Mutter Erde schützen.” “Pachamama” ist das Wort, das heute Abend am häufigsten fallen wird.

Die “Jornadas de Paz y Dignidad” wurden von der nichtstaatlichen Organisation “Fuego Sagrado de Itzachilatlan” ins Leben gerufen, einer Vereinigung, die sich für indigene Rechte und für den Naturschutz einsetzt und mittlerweile in zehn verschiedenen Ländern existiert. 1992 rief sie zu einer Gegenveranstaltung zu den Feiern zum 500-jährigen Jubiläum der Entdeckung Amerikas auf: ein Lauf durch ganz Amerika. Von Alaska im Norden und Argentinien und Chile im Süden gleichzeitig starteten die Läufer, um sich bei den Pyramiden von Teotihuacan in Mexiko zu treffen und die Riten der indigenen Ureinwohner und die Einigkeit der Völker zu feiern. Alle vier Jahre wird der Lauf wiederholt, mit unterschiedlichen Routen. Dieses Jahr führt sie bloß in eine Richtung: Am 1. Dezember starteten die Läufer in Mexiko, am 21. März werden sie in Chile ankommen.

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Abschied nach 46 Jahren

Galerie Atica schloss ihre Pforten

Von Susanne Franz

Die letzte Ausstellung des Jahres 2011 war der Künstlerin Reni Duplaa gewidmet. Vielleicht hätte man es schon aus dem Namen erahnen können – es handelt sich dabei um eine Kunstfigur, und ihr Werk ist eine Zusammenarbeit der Künstler Jorge Meijide und Mirta Kupferminc.

Ein kreatives Spiel, eine interessante Kombination, doch dass diese Exposition die letzte in der Galerie Atica war, überschattete alles andere, und man konnte am vergangenen Samstag, dem 17. Dezember, die Werke nicht so recht genießen, als Mónica Goldschläger de Carrizo Carricarte nach 46 Jahren ununterbrochener Tätigkeit die Tore ihrer angesehenen Kunstgalerie ein letztes Mal öffnete.

Und ein letztes Mal füllten sich die Räume sowie der Patio-ähnliche Gang in der Libertad 1240 mit Wegbegleitern, Freunden, Galeristen-Kollegen, Kunstkritikern und vielen, vielen Künstlern, die sich von Mónica, ihrem Mann Adolfo, ihrem Sekretär Rubén und ihrem Hündchen Noemí verabschieden wollten.

Atica war bekannt dafür, sich besonders für Künstler einzusetzen, die aus den Bereichen Zeichnung, Skulptur, Graphik oder auch Textilkunst und Keramik stammen, die im Kunstbetrieb nicht so große Anerkennung finden wie der große Bruder Malerei und die in den letzten Jahren hoch geschätzte Fotografie. Das heißt nicht, dass die Galerie nicht auch mit diesen Kunstrichtungen arbeitete. So vertrat Atica den erfolgreichen argentinisch-koreanischen Maler Cho Yong Hwa sowohl auf der Kunstmesse arteBA als auch in Einzelausstellungen. Eine Schau mit Fotografien von Hermenegildo Sábat zeigte eine unbekanntere Seite des großen Karikaturisten.

Mit ihrem kultivierten Background, ihrem Gespür für Kunst, ihrer Vielsprachigkeit – unter anderem spricht sie hervorragend Deutsch – und ihrer Fähigkeit zum Netzwerken gehört Mónica Goldschläger de Carrizo Carricarte zu einer “alten Garde” von Galeristen, die man ungern vom Platz treten sieht. Der argentinische Kunstbetrieb wird sie vermissen.

Foto:
Mónica in den 90ern mit dem Bildhauer Alberto Bastón Díaz.