“Wer später geboren wird, erinnert sich nicht mehr”

Virtuelles Exil-Archiv bietet Biografien verfolgter Künstler und Intellektueller

Von Florian Kraupa

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Peter Gorlinsky in der Tageblatt-Redaktion.

“19. April 1933: Emigration in die Schweiz; Niederlassung in Zürich, Sommeraufenthalt in Ascona, von Freunden unterstützt.” So beschreibt www.exil-archiv.de, das virtuelle Zentrum der Verfolgten Künste, den Moment, als die deutsche Schriftstellerin Else Lasker-Schüler vor den Nationalsozialisten ins Exil fliehen musste. Neben einer umfangreichen Biografie Else Lasker-Schülers finden sich in diesem Online-Archiv über 1250 Biografien von Schriftstellern, Künstlern, Schauspielern, Journalisten und anderen Intellektuellen aus über 40 Ländern wieder, die im Gegensatz zu ihrer jeweiligen Staatsmacht standen oder stehen.

Auch Peter Gorlinsky, der 1938 aus Deutschland nach Uruguay floh und später die Redaktion des Argentinischen Tageblatts leitete, ist in der Liste vertreten. Gorlinsky – 1912 bei Kiew geboren – übersiedelte in den 1960er Jahren von Montevideo nach Buenos Aires und übernahm beim Tageblatt eine Stelle als Korrektor. Nur drei Wochen später stieg er zum Chefredakteur auf, auch aufgrund seines journalistisches Engagements für Emilie Schindler, die Frau des Judenretters Oskar Schindler, auf deren desolate Existenz in Argentinien er mit seinem Artikel “Und was ist mit Mutter Courage?” aufmerksam machte.

Gorlinskys Biographie wird durch Originaltonmaterial ergänzt.

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Wechselvolle Geschichte

Das Argentinische Tageblatt

Von Stefan Kuhn

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So manch einer ist überrascht, wenn ihm an argentinischen Zeitungskiosken ein in gotischen Lettern gedruckter deutscher Titel ins Auge springt. Neben der spanischsprachigen Presse und einer Tageszeitung in Englisch erscheint in Buenos Aires seit 117 Jahren das Argentinische Tageblatt. Der Name täuscht etwas, denn seit fast 25 Jahren informiert das “Tageblatt” nur noch wöchentlich in deutscher Sprache über Politik, Wirtschaft und Kultur.

Das Argentinische Tageblatt wurde 1889 von dem Schweizer Auswanderer Johann Allemann zusammen mit seinen Söhnen Theodor und Moritz gegründet. Der liberale Journalist Alemann (das zweite “l” ließ er aus Gründen der argentinischen Aussprache streichen) war Anfang der 70er-Jahre ins Land gekommen und gab schon seit 12 Jahren in Buenos Aires eine erfolgreiche Wochenzeitung heraus.

Das Tageblatt war damals neben englischen, französischen, italienischen und anderen deutschen Blättern eine von vielen fremdspachigen Einwandererzeitungen. Heute ist es neben dem Buenos Aires Herald das letzte Relikt dieser Epoche der argentinischen Geschichte.

Internationale Beachtung fand das Argentinische Tageblatt in den 30er- und 40er-Jahren des 20. Jahrhunderts, als der damalige Herausgeber Ernesto Alemann, ein Enkel des Gründers, es zu einem Sprachrohr des Exils und einer Waffe gegen den Nationalsozialismus machte.

Alemann hatte während der Kaiserzeit in Deutschland studiert und in München sein journalistisches Handwerk erlernt. Er gewann namhafte Autoren für die Zeitung, aus Berlin schrieb der spätere Bundespräsident Theodor Heuss, aus München Hans Christian Bry, ein Literat, der frühzeitig die Gefahr des Nationalsozialismus erkannte. Alemann selbst arbeitete nach seiner Rückkehr als Argentinienkorrespondent für das renommierte Berliner Tagblatt.

Schon zu Zeiten der Weimarer Republik vertrat das Argentinische Tageblatt eine bedingungslos demokratisch-liberale Position und handelte sich damit Ärger mit großen Teilen der deutschen Gemeinschaft in Argentinien ein. Diese vorwiegend deutschnationalen Kreise sahen sich mehr vom Konkurrenzblatt, der Deutschen La Plata Zeitung, vertreten. Nach der “Machtergreifung” der Nationalsozialisten und der “Gleichschaltung” vieler deutscher Organisationen und Institutionen in Argentinien führte Alemann mit allen publizistischen Mitteln einen Kampf gegen das Hitler-Regime. Die Gegenreaktionen der “völkischen” deutschen Kreise in Argentinien ließen nicht auf sich warten. Von der deutschen Botschaft angestrengte Prozesse oder Anzeigen-Boykotte von deutschen Unternehmen hielten Alemann nicht von seinem Kurs ab. Die Aktionen der Gegenseite hatten mitunter auch handfesten Charakter. Tageblatt-Redakteure wurden überfallen und verprügelt, es gab einen Brandanschlag gegen die Zeitung.

In Deutschland wurde das Tageblatt schon im April 1933 verboten und Redakteure ausgebürgert. Ernesto Alemann versuchte man zu schmähen, indem man ihm seinen in Heidelberg erworbenen Doktortitel aberkannte. Alemann nahm das publizistisch humorvoll und der Zeitung schadete es wenig. Politische Flüchtlinge aus Deutschland und Österreich, zehntausende deutschsprachige Juden fanden im Tageblatt nicht nur unzensierte Lektüre in ihrer Muttersprache, sondern viele auch einen Arbeitsplatz.

Während in Deutschland Kultur und freie Meinungsäußerung ihren Niedergang fanden, konnte man im Argentinischen Tageblatt Artikel der Creme der Weimarer Literaten und Journalisten lesen. Artikel von Lion Feuchtwanger, den Gebrüdern Mann, Alfred Kerr und Manfred George wurden veröffentlicht. Stefan Zweig und Albert Einstein gratulierten dem Tageblatt im April 1939 zum 50. Geburtstag.

Nach dem 2. Weltkrieg geriet die Zeitung in Konflikt mit der peronistischen Regierung. Das Perón-Regime mit seiner Anlehnung an faschistische Traditionen war dem linksliberal eingestellten Alemann ein Gräuel. Die Peronisten reagierten hart. Anfang der 50er-Jahre wurde das Tageblatt zwei Monate lang verboten.

Die Zeitung überstand dennoch alle Schikanen und Anfeindungen. Selbst das 1946 entstandene deutschnationale Konkurrenzblatt, die Freie Presse, musste nach gut dreißig Jahren die Segel streichen, obwohl es von der deutschen Nachkriegsauswanderung mehr als das Tageblatt profitiert hatte.

1981, ein Jahr vor dem Tod Ernesto Alemanns, wurde das Argentinische Tageblatt in eine Wochenzeitung umgewandelt. Das zurückgehende Anzeigenaufkommen und die stagnierende Einwanderung ließen der Verlagsleitung keine andere Wahl. Seither erscheint die Zeitung jeden Samstag. 1993 verkaufte der Verlag seine antiquierte Druckerei und den Verlagssitz und beschränkte sich ausschließlich auf die Herausgabe des Argentinischen Tageblatts. Seit dem 1. Januar 2000 erscheint die Zeitung im handlichen Kleinformat und mit Farbseiten. Der Verlag kam damit einem in einer Umfrage ausgesprochenen Wunsch der Leser nach.

Heute wird das Argentinische Tageblatt von Roberto T. und Juan E. Alemann, den Urenkeln des Gründers, herausgegeben. Die Herausgeber sind renommierte Wirtschaftsexperten, Roberto Alemann war in zwei Regierungen Wirtschaftsminister, Juan Alemann Staatssekretär für Finanzen. Sie stehen für die Qualität des Wirtschaftsteils der Zeitung. Seit sieben Jahren ist das Tageblatt auch im Internet präsent. Unter www.tageblatt.com.ar gibt es jeden Dienstag im pdf-Format die neuesten Nachrichten aus Wirtschaft, Politik, Kultur und Sport in Argentinien.

Die Redaktion besteht heute aus in Deutschland ausgebildeten Journalistinnen und Journalisten. Sie und Praktikanten aus deutschsprachigen Ländern sorgen dafür, dass das Argentinische Tageblatt auch nach 117 Jahren eine anspruchsvolle Mischung aus aktuellen Nachrichten, Hintergrundberichten, Kulturinformationen, Veranstaltungshinweisen, Unterhaltung und Berichten aus dem deutschen Vereinsleben in Argentinien enthält.

Von Klezmer bis Tango

AMIA startet aktuellen Kammermusikzyklus

Von Florian Kraupa

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Das Duo Falú-Moguilevsky macht den Anfang.

“Wir wollen kulturelle Vielfalt musikalisch erlebbar machen”, beschreibt der künstlerische Leiter Mario Benzecry das Ziel des “Ciclo de Música de Cámara 2007”. Bereits zum siebten Mal lädt die Asociación Mutual Israelita Argentina (AMIA) alle Musikinteressierten zu ihren Kammermusik-Konzerten ein, bei denen die verschiedensten Genres vertreten sind. Der Akzent liegt nach Aussagen des Maestros aber auf der klassischen Musik.

Die dreizehn Konzerte umfassende Reihe beginnt am Dienstag (27.3.) das Duo Falú-Moguilevsky mit Improvisationen über argentinische Folkloremusik. Die beiden Musiker repräsentieren die arabische und die jüdische Gemeinschaft.

Das Streichquartett “Vivace” wird Werke von Mozart, Boccherini, Beethoven und Schostakowitsch zur Aufführung bringen (5.5.). Das Ensemble “Los Arroyeños” bietet im Mai wieder argentinische Folklore-Musik (29.5.).

Der “Coro Polifónico Nacional de Ciegos” feierte diesen Februar seinen 60. Geburtstag. Im Rahmen des Kammermusikzyklus tritt er am 5. Juni auf. Die international ausgezeichnete, uruguayische Pianistin Raquel Boldorini wird das Publikum mit Stücken von Haydn, Beethoven, Debussy und Falla verzaubern (26.6.).

Mozart, Beethoven, Bloch und Grieg spielen Rafael Gíntoli (Violine) und Paula Peluso (Klavier) am 24. Juli. Die argentinische Sopranistin Eleonora Noga Alberti vereint in ihrem Konzert sephardische und klassische Musik mit Stücken der musikalischen Komödie (31.7.). Einen Ausflug in die französische Kammermusik unternimmt das Trio mit Stella Maris Marrello (Flöte), Carlos Céspedes (Klarinette) und Celina Lis (Klavier) am 14. August.

Seit über 20 Jahren bilden César Lerner und Marcelo Moguilevsky das internationale Duo “Klezmer en Buenos Aires”. Ihr Können präsentieren sie dem Publikum am 4. September. “La Banda Sinfónica de Ciegos”, das einzige Sinfonieorchester mit blinden Musikern weltweit, wird einen kleinen Ausschnitt aus seinem mehr als 300 Stücke umfassenden Repertoire vorstellen (18.9.). Werke argentinischer Komponisten aus verschiedenen Epochen bietet die Gruppe “ArgentMúsica”, die Estela Telerman leitet (23.10.). Im November widmet die Sopranistin Lloica Czackis ihr Programm der Folklore der aschkenasischen Juden (13.11.). Den Abschluss macht am 4. Dezember das nationale Tango-Orchester “Juan de Dios Filiberto”.

Die Konzerte beginnen jeweils um 20 Uhr im Auditorium in der Zentrale der AMIA, Pasteur 633. Der Eintritt ist kostenlos. “Wir wollen, dass jeder teilnehmen kann. Das vielfältige Programm schließt keinen Geschmack aus. Und deshalb sollen auch weder die religiöse Zugehörigkeit noch ein Eintrittsgeld dem Konzertbesuch im Wege stehen”, erklärt Benzecry.

Kino der Vielfalt

IX. Festival des Unabhängigen Films in Buenos Aires

Von Susanne Franz

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“Mit großer Befriedigung” kündigte Stadtchef Jorge Telerman (Mitte) das Festival an. Links Silvia Fajre, rechts Fernando Martín Peña.

Gute Nachrichten für die Liebhaber der Filmkunst: Vom 3. bis 15. April findet in Buenos Aires zum 9. Mal das Independent-Kinofestival mit Filmen aus über 20 Ländern statt. Stadtregierungschef Jorge Telerman, Kultursekretärin Silvia Fajre und Festivaldirektor Fernando Martín Peña kündigten das IX. “Buenos Aires Festival Internacional de Cine Independiente” (BAFICI) am Freitag vergangener Woche auf einer Pressekonferenz an.

Im offiziellen Wettbewerb treten 20 Streifen gegeneinander an, darunter drei argentinische Filme und ein deutscher: “The Unpolished” (2007) von Pia Marais. Für die 10 Filme im argentinischen Wettbewerb winken in diesem Jahr zwei Preise: der für den besten Regisseur (10.000 Pesos) und ein Förderpreis von 150.000 Pesos. Eine der weiteren vielen Neuerungen des Festivals: In der Sektion “Cine del Futuro” (Kino der Zukunft) wird erstmals auch ein Preis für den besten Film vergeben – von einer Jury aus Kritikern unter 30. Damit sollen auch die jungen Stimmen in der Kritik zu Wort kommen, so Festivalleiter Peña.

Das Festival bietet in diesem Jahr nicht nur den traditionellen Treffpunkt im Abasto-Shopping tagsüber, wo Filmfans sich austauschen können, sondern auch einen nächtlichen “Meeting Point” im ehemaligen Kaufhaus Harrod’s (Eingänge in den Straßen Florida, Córdoba und San Martín). Hier ist allabendlich von 18-02 Uhr auch richtig gute Live-Musik zu hören, darunter Rosario Bléfari oder Dani Umpi.

Ein besonderer Leckerbissen ist ein Stummfilm mit Live-Musik – aber ein moderner des kanadischen Kultregisseurs Guy Maddin: “Brand Upon the Brain!” wird am 10. April im Teatro Coliseo aufgeführt.

Über das hochinteressante Programm kann man sich ab dem 3. April auf der Internetseite des Festivals informieren. Die Eintrittskarten zu den Vorstellungen, die im Abasto, im Malba, im Leopoldo-Lugones-Saal, der Alianza Francesa, dem Centro Cultural Rojas und den Kinosälen Atlas Santa Fe 1 und 2 und General Paz 1 und 2 stattfinden, kosten 6 Pesos (für Studenten und Rentner 4 Pesos) und sind für fast alle Säle ab dem 29. März im Vorverkauf erhältlich (im Hoyt’s General Cinema Abasto, 11-23 Uhr; telefonisch mit Kreditkarte unter 4319-2999).

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Rege Beteiligung an der Pressekonferenz im Theater San Martín.

Musikalische Zeitreise

Hanna Schygullas musikalische Lebensreise im Teatro Coliseo

Von Susanne Franz

Hanna4.jpg„Als ich ein kleines Mädchen war, mit langem, goldenem Haar…“ – so nahm die durch die Filme Rainer Werner Fassbinders weltberühmt gewordene deutsche Schauspielerin Hanna Schygulla am vergangenen Samstag im voll besetzten Teatro Coliseo ein begeistertes Publikum mit auf eine musikalische Reise durch ihr Leben. Dabei entpuppte sie sich als begnadete Geschichtenerzählerin mit einschmeichelnder Stimme und unglaublich wandlungsfähige Sängerin.

Die Fassbinder-Muse erzählte in ihren äußerst persönlichen, oft schon Geständnissen gleichkommenden Lebenserinnerungen, dass sie sich erst nach Jahrzehnten ihren Traum erfüllt habe, Sängerin zu werden. Der intime Akzent der Show “Mi vida – una biografía musical” geriet nie zu Gefühlskitsch, dafür sorgte vor allem das exakte Timing von Erzählungen und Gesangseinlagen. Die gekonnten Darbietungen von Kinderliedern, Schlagern, Brecht- oder Fassbinder-Liedern, unvergesslichen Piaf-Chansons, Rock- und Folksongs, Jazzigem und Lateinamerikanischem und die hervorragende Begleitung durch den Pianisten Stephan Kania, der die Schygulla hier und da auch gesanglich unterstützte, stellten auch den anspruchsvollsten Musikliebhaber zufrieden.

Hanna Schygulla war mit ihrem Repertoire zuvor in Mar del Plata bejubelt worden, wo sie als Stargast des Internationalen Kinofestivals auch einen eigenen Film vorstellte.

Erschienen im “Argentinischen Tageblatt” vom 17.3.07.

La “Quincena de los Realizadores” del Festival de Cannes en Buenos Aires

13 films en la Sala Leopoldo Lugones (en su 40º aniversario)

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“Fantasma” de Lisandro Alonso.

El Complejo Teatral de Buenos Aires y la Fundación Cinemateca Argentina, con el auspicio y la colaboración del Servicio de Acción Cultural de la Embajada de Francia, han organizado un ciclo denominado “La Quincena de los Realizadores” del Festival de Cannes en Buenos Aires, que se realizará del lunes 19 de marzo al domingo 1º de abril en la Sala Leopoldo Lugones del Teatro San Martín (Avenida Corrientes 1530).

El lunes 19, a las 20 horas, Olivier Père, director artístico de la Quinzaine des Réalisateurs, presentará personalmente la muestra, integrada por 13 films – la mayoría inéditos en el país y en copias en 35mm – que dan cuenta de la riqueza, el riesgo y la diversidad del cine que propone esta manifestación, una de las más importantes del calendario de festivales internacionales.

Nacida en medio de la agitación social y cultural de mayo del 68, la Quinzaine tuvo entonces su primera consigna: “Las películas nacen libres e iguales, pero es necesario ayudarlas a que lo sigan siendo”. Desde entonces, el espíritu rebelde de la Quinzaine sigue defendiendo – en palabras de Olivier Père – “un cine de autor, libre, independiente, contestatario, más allá de las etiquetas, más allá de las fronteras”.

La agenda completa del ciclo es la siguiente:

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Freundschaftliches “Titanen-Duell”

Hitchcock und Truffaut im Malba

Von Virginia Kirst

Alfie.JPGIm März veranstaltet das Malba einen Kino-Zyklus, der sich ausschließlich um die Werke von Alfred Hitchcock und François Truffaut dreht. Das Museum widmet den beiden Regisseuren einen kompletten Monat und lässt sie zu einem freundschaftlichen “Titanen-Duell” antreten.

Truffaut verehrte Hitchcock, was auf den ersten Blick wie ein Widerspruch erscheint, da die Werke der beiden unterschiedlicher nicht sein könnten. Die Filmographien sind fast gegensätzlich vom technischen Standpunkt aus betrachtet, in der Konzeption und vor allem in der Art und Weise, den Dingen auf den Grund zu gehen.

Trotzdem arbeiteten Hitchcock und Truffaut gelegentlich zusammen und halfen sich gegenseitig bei der Perfektion ihrer Drehbücher. Die berühmteste Kolaboration ist das Buch “Herr Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?”, für das Hitchcock Truffaut ein 50-stündiges Interview zu seinen bisherigen knapp 50 Filmen gab, welches 1966 als Buch erschien und seitdem als Meilenstein der Filmliteratur gilt. Weiterhin zeigen einige von Truffauts Filmen einen starken Einfluss von Hitchcock. So enthält etwa der letzte Film des Franzosen “Auf Liebe und Tod” (1983) viele Motive, für welche Hitchcock bekannt war, wie auch Anspielungen auf dessen Filme.

Im März zeigt das Malba 20 Filme von Alfred Hitchcock und François Truffaut. Immer donnerstags bis sonntags werden mindestens drei Filme pro Abend gezeigt, der erste Streifen fängt um 14 Uhr an. Der Eintritt kostet $ 7, ermäßigt $ 3.50. Das genaue Programm ist auf der Homepage des Malba einzusehen. Frohes Gruseln!

Buenos Aires im Tango-Fieber

Das “IX. Festival Buenos Aires Tango” hält vom 23. Februar bis 4. März die Stadt in Atem

Von Susanne Franz

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Tanghetto spielt im Rahmen der „8 Grandes Bailes“ am Sonntag, dem 25.2., ab 23 Uhr in “La Viruta” (Eintritt 10 Pesos).

Mit einem Freilichtkonzert im Palermo-Park eröffnen Rubén Juárez, begleitet vom “Cristian Zárate Sexteto”, und Ehrengäste wie die Sänger Javier Calamaro und Celeste Carballo heute abend das von der Stadtverwaltung organisierte IX. Tangofestival von Buenos Aires. Bis zum 4. März werden zahlreiche Konzerte berühmter Meister, aber auch neuer Talente stattfinden; “klassischer” Tango wird ebenso zu hören sein wie avantgardistische Tendenzen. Rioplatensische Klänge und Tango von ausländischen Künstlern finden ebenfalls ihren Platz.

Höhepunkt ist wie immer die “Gran Milonga al aire libre” (Riesen-Milonga unter freiem Himmel) am Samstagabend, dem 3. März: Tanz und Musik bis zum Morgengrauen auf mehreren abgesperrten Straßen rund um die Avenida Diagonal Norte und Maipú.

In der ganzen Stadt können Anfänger und Fortgeschrittene darüber hinaus an Tangoklassen und -workshops teilnehmen. Zu den Tangolehrern gehören María Nieves, Jorge Firpo, Mora Godoy, Gachi Fernández, Gabriel Missé und Alejandra Mantiñán, Pablo Villarraza und Dana Frígoli, Natalia Games und Gabriel Angió, und viele andere.

Die Veranstaltungen des Festivals sind gratis (ausgenommen die „8 Grandes Bailes“), wobei zu beachten ist, dass die Freilichtveranstaltungen bei Regen abgesagt werden müssen und dass man bei den Konzerten, die in Theatern oder Konzertsälen stattfinden, die Gratiskarten zwei Stunden vorher abholen muss.

Im Hauptaustragungsort des Tangofestivals, dem Messegelände La Rural an der Plaza Italia, findet außerdem in diesem Jahr eine Tango-Messe (“Feria de productos”) statt.

Das “IX. Festival Buenos Aires Tango” zeichnet sich in diesem Jahr durch eine besonders starke Präsenz von Orchestern und “Orquestas típicas” aus, wie dem Orchester von Rodolfo Mederos, dem “Orquesta Escuela Tango”, dem “Sexteto Mayor”, dem “Orquesta de Tango Buenos Aires”, “El Arranque”, “Sans Souci”, “Cerda Negra”, “Los Reyes del Tango” und “La imperial”.

Die Einflüsse des Tango auf andere Musikrichtungen wie Rock, Jazz und elektronische Musik und die starken Bande zur uruguayischen Musik werden in Konzerten von Omar Giammarco und Malena Muyala sowie Aufführungen des “Quinteto La Mufa” und Arlett Fernández lebendig.

Mit von der Partie sind in diesem Jahr Lidia Borda, Rodrigo de la Serna mit seiner Gruppe “El Yotivenco”, Caracol, Falsos Profetas, Pablo Ziegler, Escalandrum (die Jazzband von Daniel “Pipi” Piazzolla), die “Banda Sinfónica de la Ciudad”, und viele andere mehr.

Alle Informationen und das Programm findet man auf der Webseite des Festivals.

Dieser Artikel erscheint am 24.02.07 im “Argentinischen Tageblatt”.

Lesen Sie auch den Artikel “Argentinien – Land der Festivals”.

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“Fernández Fierro” spielen am Samstag, dem 3. März, ab 20.30 Uhr im Teatro de la Ribera.

Filmkünstler auf DVD II

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Lisandro Alonso-Pack in der 2. Ausgabe der “colección malba.cine”

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Mit der Edition der kompletten Filmografie des argentinischen Regisseurs Lisandro Alonso (“La libertad”, “Los muertos”, “Fantasma”), legt die Abteilung Kino des Museums für Lateinamerikanische Kunst (Malba) die zweite Ausgabe ihrer DVD-Sammlung argentinischen und lateinamerikanischen Kinos vor. Im Jahr 2006 war die erste “colección malba.cine” dem Werk Martín Rejtmans gewidmet.

Neben den drei Filmen Alonsos enthält der DVD-Pack auch unveröffentlichtes Material: Die herausgeschnittenen Szenen, Trailers und das “Making off” des Films “Los muertos” könnte man beinahe schon als eigenständige Arbeit des Regisseurs betrachten.

Der DVD-Pack wird am Donnerstag, dem 22. Februar, um 20 Uhr im Malba, Av. Figueroa Alcorta 3415, bei freiem Eintritt vorgestellt.

Arte fílmico en DVD II

Klicken Sie hier, um die deutsche Version zu lesen.

Películas de Lisandro Alonso en segunda edición de “colección malba.cine”

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Con la edición de la filmografía completa del director Lisandro Alonso (“La libertad”, “Los muertos”, “Fantasma”), el Malba presenta la segunda entrega de su colección de DVD de cine argentino y latinoamericano, inaugurada en 2006 con los films de Martín Rejtman.

Además de las tres películas de Alonso, esta nueva edición incluye escenas eliminadas, trailers y el making off de “Los muertos”, que bien podría considerarse como un cuarto largometraje inédito del director.

Lanzamiento: Jueves 22 de febrero a las 20 horas en el Malba, Av. Figueroa Alcorta 3415.

Berlinale ehrt Argentinier Julio Chávez

“Wir haben geheult wie Schlosshunde”

Von Susanne Franz

julioch2.JPGAls der Argentinier Julio Chávez am vergangenen Samstagabend auf der Berlinale mit dem Silbernen Bären als bester Schauspieler ausgezeichnet wurde, befand er sich längst wieder in Buenos Aires. Chávez war lediglich am Dienstag nach Berlin gereist, um der Premiere des Filmes “El otro” beizuwohnen, in dem er die Hauptrolle spielt. Mit einem Sieg hätte er nie gerechnet, waren doch Robert De Niro, Gerard Depardieu und Matt Damon für den Preis im Gespräch gewesen.

Nur insgesamt 20 Stunden hielt sich Julio Chávez in der Geburtsstadt seines Vaters auf, aus der dieser als von den Nazis verfolgter Jude fliehen musste. “Mein Vater wäre bestimmt stolz darauf gewesen, dass ich in seiner Heimatstadt mit diesem Preis geehrt worden bin”, sagt Chávez, dessen eigentlicher Name Hirsch lautet.

Julio Chávez hat in Buenos Aires ein Theater-Engagement – er stellt in der Ein-Mann-Performance “Yo soy mi propia mujer” (Ich bin meine eigene Frau) den Berliner Transsexuellen Charlotte von Mahlsdorf dar. “Auf diese Weise hatte ich an dem Abend, als ich den Bären gewonnen habe, einen ganz besonderen Draht nach Berlin!”, sagt der Schauspieler.

Von seinem Sieg erfuhr er am Telefon: Der Regisseur von “El otro”, Ariel Rotter, der für seinen Film außerdem den Großen Preis der Jury entgegennehmen durfte, rief ihn sofort an. “Wir haben geheult wie Schlosshunde und kaum ein vernünftiges Wort gewechselt”, erzählt Chávez lokalen Medien. “Irgendwann musste ich auflegen. Das war so, als ob Dich jemand aus der Sixtinischen Kapelle in Rom anruft und sagt: “Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie schön es hier ist!””

Dieser Artikel erscheint am 24.02.07 im “Argentinischen Tageblatt”.