14 Jahre Hoffnung

Am 3. September feierte die Juan XXIII-Nachhilfe in San Miguel de Tucumán Geburtstag

Von Edith Lupprich

Nächstenliebe und der tägliche Kampf für eine bessere Zukunft: Als Mario Robles 1998 gemeinsam mit einigen Nachbarinnen und Nachbarn anfing, drei oder vier Kindern aus ihrem Wohnviertel bei den Schulaufgaben zu helfen, konnte er sich wahrscheinlich nicht vorstellen, dass er vierzehn Jahre später dasselbe tun würde. Mit dem Unterschied, dass es nicht mehr vier, sondern gut fünfzig Kinder sind, die täglich zum Nachhilfeunterricht kommen.

Das Viertel, in dem sich der “Apoyo Escolar Juan XXIII” befindet, ist wohl eine der verrufensten Gegenden in San Miguel de Tucumán (im Nordwesten Argentiniens). Verbrechen, Drogen, Gewalt, Prostitution werden in den Medien und in Alltagsgesprächen gerne mit “La Bombilla”, dem “Spitznamen” des Viertels, das eigentlich “Barrio Juan XXIII” heißt, in Verbindung gebracht. Mario weiß um dieses Stigma und seine Auswirkungen. Vor allem aber kennt er die andere Seite der Medaille, die die Zeitungen gerne verschweigen: die Armut, die Mangelernährung, manchmal auch die scheinbare Ausweglosigkeit der Lebensumstände.

“Was lernen wir in der Nachhilfe von Mario? Alles zu teilen, zu spielen, ohne zu schummeln, niemanden zu schlagen, die Dinge an den Platz zurückzustellen, von dem man sie genommen hat, sauberzumachen, was einer selbst schmutzig macht, still zu sein und demjenigen, der spricht, zuzuhören, nichts zu nehmen, was uns nicht gehört, sich zu entschuldigen, wenn man jemandem wehgetan hat, sich vor dem Essen die Hände zu waschen, ein geordnetes Leben zu führen, etwas zu lernen und etwas zu denken und zu zeichnen, zu singen, zu tanzen, zu spielen und jeden Tag ein bisschen zu arbeiten.”

Diese Anpassung eines Textes aus Reader’s Digest, die Mario vor einiger Zeit an der Wand hängen hatte, macht deutlich, um was es in der Nachhilfe geht. Jeden Tag ein bisschen zu arbeiten, ein bisschen zu rechnen, ein paar Zeilen abzuschreiben. Steter Tropfen höhlt den Stein. Und die Zeit zeigt, dass es Sinn macht. “Am Besten ist es, mit den Kleinsten anzufangen, da kann man etwas verändern. Wenn sie dann aus der Grundschule in eine höhere Schule kommen, haben sie eine gute Basis, auf die sie aufbauen können”, ist Mario überzeugt. Die Veränderung ist auch bei den Kindern bemerkbar, die neu zur Nachhilfe kommen. Viele von ihnen haben schlechte Schulnoten, die Hefte sind unvollständig. “Oft haben die Kinder zu Hause keinen Platz, um die Aufgaben zu machen. Oder niemanden, der ihnen ein bisschen unter die Arme greift. Und die Eltern haben auch kein Geld, um eine Nachhilfelehrerin zu bezahlen”, erklärt er. Im Laufe einiger Wochen integrieren sich diese Kinder in die Gruppe. Sobald sie ankommen, setzen sie sich hin und fangen an, selbstständig ihre Aufgaben zu machen. Und auch in Bezug auf die Umgangsformen passen sie sich an, lernen, bei der Ankunft zu grüßen oder keine Schimpfwörter zu verwenden.

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1. Kunstbiennale von Montevideo

“El Gran Sur” mit Künstlern aus China, Afrika, den USA und Europa

Von Jenny Stern


Unter dem Motto “El Gran Sur” (Der große Süden) wird am 23. November die erste Internationale Biennale zeitgenössischer Kunst in Montevideo, Uruguay, eröffnet. Der Kurator der Veranstaltung, der Deutsche Alfons Hug, organisierte bereits zweimal die Biennale in São Paulo, Brasilien, und die “Bienal del Fin del Mundo” in Ushuaia, Argentinien. Derzeit ist er Direktor des Goethe-Instituts in Rio de Janeiro, Brasilien.

Bis zum 30. März 2013 werden an verschiedenen Orten in Montevideo Werke nationaler und internationaler Künstler gezeigt. Neben den Hauptveranstaltungsorten – darunter die riesige Eingangshalle der Zentralbank (Cerrito 351) und die Kirche San Francisco de Asís – wird sich der Event auch auf die Museen, Kulturzentren, Kunstgalerien und öffentlichen Plätze der uruguayischen Hauptstadt ausweiten. Die Ausstellungen sollen durch Diskussionsrunden, Seminare und Workshops komplementiert werden.

Das Programm der Biennale kündigt die Teilnahme von Künstlern aus China, Afrika, den USA und Europa an. Deutschland ist mit Werken von Gunda Förster, Christian Jankowski, Kitty Kraus, Julian Rosefeldt und Christoph Schlingensief vertreten.

Foto:
Szene aus Julian Rosefeldts “Lonely Planet” (2006).

12. Internationales Jazz-Festival von Buenos Aires

Die Stadt im Jazz-Fieber: Konzerte, Sessions, Filme, Fotoshows

Von Jenny Stern

Sechs Tage mit Konzerten nationaler wie internationaler Jazz-Künstler, Jamsessions, Filmvorführungen und Fotoausstellungen: Vom 21. bis zum 26. November findet das 12. Internationale Jazz-Festival von Buenos Aires statt. Insgesamt sind 285 Veranstaltungen an verschiedenen Orten in der Hauptstadt geplant. Tickets sind online erhältlich (auf der Webseite findet man auch das vollständige Programm) oder direkt in der Casa de la Cultura, Av. de Mayo 575 (Mo-Fr 11-19 Uhr) und im Hard Rock Café, Av. Pueyrredón/Av. del Libertador (Mo-Fr 10-20 Uhr, samstags 12-18 Uhr).

Foto:
Die Schweizer Violinistin Sophie Lüssi spielt am 23.11. um 22 Uhr im Notorious mit Louis Winsberg, Ezequiel Dutil und Hernán Mandelman; und am 25.11. um 16.30 Uhr gratis im Aleph-Auditorium des Centro Cultural Recoleta mit ihrem String Quartet.

Poetisches Meisterwerk

“Las Multitudes” wird vom 15. November bis zum 15. Dezember im Centro Cultural San Martín aufgeführt

Von Susanne Franz


Musik, Poesie, die Weisheit der Älteren und jugendliches Ungestüm sind die Elemente, aus denen Federico Leóns jüngstes Theaterwerk “Las Multitudes” zusammengesetzt ist – dafür hat der junge Theater-Star León 120 Schauspieler auf die Bühne gebracht. Ende Juli 2012 fand im experimentellen Werkstatt-Theater TACEC in La Plata die Weltpremiere des Werks statt. Ende September wurde “Las Multitudes” im Rahmen des internationalen Theaterfestivals “Foreign Affairs” in Berlin gefeiert, neben einigen Argentiniern aus dem Stamm-Ensemble machten dabei auch zahlreiche deutsche Schauspieler mit.

Seit Donnerstag hat nun auch das Publikum in Buenos Aires die Chance, das großartige Stück zu erleben: Bis zum 15. Dezember ist es im Saal A/B des Centro Cultural San Martín (Sarmiento 1551) zu sehen, donnerstags bis sonntags jeweils um 21 Uhr. Der Eintritt kostet 50 Pesos, donnerstags 30.

Kalender / Agenda

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Ausstellungskalender 17/11/2012-24/11/2012

Von Susanne Franz

Am Donnerstag wurde im Cronopios-Saal des Centro Cultural Recoleta die Ausstellung “Recorridos” eröffnet, eine Schau an der Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft, die von der Universität Maimónides organisiert wurde. Bis zum 9. Dezember 2012 kann diese profunde und zugleich sehr unterhaltsame Ausstellung besucht werden, für Schulen werden Führungen angeboten.

Die Exposition umfasst interaktive Installationen, Multimedia, Videokunst, Bio-Art, Lichtkunst, Robotik, Holografie, Skulpturen und Aquarelle und ist zugleich auch eine Hommage an vier argentinische Pioniere auf dem Gebiet der mit Technologie in Verbindung stehenden Konzeptkunst: Gyula Kosice, Marta Minujín, Margarita Paksa und Luis Benedit.

Sehr zu empfehlen!

Heute kann man ab 18 Uhr die Klanginstallation “Nocturno para 7 monocordios” des in Berlin lebenden argentinischen Künstlers Edgardo Rudnitzky erleben: im Auditorium der Fundación Proa (Pedro de Mendoza 1929, Buenos Aires).

Die Ausstellungen der Woche:

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Agenda / Kalender

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Agenda de Muestras 17/11/2012-24/11/2012

Por Susanne Franz

El jueves se inauguró en la Sala Cronopios del Centro Cultural Recoleta “Recorridos”, una muestra de arte en diálogo con la ciencia y la tecnología, producida por la Universidad Maimónides. Se puede visitar hasta el 9 de diciembre 2012.

La exposición surge como resultado del proyecto de investigación de la Universidad Maimónides, que lleva ya 13 años de trabajo y producción de obras, eventos y muestras vinculadas al arte y la ciencia.

La exposición está compuesta por instalaciones interactivas, multimedia, video arte, bio art, arte lumínico, robótica, holografía, esculturas y acuarelas.

Además, “Recorridos” destaca a los artistas pioneros de los años 40 al 70, visionarios como Gyula Kosice, Marta Minujín, Margarita Paksa y Luis Benedit.

¡Muy recomendada!

Hoy, a partir de las 18 hs, se podrá disfrutar de la instalación sonora “Nocturno para 7 monocordios” de Edgardo Rudnitzky, en el Auditorio de la Fundación Proa (Pedro de Mendoza 1929, Buenos Aires).

Las muestras de la semana:

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“Una segunda oportunidad”

Ocho grandes films en la Sala Leopoldo Lugones


El Complejo Teatral de Buenos Aires y la Fundación Cinemateca Argentina han organizado una muestra denominada “Una segunda oportunidad”, integrada por ocho grandes films de los últimos años, que por su calidad, su vuelo poético y por los premios internacionales que cosecharon merecen volver a verse en las mejores condiciones de proyección. El ciclo se llevará a cabo del martes 13 al martes 20 de noviembre, en la Sala Leopoldo Lugones del Teatro San Martín (Av. Corrientes 1530, Buenos Aires).

Foto:
“Copie conforme”.

Agenda completa:

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Klingende Kunst

Goethe-Institut Buenos Aires bringt Kagels “Zwei-Mann-Orchester” nach Argentinien


Im Rahmen des vom San Martín-Theater und dem Teatro Colón organisierten und von Martín Bauer koordinierten 16. “Zyklus Zeitgenössischer Musik”, der seit dem 28. Oktober und bis zum 30. November 15 hochkarätige Konzerte mit neuer Musik im Programm hat, wird dank einer Initiative des Goethe-Instituts Buenos Aires das “Zwei-Mann-Orchester” von Mauricio Kagel zum ersten Mal in Lateinamerika zu erleben sein: am 16., 17. und 18. November im Bicentenario-Saal des Teatro Colón und im Anschluss in Rosario und Córdoba.

Als “unselbstständiges Automatophon” bezeichnete Mauricio Kagel (1931-2008) das “Zwei-Mann-Orchester für zwei Ein-Mann-Orchester” (1971-73), das zweifellos zu den merkwürdigsten und zugleich originellsten Stücken der neuen Musik zählt. Kagel und die Spieler Wilhelm Bruck und Theodor Ross überraschten das perplexe Publikum der Donaueschinger Musiktage bei der Uraufführung 1973 mit einer undurchschaubaren Klangmaschine monumentaler Größe, gefügt aus über 200 abgelegten, ramponierten, gar defekten Instrumenten und dysfunktionalen Klangerzeugern. Zum Klingen gebracht wurde sie von der kleinsten Besetzung, die noch Zusammenspiel erlaubt, mit Schnüren, Stangen, Hebeln und allerlei anderen Bewegungselementen. Das Orchester als traditionell zentraler Klangkörper des renommierten Festivals, in dessen Auftrag Kagel das Werk ausarbeitete, spiegelte sich selbst in einer zur klingenden Kunst gewordenen Karikatur.

Die Spieler dieser ersten Fassung, Wilhelm Bruck und Theodor Ross, stellten 1992, anlässlich der Documenta IX, eine neu gebaute, zweite Fassung der Orchestermaschine ins Foyer des Kasseler Staatstheaters, wo sie fast zwei Jahre lang stand und regelmäßig gespielt wurde.

2011 wurde in Basel eine neue, dritte Fassung in einer Kooperation der Paul Sacher Stiftung, der Hochschule für Musik Basel und dem Museum Tinguely realisiert. Wilhelm Bruck stand als Partner diesmal der Schlagzeuger und Multiinstrumentalist Matthias Würsch (Basel, Schweiz) zur Seite.

Das Goethe-Institut Buenos Aires bringt nun das “Zwei-Mann-Orchester” in der Basler Fassung mit der Besetzung Wilhelm Bruck und Matthias Würsch nach Argentinien: am 16., 17. und 18. November ins Teatro Colón, anschließend ins Centro Cultural Parque de España (Rosario) und ins Centro Cultural General Paz (Córdoba).

Als Rahmenprogramm finden Workshops und Gespräche mit Studenten und dem Publikum statt, darunter ein Praxisseminar von Wilhelm Bruck über Mauricio Kagels Acustica an der Universidad de Quilmes und mit Schülern der Initiative des Auswärtigen Amts “Schulen – Partner der Zukunft”, Solo-Konzerte von Matthias Würsch mit experimentellen Werken von Schweizer Komponisten, sowie ein Gastvortrag über “Mauricio Kagels Theater der Instrumente” vom Musikwissenschaftler Matthias Kassel, Kurator der Sammlung Mauricio Kagel an der Paul Sacher Stiftung.

Infos über Tournee und Rahmenprogramm auf der Webseite des Goethe-Instituts. Infos über den “Ciclo de Música Contemporánea” auf der Webseite des Teatro Colón oder des San Martín-Theaters.

Foto:
Bühnenaufbau im Museum Tinguely, Basel, 30. April 2011.
(Foto: Ute Schendel)

Vortrag über dOCUMENTA 13 in Buenos Aires

Panorama der dOCUMENTA 2012 im PAC-Zyklus

Die Kunstkritikerin Valeria González hält am Dienstag, dem 13. November, um 19 Uhr, einen Vortrag über die 13. dOCUMENTA, die vom 9. Juni bis 16. September 2012 in Kassel stattgefunden hat. Die Veranstaltung läuft im Rahmen des Vortragszyklus PAC (Prácticas Artísticas Contemporáneas, Zeitgenössische Künstlerische Herangehensweisen), der von der Galerie Gachi Prieto organisiert wird. Infos und Anmeldung: proyectopac@gmail.com oder Tel.: 4774-6961. Adresse: Teniente Gral. Juan D. Perón 2189, Klingel “A” oder “B”, Balvanera, Buenos Aires.

dOCUMENTA-Vorbericht in “Kunst in Argentinien” vom 9. April 2012 hier.

Über Faulheit

Sind wir auf dem Weg in die Hirnlosigkeit?

Von Friedbert W. Böhm

Die Faulheit ist eine große evolutionäre Errungenschaft. Faulheit ist der umgangssprachliche Ausdruck für effiziente Energienutzung. Ein Grasfresser auf einer saftigen Wiese, der ständig umherrennt, um eine noch saftigere zu finden, verbraucht mehr Energie als er aufnimmt und fällt vom Fleisch. Gleiches gilt für ein Raubtier, das jedem potenziellen Beutetier nachjagt, statt sich auf die langsamen, kranken und alten zu konzentrieren. Im Kampf ums Dasein haben Energiesparer Vorteile gegenüber Verschwendern.

Allerdings reicht Faulheit allein für den Erfolg nicht aus. Bei Dürre müssen die Grasfresser weit wandern, um etwas Fressbares zu finden, und sie müssen wissen, wohin. Und die Raubtiere müssen ihnen folgen, neue Taktiken für die Jagd entwickeln oder sich von Rehen auf Mäuse umstellen. Die Ergänzung der Faulheit ist Kreativität, Leistungsbereitschaft, Erfahrung. Man kann auch Intelligenz dazu sagen. Deshalb sind junge Tiere nicht faul. Wenn sie nicht schlafen oder fressen, tollen sie herum, spielen, ringen. Sie üben Körper und Hirn in Fertigkeiten, die sie später in Zeiten widriger Lebensumstände brauchen werden.

Wenn Intelligenz die mühsam eingeübte zeitweilige Überwindung von Faulheit ist, dann zeugt die Abwesenheit solcher Überwindung notwendigerweise von – Dummheit. Dumme Tiere überleben nicht. Sie verhungern oder werden gefressen.

Wir Menschen sind Meister in der Umgehung oder Verringerung widriger Lebensumstände. Wenn es kalt ist, bekleiden wir uns und machen Feuer. Wenn es regnet, gehen wir unters Dach. Um nicht mühsam wilde Körner und Knollen zu suchen oder einen Braten zu erjagen, haben wir Ackerbau und Viehzucht erfunden. Reitpferd und Ochsenpflug verdanken wir Faulpelzen. Leute, welche die Arbeit lieben, hätten fortgefahren, zu laufen und mit dem Grabstock zu schwitzen. Seit Zug, Auto und Waschmaschine könnten wir uns im Grunde jedes körperliche Training ersparen. Wir überleben auch so; ein Triumph der körperlichen Faulheit.

Dass es uns trotzdem noch gibt, haben wir unserem Hirntraining zu verdanken. All die Vorrichtungen und Methoden, die unsere Muskeln entlasten, sind Ergebnisse scharfer Beobachtung, konzentrierten Nachdenkens und einer langen Kette von Versuchen und Misserfolgen. Es versteht sich von selbst, dass dieses Hirntraining bei Erfindern, Entwicklern, Produzenten, Verteilern erheblich intensiver war und ist als beim Rest von uns.

Immerhin waren die Produkte und Methoden zur Lebenserleichterung bisher so unvollkommen, dass es für unser Normalhirn noch allerlei zu leisten gab. Manche der Produkte waren zu teuer, manche der Methoden zu kompliziert, um ihren Nutzen zu rechtfertigen. Oft war etwas zu reparieren oder zur Reparatur zu tragen. Viele Arbeits- und Lebensbereiche waren nicht systematisiert oder automatisiert, so dass man, wenn man intelligent war, seinem Hirn eigene Lösungen abringen musste. Das klappte, wenn das Hirn trainiert, also nicht von Faulheit infiziert war.

Neuerdings jedoch befreit uns die Technik täglich von neuen Anforderungen ans Hirn. Artefakte werden nicht mehr repariert, sondern ausgetauscht. Auswahl und Einkauf erfolgen online. Am Arbeitsplatz sind wir der Mühe enthoben, Probleme zu analysieren und zu lösen. Wir brauchen nur noch im System die passende vorgefertigte Lösung zu suchen und auszudrucken. In den USA verkehren bereits Autos, die ohne Fahrer auskommen (oder mit einem, der mit dem Beifahrer Karten spielt und Bier trinkt). Die Elektronikindustrie zeigt stolz den Zukunftshaushalt, in dem man einem Sensor mündlich den Auftrag erteilt, die Temperatur zu verändern, diese oder jene Leuchte an- oder auszuschalten oder dem Roboter zu befehlen, die Küche zu wischen. Spielen findet immer seltener im Garten, auf der Straße oder am Bach statt, sondern an der Spielkonsole.

Wir bilden uns ein, intelligent zu sein, wenn wir die Handhabung des neuesten iPhones schnell begreifen. Dabei vergessen wir, dass dies nur eine winzige Fortentwicklung unserer jahrealten Routine im Umgang mit elektronischen Spielzeugen ist. Darauf sollten wir uns genau so wenig einbilden wie ein auf der faulen Haut liegender Hund es darf, der den neuen Postboten genauso anbellt wie dessen Vorgänger.

Wir bekommen immer weniger gelehrt, noch werden wir angehalten zu lernen, wie mit unvorhergesehenen Situationen umzugehen sei. Unser Hirntraining beschränkt sich zunehmend darauf, wie jene immer neuen, von Anderen vorgesehenen, Problemlösungen umzusetzen sind. In der Entwicklung unserer Intelligenz sind wir derart auf vorgegebene technische Dinge fokussiert, dass wir den wesentlichen Veränderungen in unserer Umwelt, die unser künftiges Leben und das unserer Nachkommen betreffen, kaum noch Aufmerksamkeit schenken. Die Politik verstehen wir nicht mehr oder verachten sie. Bevölkerungsexplosion, Klimawandel und Artensterben empfinden wir als bedrohlich, halten uns jedoch für außerstande, etwas zur Besserung beizutragen.

Das Symbol der körperlichen Faulheit ist die verbreitete Fettleibigkeit. Wollen wir wirklich, dass es demnächst durch das Symbol der massiven Magerhirnigkeit ergänzt wird?

Hohes Niveau, erschwingliche Preise

Neue Kunstmesse EGGO bis Sonntag im Centro Cultural Recoleta

Von Susanne Franz


Ein exquisites Farbenmeer, wohin das Auge reicht: Über 1000 Werke von 300 Künstlern haben 50 Galerien aus der Hauptstadt Buenos Aires und dem Landesinneren bei der neuen Kunstmesse EGGO im Angebot, die am Mittwochabend im Centro Cultural Recoleta eröffnet wurde. Der Veranstalter – der argentinische Galeristenverband AAGA – hatte großes Glück: Während fast überall in der Stadt ein über zweistündiger Stromausfall alles lahmlegte, waren im Centro Cultural Recoleta die Lichter an – und auch die Klimaanlagen funktionierten, nach einem Tag mit 35 Grad eine Wohltat. So viele Menschen kamen zur Eröffnung, dass man auf den Gängen zwischen den Sälen im Erdgeschoss des Kulturzentrums kaum vorwärtskam.

Mittags durften einige Pressevertreter schon einmal über die Messe laufen, als letzte Galerien wie Carla Rey, die besonders viel Mühe und Liebe in die Präsentation ihrer Künstler steckte – u.a. sind Silvana Blasbalg und Ana Lía Werthein dabei -, noch mit dem Aufbau beschäftigt waren.

Der allgemeine Eindruck ist sehr positiv, die Qualität der Werke – in der Hauptsache Gemälde, Fotografien, Graphiken, Zeichnungen und Skulpturen – von ausgesuchter Qualität. Viele Galerien sind der Empfehlung der Veranstalter gefolgt und haben Preisschilder neben die Werke gehängt, denn EGGO will eine Messe sein, die Berührungsängste abbaut und die jedem Kunstliebenden ermöglichen soll, seine eigene Sammlung zu starten oder mit Kunst sein Leben zu verschönern. Oft würden sich die Leute ja kaum trauen zu fragen, da sie exorbitante Preise erwarteten, sagt Alejandra Laurenzi, Chefin der Galerie C-Arte und eine der Organisatorinnen, die im Saal J neun vielversprechende Künstler präsentiert.

Ein aus unterschiedlich großen, asymmetrischen Teilen zusammengesetztes farbenfrohes Wandgemälde von Luisa Freixas kostet hier 25.000 Pesos – das ist das Preislimit, das die Veranstalter für 70 Prozent der auf der EGGO angebotenen Werke angesetzt haben. Laurenzi verkauft das Werk aber auch in günstigeren Einzelteilen. Bei C-Arte kann man auch schöne Werke aus der Serie “Caldo” von Alejandro Scasso erwerben, einem argentinischen Künstler, der lange Zeit in Köln gelebt hat und der jetzt wieder in Buenos Aires von sich reden macht.

Im großen Cronopios-Saal neben dem Saal J haben renommierte Galerien Platz gefunden, die auch schon mal Werke im höherstelligen Bereich im Angebot haben, etwa Skulpturen von Bastón Díaz (bei Álvaro Castagnino). Bei Sasha D. stehen einige kleinere Skulpturen von Hernán Dompé und einige sehr schöne Werke von Maestro Miguel Dávila, dem Vaters des Galeristen aus Córdoba, zum Verkauf. Auch Marcial Sarrias ist mit seiner Galerie Empatía zugegen und hat beeindruckende Gemälde etwa von Fernanda Piamonti oder Werke von Benavídez Bedoya im Angebot.

Auf der anderen Seite, im “Espacio Historieta”, zeigt “En-Siendo”, eine “Nomaden-Galerie”, zum Beispiel Backlights des Fotografen Matías Ascariz, Künstlername “Go-mero”: Kleine beleuchtete Kästen mit zwei sich überlagernden Fotografien – eine Naturaufnahme und ein Bild eines Körperteils -, die einen Augenblick des Verschmelzens von Mensch und Natur suggerieren. 1000 Pesos ist der Preis für eines dieser Werke.

Im Saal 6 hat eine Kooperative junger Galerien aus Mendoza – Phi, Unísono und A+A – interessante Künstler aus der argentinischen Provinz mitgebracht. Bei Phi etwa zeigt die Galeristin und Künstlerin Leticia Rossi außergewöhnliche Farb-Lithos, die auf Fotografien von Werken der Bildhauerin sowie Gegenständen aus ihrer Kindheit basieren.

Überall wird der Besucher freundlichst empfangen – von den Galeristen, die in ihrem Fach zu Hause sind und ihre Künstler kennen und verstehen, oder auch von den Künstlern selbst, die vom Entstehungsprozess ihrer Werke berichten oder wie der nordamerikanische Fotograf Darin Wixon (bei der Galerie POPA) einladen, sich eine kleine Botschaft aus einer Reihe Zettel zu ziehen, die er in einer Büchse vor seine Fotografien gestellt hat – und schon ist man im Gespräch.

Auf diese offene Atmosphäre bezog sich auch Galerist und Organisator Sasha Dávila, als er in einer kurzen Ansprache an die Presse den ganz speziellen Ort hervorhob, an dem EGGO stattfindet: “Hier im Centro Cultural Recoleta fühlen wir uns alle zu Hause.”

Am heutigen Samstag, 10.11., findet EGGO bei freiem Eintritt im Rahmen der “Langen Museumsnacht 2012” statt, von 19-03 Uhr (mit vielen Extra-Veranstaltungen wie Performances, Konzerten etc.). Morgen, 11.11., ist der letzte Messetag, mit “normalen” Öffnungszeiten von 14-21 Uhr und einem Eintrittspreis von $30.-, ermäßigt $20.- Pesos.

  • Centro Cultural Recoleta
  • Junín 1930, Buenos Aires
  • EGGO-Webseite

Foto:
Alejandro Scasso, “Serie Caldo”, Mischtechnik und Collage auf Papier, 30 x 42 cm.