Ein Behördengang in Argentinien gleicht einem Ausflug nach Absurdistan
Von Friedbert W. Böhm
In den Neunzigern des vorigen Jahrhunderts schien sie in Argentinien ankommen zu wollen. Über seinen PC konnte man plötzlich auch mit der Bank verkehren. Daueraufträge wurden möglich. Statt alle zwei Monate – oder jeden – mit der Rechnung für Strom, Gas, Wasser, Telefon, Immobiliensteuer usw. zur nächsten Zahlstelle zu pilgern, Schlange zu stehen, einen missmutigen Beamten unterwürfig um Annahme der Zahlung zu bitten, drückte ich auf ein paar Tasten und die Daueraufträge waren online erteilt. Hosanna!
Vor etwa einem Jahr kam eine neue Rechnung für Immobiliensteuer der Provinz Buenos Aires dazu. Ich drückte ein paar Tasten und hielt die Sache für erledigt. Doch die Rechnungen beharrten darauf, bar bezahlt zu werden. Hatte vielleicht jemand auf der Online gesessen?
Ich versuchte es mit der Hotline, die, wie die häufigen Prospekte meiner Bank, immer wieder versichern, unverzüglich jegliches Problem zu lösen. Als die Hotline irgendwann etwas weniger heiß, also frei war, sagte mir eine nette Dame, mein Dauerauftrag sei entgegengenommen und unter Nummer sowieso registriert. Allerdings würde es ein oder zwei Monate dauern, bis er funktionierte.
Nach drei Monaten kroch ich wieder durch die Hotline, wie lange das noch dauern würde. – Kannitverstan, nichts registriert. Eine neue Dame gab mir eine neue Registriernummer.
Weitere drei Monate später und aller digitalen Medien müde, schickte ich der Bank einen altmodischen Einschreibebrief mit dem geschilderten Sachverhalt. Diesmal musste ich nur einige Wochen warten, bis ein netter Herr mir telefonisch mitteilte, dass mein Dauerauftrag von der Steuerbehörde nicht akzeptiert worden sei.
Die Behörde ist eine halbe Stunde von meiner Wohnung entfernt, grüne Welle vorausgesetzt. Ich hatte die Steuerrechnung, meinen Personalausweis und die Kontobezeichnung bei mir. Und die CBU?, wurde ich gefragt. CBU ist die Identifikationsnummer jedes Kontos im Finanzsystem. Sie hat 22 Stellen und ich wusste sie nicht auswendig.
Bei meinem nächsten Besuch im Steueramt hatte ich die CBU sauber aufgeschrieben und dreimal geprüft. Aber doch nicht so!, hörte ich, Sie müssen einen ordentlichen schriftlichen Antrag einreichen und Fotokopie Ihres Personalausweises beifügen!
Solch einen ordentlichen und vollständigen Brief wie den, den ich bei meinem dritten Besuch vorlegte, hatte das Amt gewiss noch nicht gesehen. Es fehlt aber die CBU! Siegessicher wies mein Finger auf die Nummer mit den 22 Stellen. Aber Nein! Die Nummer muss auf einem Formular der Bank eingereicht werden, mit deren Stempel und Unterschrift! Nun wurde mir endlich ein Zettel überreicht, auf dem alle Vorbedingungen für die Entgegennahme eines Dauerauftragsgesuchs spezifiziert waren.
Meine Bank – eine private, internationale – liegt in der City, eine dreiviertel Autostunde entfernt (manchmal kann es auch eineinhalb Stunden dauern). Sie hat aber eine Filiale in meiner Nähe, nur 10 Minuten Fußweg. Dort müsste es eigentlich auch einen Stempel und eine Unterschrift geben, dachte ich.
Ja gewiss, wurde mir gesagt, aber nur für die Kunden dieser Filiale.
Etwas unwirsch geworden, sandte ich ein Mail an die Hauptstelle der Bank. Dies hatte zur Folge, dass die Filiale bei meinem nächsten Besuch Stempel und Unterschrift riskierte.
Nun hatte ich alle Unterlagen zusammen. Nach einer Dreiviertelstunde Wartezeit lieferte ich diese bei meinem vierten Besuch im Amt ab und bat um einen Empfangsstempel auf meinem Anschreiben. Nicht so schnell!, wurde mir gesagt. In höchstens einer weiteren halben Stunde hatte der Beamte alle Dauerauftragsdaten ins System eingegeben. Er druckte sie aus und ließ mich die Verantwortung für die Richtigkeit durch unterschriftliche Bestätigung übernehmen.
Und nun hoffe ich, bald wieder in der Schönen Neuen Welt anzukommen. Hosanna!
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Dauerauftrag, was ist das denn? Die meisten argentinischen Rentner müssen jeden Monatsanfang bei der Bank Schlange stehen.