14 Jahre Hoffnung
Am 3. September feierte die Juan XXIII-Nachhilfe in San Miguel de Tucumán Geburtstag
Von Edith Lupprich
Nächstenliebe und der tägliche Kampf für eine bessere Zukunft: Als Mario Robles 1998 gemeinsam mit einigen Nachbarinnen und Nachbarn anfing, drei oder vier Kindern aus ihrem Wohnviertel bei den Schulaufgaben zu helfen, konnte er sich wahrscheinlich nicht vorstellen, dass er vierzehn Jahre später dasselbe tun würde. Mit dem Unterschied, dass es nicht mehr vier, sondern gut fünfzig Kinder sind, die täglich zum Nachhilfeunterricht kommen.
Das Viertel, in dem sich der “Apoyo Escolar Juan XXIII” befindet, ist wohl eine der verrufensten Gegenden in San Miguel de Tucumán (im Nordwesten Argentiniens). Verbrechen, Drogen, Gewalt, Prostitution werden in den Medien und in Alltagsgesprächen gerne mit “La Bombilla”, dem “Spitznamen” des Viertels, das eigentlich “Barrio Juan XXIII” heißt, in Verbindung gebracht. Mario weiß um dieses Stigma und seine Auswirkungen. Vor allem aber kennt er die andere Seite der Medaille, die die Zeitungen gerne verschweigen: die Armut, die Mangelernährung, manchmal auch die scheinbare Ausweglosigkeit der Lebensumstände.
“Was lernen wir in der Nachhilfe von Mario? Alles zu teilen, zu spielen, ohne zu schummeln, niemanden zu schlagen, die Dinge an den Platz zurückzustellen, von dem man sie genommen hat, sauberzumachen, was einer selbst schmutzig macht, still zu sein und demjenigen, der spricht, zuzuhören, nichts zu nehmen, was uns nicht gehört, sich zu entschuldigen, wenn man jemandem wehgetan hat, sich vor dem Essen die Hände zu waschen, ein geordnetes Leben zu führen, etwas zu lernen und etwas zu denken und zu zeichnen, zu singen, zu tanzen, zu spielen und jeden Tag ein bisschen zu arbeiten.”
Diese Anpassung eines Textes aus Reader’s Digest, die Mario vor einiger Zeit an der Wand hängen hatte, macht deutlich, um was es in der Nachhilfe geht. Jeden Tag ein bisschen zu arbeiten, ein bisschen zu rechnen, ein paar Zeilen abzuschreiben. Steter Tropfen höhlt den Stein. Und die Zeit zeigt, dass es Sinn macht. “Am Besten ist es, mit den Kleinsten anzufangen, da kann man etwas verändern. Wenn sie dann aus der Grundschule in eine höhere Schule kommen, haben sie eine gute Basis, auf die sie aufbauen können”, ist Mario überzeugt. Die Veränderung ist auch bei den Kindern bemerkbar, die neu zur Nachhilfe kommen. Viele von ihnen haben schlechte Schulnoten, die Hefte sind unvollständig. “Oft haben die Kinder zu Hause keinen Platz, um die Aufgaben zu machen. Oder niemanden, der ihnen ein bisschen unter die Arme greift. Und die Eltern haben auch kein Geld, um eine Nachhilfelehrerin zu bezahlen”, erklärt er. Im Laufe einiger Wochen integrieren sich diese Kinder in die Gruppe. Sobald sie ankommen, setzen sie sich hin und fangen an, selbstständig ihre Aufgaben zu machen. Und auch in Bezug auf die Umgangsformen passen sie sich an, lernen, bei der Ankunft zu grüßen oder keine Schimpfwörter zu verwenden.
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