Heiter bis wolkig

Theaterstück “La Vagina Enlutada” erzählt von gescheiterten Beziehungen

Von Michaela Ehammer

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Gibt es denn keine Männer mehr oder haben sich Frauen entschieden, sich der Liebe zu verschließen, da sie kein Vertrauen mehr in die Liebe haben und nicht mehr an gut funktionierende Beziehungen glauben? Eine Frage, der der Sexologe Walter Ghedin anhand zahlreicher Frauenstudien in seinem 2010 erschienenen Buch “La Vagina Enlutada” auf den Grund gegangen ist und die nun von Gastón Marioni als heiteres, komisches und fröhliches Theatererlebnis aufgegriffen wurde.

Fünf Freundinnen stehen an einem Sonntagnachmittag in einem kleinen Dorf in der Provinz Buenos Aires als einzige Passagiere am Bahnhof und warten nicht nur auf den Zug, der sie nach Hause bringen soll, sondern auch auf Chancen, ihrer Einsamkeit zu entfliehen. Die Freundinnen sehen sich konfrontiert mit ihrer Traurigkeit, Isolation, ihrem Hass auf die Männer, ihren Komplexen und Ängsten. Mit ihren Gedanken wühlen sie in der Vergangenheit, wobei eine mit Selbstmitleid gewürzte Nostalgie mitschwingt und dunkle Geheimnisse ans Licht kommen. Schlussendlich ist keine der Frauen mehr dieselbe, als sie in den Zug steigen.

Cecilia Tognola, Jessica Schultz, Silvia Pérez, Mónica Salvador und Ana Padilla – fünf talentierte Schauspielerinnen – erzählen ihre Leidensgeschichte mit der Liebe. Viele verschiedene Persönlichkeiten begegnen uns dabei: eine nun lesbisch, eine andere eine streng religiöse Witwe, eine weitere, die wiederum zur Hure mutiert, während die andere in tiefster Trauer lebt und die letzte in der Runde sich dem Stalken ihres Ex-Mannes verschrieben hat. Das sind fünf Geschichten, die jede auf ihre ganz eigene, dramatische und traurige Art und Weise vom glücklichen Verliebtsein über die Nüchternheit und die Erkenntnis, dass der Alltag irgendwann doch Einzug hält, bis hin zu bitteren Tränen und Kämpfen zeugt und Leben offenbart, die mit Eifersucht geteert und mit Enttäuschung gesäumt ist, bis dann am Ende die Resignation und die Angst neue Liebesabenteuer verbieten.

Reich an Dramatik und starken Dialogen brillieren die Schauspielerinnen, fesseln ihre Zuschauer und regen zum Lachen, Nachdenken, Schmunzeln und Grübeln an. Zu sehen immer sonntags um 20.15 Uhr im Teatro El Tinglado (Mario Bravo 948).

Foto:
Fünf Geschichten vom schönen Scheitern fesseln die Zuschauer.
(Foto: Octavia)

Deutscher Filmglanz in Buenos Aires

Startschuss für das 16. Deutsche Kinofestival von Buenos Aires, das bis 21. September in den Kinos Village Recoleta und Caballito läuft

Von Michaela Ehammer

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Filme über Filme heißt es auch in diesem Jahr beim “Festival de Cine Alemán”, welches bereits zum 16. Mal Filmbegeisterte in seinen Bann zieht und seit dem gestrigen Donnerstag in vollem Gange ist. Jahr für Jahr vereinen sich Filmliebhaber des deutschen Kinos in Buenos Aires, um gemeinsam zu lachen, zu weinen, zu grübeln, zu staunen und während der Filme dem Alltag zu entfliehen. Im Zuge dessen hat es am Dienstag eine Pressekonferenz gegeben, um über die diesjährigen Filme und vor allem über den Eröffnungsfilm “Ich und Kaminski” von Regisseur Wolfgang Becker, der persönlich anwesend war, zu sprechen. Zahlreiche Journalisten aus dem Land erschienen und konnten ihre Fragen, Zweifel oder Kritiken zu dem Film äußern. (Intervew mit Wolfgang Becker hier.)

“Ich und Kaminski”, eine Romanverfilmung nach dem 2003 erschienenen Buch des österreichisch-deutschen Schriftstellers Daniel Kehlmann, entführt in die Welt der deutschen Kunstszene in den 90er Jahren. Zwei Sturköpfe und Egozentriker – der eine ein sensationshungriger, junger Journalist, der andere ein in Vergessenheit geratener Maler und bereits ein zerbrechlicher, alter Mann – stoßen im Film aufeinander. Gerade diese Mischung, vereint mit starken Dialogen und einer wohldosierten Portion an Komik, gibt dem Film eine besondere künstlerische Note mit.

Das Festivalprogramm der 16. Ausgabe ist wieder sehr vielfältig und liebevoll von German Films ausgewählt worden und wartet auf seine Zuschauer mit großen Gefühlen, starken Emotionen und geschichtlichen Stoffen aus Deutschland. Für Jung und Alt, Groß und Klein, für Dramaliebhaber sowie für Komödienbegeisterte hat das Festival, welches noch bis zum 21. September in den Kinosälen des Village Recoleta und Village Caballito stattfindet, alles im Gepäck. Ganz großes Kino eben.

Besonders hervorzuheben sind zwei spannende und musikalische Beiträge aus der neuen Festival-Sektion “La movida berlinesa” (Die Berliner Bewegung), die von elektronischer Musik bis hin zu Punk reichen: “B-Movie: Lust & Sound in West Berlin, 1979-1989” und “Tod den Hippies! Es lebe der Punk”. In diesem Rahmen wird auch die Ausstellung “Clubraum Berlin” ab Oktober im Centro Cultural Kirchner eröffnet. Im kommenden Jahr dürfen wir uns dann beim 17. Festival auf die neue Sektion der Kölner Bewegung freuen, wie Festivalkoordinator Gustav Wilhelmi bei der Pressekonferenz verlauten ließ.

“Es ist schon Tradition, dass das Goethe-Institut einen Stummfilm als Abschlussfilm präsentiert”, bekundete Uwe Mohr, Direktor des Goethe-Instituts in Buenos Aires, hoch erfreut. Dieses Jahr wird der Klassiker “Der müde Tod” von Fritz Lang gezeigt. Das Besondere daran: Der Film wird dabei von Live-Musik im Kinosaal umrahmt. Ein Kinoerlebnis der Superlative, welches man auf keinen Fall verpassen sollte. Es war der erste Film des österreichisch-deutsch-US-amerikanischen Regisseurs, mit dem er internationalen Erfolg erlangte.

Für alle, die das Festival nicht hautnah miterleben können, bietet sich begleitend dazu seit dem vergangenen Freitag die Möglichkeit, 28 deutsche Filme über einen Zeitraum von zwei Monaten gratis im Internet-Kanal Qubit.tv anzuschauen. Viele dieser Filme sind Highlights der vergangenen Festivals.

Seien Sie ein Teil vom deutschen Kinofestival, seien Sie dabei, wenn sich der Kinosaal verdunkelt, der Vorhang schließt und es heißt: Klappe zu, Film ab!

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Fotos von oben nach unten:

Szene aus “Ich und Kaminski”.

Bei der Pressekonferenz (v.l.): Maike Schantz (German Films), Uwe Mohr (Direktor des Goethe-Instituts), Gustav Wilhelmi (German Films Buenos Aires) und Wolfgang Becker (Regisseur von “Ich und Kaminski”) mit seiner Übersetzerin.

16. Deutsches Kino-Festival startet heute

Filmliebhaber, aufgepasst!

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Heute abend startet die 16. Ausgabe des Deutschen Kinofestivals von Buenos Aires. Wie jedes Jahr wartet eine breit gefächerte Auswahl der besten deutschen Filme des letzten Jahres darauf, von den Filmliebhabern in Argentinien entdeckt zu werden.

Das Festival findet bis zum 21. September in den Kinosälen der Village Recoleta und des Village Caballito statt. Das Goethe-Institut Buenos Aires organisiert wie immer als Abschlussfilm einen Stummfilmklassiker mit Live-Musik – in diesem Jahr “Der müde Tod” von Fritz Lang, live untermalt vom “Cue Trío”. Darüber hinaus bietet die Filmabteilung des Kulturinstituts dieses Jahr die neue Festivalsektion “La movida berlinesa” (Die Berliner Bewegung) mit zwei interessanten Beiträgen: “Lust & Sound in West Berlin 1979-1989” und “Tod den Hippies!! Es lebe der Punk”.

Alle Informationen sind auf der Webseite des Festivals zu finden.

Hier einige Kritiken der diesjährigen Festivalbeiträge:

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Die Farb-Gewitter des Francisco Stocca

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Gemäldeausstellung im Espacio de Arte Radio Palermo

Von Susanne Franz

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Alle seine Bilder sind für ihn Gewitter. Einige erkennt man sofort: gewaltige schwarzgraue oder tiefblaue Wolkenformationen mit gelben Blitzen. Aber auch der zart hellblaue Himmel mit weißen Wolkenfetzen und grün-braun verwischten Elementen, die fallende Blätter sein könnten, ist für Francisco Stocca ein Gewitter. Oder die leuchtend orange-grüne Landschaft, die aus einem lila-weiß changierenden Buschwerk heraus sichtbar zu werden scheint. Oder die schwarzen und weißen Tupfer auf einer orange-gelben Fläche, die wie Spuren aussehen oder wie eine fliehende Büffelherde in der glühenden Savanne.

In allen seinen Bildern spürt man, wie sehr Francisco Gewitter liebt. Die unheimlichen, die Angst machen können, die leuchtenden, majestätischen, und die zarten, die schnell vorübergehen. Sie brauen sich zusammen. Alles wirbelt durcheinander, es baut sich ein Kräftefeld aus Luftschichten unterschiedlicher Temperaturen auf, es kommt zum Zusammenprall. Das Gewitter entlädt sich, es donnert und blitzt.

Francisco sucht die Farben selbst aus, mit denen er seine Bilder gestalten will, und mit der kleinen Malerrolle streicht er Farbflächen und setzt Kleckse auf, wobei durch den Druck der Rolle an verschiedenen Stellen geriffelte Muster entstehen. An einigen Stellen arbeitet er noch mit Pinselstrichen nach. Beim Führen der Rolle oder des Pinsels muss ihm aufgrund seiner Behinderung geholfen werden, doch er gibt vor, wohin die Bewegung geht, wie stark sie ist, wo sie beginnt und aufhört. Und Francisco weiß, wann das Werk fertig ist.

Allen Werken gemeinsam ist eine wilde, aus dem Inneren des Künstlers auf die Leinwand geworfene Kraft. Dank der außergewöhnlichen Solidarität seiner Familie und der Sensibilität seiner Lehrerin Nora Giordano, in deren integrativer Werkstatt er seit 2010 malt, ist es Francisco möglich, über die Kunst seine Gefühle nach außen zu kommunizieren.

  • Francisco Stocca, “Tormentas de colores”, Gemälde
  • Espacio de Arte Radio Palermo, Emilio Ravignani 1732, Palermo Hollywood, Buenos Aires
  • Täglich 10-20 Uhr
  • 7.9.-29.9.
  • Eröffnung: 17.9., 13.30 Uhr

Francisco Stocca y sus tormentas de colores

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Muestra de pinturas en Espacio de Arte Radio Palermo

Por Susanne Franz

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Para él, todos sus cuadros son tormentas. En algunos, se ven en seguida las poderosas formaciones de nubes grises o azules iluminadas por relámpagos amarillentos. Pero también las otras obras son tormentas para Francisco Stocca: su cielo celeste con delicados trocitos de nubes blancos y elementos borrosos verdes y marrones que podrían ser hojas cayéndose. O el paisaje luminoso de naranjas y verdes, visto al parecer desde un escondite en un arbolaje bordó y blanco. O las manchas negras y blancas sobre el plano naranja y amarillo que parecen huellas o una manada de búfalos huyendo en la sabana ardiente.

En todas sus obras se nota cuánto Francisco ama las tormentas. Ama las inquietantes que dan miedo, las majestuosas y brillantes, y también las tenues que pasan rápido. Como se ciernen. Como se agita todo. Como chocan las masas de aire de diferentes temperaturas y se desenvuelve la tormenta, con sus lluvias, vientos, truenos y rayos.

Francisco elige los colores con los cuales quiere pintar. Con el rodillo de pintura chico pinta planos, aplica manchas, y con la presión del rodillo crea texturas sobre el lienzo. A veces, para las terminaciones, usa un pincel. Debido a su discapacidad, necesita ayuda para mover el rodillo o el pincel. Pero es él quien decide adonde va el movimiento, cuan fuerte es, donde empieza y donde termina. Y es él quien sabe cuando su obra está completada.

Lo que tienen en común todas las obras de Francisco Stocca es una fuerza impetuosa que se traduce desde el interior del artista hacia sus lienzos. Gracias a la extraordinaria solidaridad de su familia y la sensibilidad de su profesora de pintura Nora Giordano -Francisco pinta en su Taller de Arte Integrado desde el año 2010- Francisco puede, a través del arte, comunicar sus sentimientos hacia afuera.

  • Francisco Stocca, “Tormentas de colores”, pinturas
  • Espacio de Arte Radio Palermo, Emilio Ravignani 1732, Palermo Hollywood, Buenos Aires
  • Todos los días 10-20 horas
  • 07.09.-29.09.
  • Inauguración: 17.09., 13.30 horas

Offenbarungen in Schwarz-Weiß

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“Revelaciones” – Fotoausstellung von Gerardo Korn im Centro Cultural Borges

Von Susanne Franz

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“Ich wurde im Jahr 2011 von diesem Rausch erfasst”, erklärt Gerardo Korn an einem regnerischen Nachmittag im Centro Cultural Borges seine Motivation, Buenos Aires auf eine besondere Art und Weise zu fotografieren. Wir sind gerade durch seine Ausstellung “Revelaciones” gegangen, wobei sich herausgestellt hat, dass dieser so trübe Tag ganz besonders gut geeignet ist, seine menschenleeren Schwarz-Weiß-Bilder der Stadt zu betrachten, die er nachts oder abends oder in den frühen Morgenstunden aufgenommen hat, wenn das Licht diffus und magisch ist. “Buenos Aires sieht man sonst meist nur mit strahlend blauem Himmel, überall wimmelt es von Menschen”, meint Gerardo, der nach eigenem Bekunden keine Ahnung hatte, auf was er sich einließ, als er seine künstlerische Laufbahn begann. “Ich wusste damals nicht, dass ich für einige Bilder drei Jahre brauchen würde.”

Gerardo erzählt von seiner Liebe zur klassischen Fotografie und schwärmt von den Städten Paris und New York, die die Fotografie-Städte schlechthin seien. Er wollte, dass es ähnliche Bilder auch von Buenos Aires gäbe – Bilder voller Melancholie, die die Stadt in einem zeitlosen Zustand zeigen. “Gerade Buenos Aires, eine Stadt, die im Alltag oft aggressiv zu den Bewohnern ist”, reflektiert der in Argentinien geborene Sohn deutscher Eltern, der mit seiner Kunst die Beziehung der Menschen zu ihrer Stadt wiederherstellen möchte, indem er sie in einem friedlichen Zustand zeigt.

Gerardo Korns wunderschöne Bilder stellen einen besonderen Rundgang durch die Stadt Buenos Aires dar. Die meisten Motive kennt man oder hat sie schon hundertmal auf Bildern gesehen – aber noch nie so wie hier. An Stelle von Konsum steht hier Augenschmaus. Jeder einzelne Mensch steht alleine an dieser Stelle und schaut mit dem Fotografen durch das Obektiv, schaut auf einmal richtig hin und kann in Stille und innerer Ruhe mit dem Gesehenen kommunizieren.

Einer, der sofort erkannt hat, dass es sich bei den Bildern Gerardo Korns um wahre Kunstwerke handelt, war der großartige argentinische Maler Guillermo Roux. Diesen sprach Gerardo an, als er begann, einen Ausstellungsraum zu suchen, um seine Kunst bekannter zu machen. Warum gerade Roux? Ganz einfach – die beiden sind Nachbarn und waren dies bereits seit 40 Jahren. Immer grüßte man sich freundlich aus der Ferne, deshalb war Roux zunächst überrrascht, als Gerardo bei ihm vorbeischaute und ihn bat, ob er ihm seine Bilder zeigen dürfte. Er sagt Ja – und war begeistert. Innerhalb von fünf Tagen hatte er einen Text geschrieben, aus dem auch der Titel der Ausstellung, “Revelaciones” (Offenbarungen) stammt, und Gerardo war zu Tränen bewegt. “Seit diesem Tag im April 2015, als ich bei Guillermo Roux geklingelt habe, ist mein Leben nicht mehr, wie es vorher war”, sagt Gerardo. Der große alte Maler, der mittlerweile zu einem Freund geworden ist, gab ihm die Kraft, seine Zweifel zu überwinden, und unterstützte und unterstützt ihn.

Drei der Werke, die in der Ausstellung hängen, sind Gemeinschaftsarbeiten der beiden: Fotografien von Gerardo Korn mit einer Intervention von Roux. Mit Absicht sind die Roux‘schen Elemente nur sehr sparsam eingefügt, um die friedliche Stille der Werke nicht zu zerstören. So geben sie ihnen einen surrealistischen, überraschenden Anstrich. Acht von zehn Werken, die die beiden als Zusammenarbeit angestrebt haben, sind bereits fertig, die drei, die Gerardo am liebsten mag, sind in der Ausstellung zu sehen.

Im vergangenen argentinischen Sommer hat Roux Gerardo Korn eingeladen, fotografisch und filmisch ein Werk von ihm zu dokumentieren: Er wollte eine Göttin in sein Schwimmbad malen, und dann begeisterte er sich und malte das ganze Schwimmbad aus. Der Maler, der im Rollstuhl sitzt, wurde dabei von einem Freund hin und hergeschoben und malte mit einem Pinsel, der an einem ein Meter langen Bambusstab befestigt war. “Das war der Sommer, in dem ich vier Monate in einem Schwimmbad ohne Wasser verbracht habe”, lacht Gerardo, der in Zusammenarbeit mit dem Regisseur Martín Serra in Kürze einen Entwurf des Filmes vorstellen will, der aus dem Material entstehen soll.

“Die Welt ist mein Land”, sagt Gerardo Korn, der seine mit Kodak Professional Tri-X fotografierten Filme nach Halle in Deutschland schickt, wo ein darauf spezialisierter Betrieb sie entwickelt und digitalisiert. Die digitalisierte Version sendet Gerardo nach London, wo die Werke auf feinstem Papier ausgedruckt werden, um dann den Weg zurück nach Argentinien zu finden. Die hohe Qualität der Werke und besonders auch die gewagten, äußerst wirkungsvollen 60 x 90-Formate (die neben anderen in 30 x 45 hängen) tragen mit zu dem Zauber bei, den Gerardos Fotografien ausstrahlen.

Die Ausstellung im Centro Cultural Borges und die Veröffentlichung einiger Werke der Serie “Revelaciones” in Jorge Tardittis Luxus-Kunstmagazin “Georges” sowie das “Göttin im Schwimmbad”-Projekt sind erst der Beginn und nur ein Teil der Pläne des entspannten und zugleich mit viel positiver Energie geladenen Künstlers – momentan arbeitet er auch an einem Tango-Projekt. Sein Ziel? Die Welt, die seine Heimat ist.

Die Ausstellung “Revelaciones” wurde von Virginia Fabri kuratiert und steht unter der Schirmherrschaft der Deutschen Botschaft. Besuchen kann man sie nur noch bis einschließlich Sonntag, den 4. September, im Saal 22 des Centro Cultural Borges, Viamonte/San Martín, Buenos Aires. Öffnungszeiten sind Montag bis Samstag 10-21 Uhr, Sonntag 12-21 Uhr. Der Eintritt ist frei.

Weitere Infos auf der Webseite des Künstlers bzw. bei Facebook.

Foto:
Gerardo Korn, “Barrio de Retiro, Plaza San Martín, 2012”.

Revelaciones en blanco y negro

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Muestra de fotografía de Gerardo Korn en el Centro Cultural Borges

Por Susanne Franz

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“Este proyecto tomó posesión de mi en 2011”, explica Gerardo Korn en una tarde lluviosa en el Centro Cultural Borges, acerca de su motivación de fotografiar Buenos Aires de un modo muy especial. Acabamos de recorrer su muestra “Revelaciones”, y resulta que este nublado día es ideal para contemplar las imágenes de una Buenos Aires despojada de gente, que capturó de noche o en tempranas horas de la mañana, cuando la luz es difusa y mágica. “Buenos Aires siempre se retrata con cielo azul brillante y llena de gente”, observa Gerardo, quien explica que no tenía idea en lo que se metía cuando inició su carrera artística. “En aquel entonces no sabía que ciertas fotos me demandarían tres años”.

Gerardo cuenta de su amor por la fotografía clásica y en especial de las ciudades Paris y Nueva York, que literalmente son las ciudades de la fotografía. El quería que haya fotos similares de Buenos Aires – imágenes llenas de melancolía, que muestren la ciudad en un estado atemporal. “Buenos Aires es una ciudad que a menudo se muestra agresiva frente a sus habitantes”, reflexiona el hijo de padres alemanes nacido en Argentina, que ansía recomponer la relación de la gente con su ciudad, mostrándola de un modo calmo.

Las fotos de Gerardo Korn muestran un especial recorrido por la ciudad. La mayoría de los lugares fotografiados nos resulta conocida o los hemos visto cientos de veces – pero nunca de este modo. En lugar de consumo vemos un deleite para los ojos. Cada persona está sola en ésta posición y mira con el fotógrafo a través de su lente, observa con más atención y puede comunicarse en paz y tranquilidad interior con lo visto.

Alguien que reconoció enseguida que las imágenes de Gerardo Korn son verdaderas obras de arte, es el gran pintor argentino Guillermo Roux. Gerardo se dirigió a él cuando comenzó a buscar un lugar para exponer, para dar difusión a su arte. ¿Porqué Roux? Muy simple – los dos son vecinos, desde hace más de 40 años. Siempre se saludaron desde lejos, por eso Roux se sorprendió en un primer momento cuando Gerardo pasó por su casa y preguntó si le podía mostrar sus fotos. El dijo que sí – y quedó encantado. Dentro de los próximos cinco días escribió una reseña, dela cual también surgió el título de la exposición “Revelaciones”, y Gerardo quedó emocionado. “Desde éste día en el mes de abril de 2015, cuando le toqué el timbre a Guillermo Roux, mi vida ya no es lo que fue antes”, dice Gerardo. El gran maestro, quien con el tiempo se convirtió en amigo, le dio la fuerza para superar sus dudas, y lo apoyó y sigue apoyando.

Tres de las obras expuestas son trabajos en conjunto de los dos: fotografías de Gerardo Korn intervenidas por Roux. La intención fue agregar los elementos de Roux con moderación, a fin de no destruir la pacífica tranquilidad de las obras. Así reciben un toque de sorpresa y surrealismo. Ocho de las diez obras, que quieren realizar en forma conjunta, ya están listas, y tres de ellas, las preferidos de Gerardo, pueden ser vistas en la exposición.

En el último verano argentino, Roux invitó a Gerardo Korn a documentar en forma fotográfica y fílmica una obra de él: quería pintar una diosa en su pileta, se entusiasmó, y terminó pintando la pileta entera. El artista, que se mueve en silla de ruedas, fue empujado por un amigo hacia cada ubicación específica y pintó con un pincel pegado a una caña de bambú de un metro de largo. “Fue el verano que pasé durante 4 meses en una pileta sin agua”, se ríe Gerardo, que presentará en breve, en colaboración con el director Martín Serra, un proyecto de la película que surge de ese material.

“El mundo es mi lugar”, dice Gerardo Korn, que envía sus rollos de película Kodak Tri-X a Halle en Alemania, para su revelado y digitalizado en un laboratorio especializado. La versión digital es enviada a Londres, para la impresión de las obras en refinados papeles, encontrando después el camino de regreso a la Argentina. La alta calidad de las obras y sobre todo el formato algo arriesgado e impresionante de aquellas en 60×90 (expuestas junto a otras en 30×45) aporta a la magia que irradian las fotografías de Gerardo.

La exposición en el Centro Cultural Borges y la publicación de algunas de sus obras de la serie “Revelaciones” en la revista de arte “Georges” de Jorge Tarditti, cómo así también la del proyecto “La diosa en la pileta”, son recién el comienzo y solamente una parte de los proyectos de este artista relajado y a la vez lleno de energía positiva – en éste momento trabaja además en un proyecto de tango. ¿Su objetivo? El mundo,que es su hogar.

La curadora de la exposición “Revelaciones” fue Virginia Fabri, y recibió el auspicio de la Embajada de Alemania. Se puede visitar hasta el día domingo, 4 de septiembre en la sala 22 del Centro Cultural Borges, Viamonte/San Martín, Buenos Aires. Horario de lunes a sábado de 10 a 21 hs y domingo de 12 a 21 horas. Entrada libre.

Más información en la página web y página de Facebook del artista.

(Traducción: Brigitte Korn)

Foto:
Gerardo Korn, “Barrio de Retiro, Plaza San Martín, 2012”.

Deutsches Kinofestival vom 15. bis 21. September

Das 16. “Festival de Cine Alemán” bietet eine spannende Auswahl der besten deutschen Filme des letzten Jahres

Von Susanne Franz

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Sweet Sixteen: Bereits zum 16. Mal erfreut das beliebte “Festival de Cine Alemán” die Filmliebhaber in Buenos Aires. Vom 15. bis zum 21. September wird in den Kinosälen des Village Recoleta und Village Caballito eine vielfältige und mitreißende Auswahl der besten deutschen Filme des vergangenen Jahres zu sehen sein. Den Eröffnungsfilm “Ich und Kaminski” stellt Regisseur Wolfgang Becker (“Good-Bye Lenin”) persönlich vor. Der diesjährige Festival-Stargast wählte auch für seinen neuesten Streifen Daniel Brühl als Hauptdarsteller. Die vergnügliche Komödie mit Tiefgang nimmt den Kunstbetrieb aufs Korn.

Es stehen jede Menge weitere Leckerbissen auf dem Programm: So kann man sich auf den Film “Toni Erdmann” von Maren Ade freuen, der gerade von der internationalen Vereinigung von Filmkritikern und Filmjournalisten (FIPRESCI) als “Film des Jahres” ausgezeichnet wurde. Das komödiantische Familiendrama um den pensionierten Musiklehrer Winfried Conradi (Peter Simonischek) und dessen Tochter Ines (Sandra Hüller) geht für Deutschland ins Rennen um den Auslandsoscar, wie German Films – die Auslandsvertretung des Deutschen Films und in dieser Eigenschaft auch Organsiator des Deutschen Kinofestivals – am heutigen Donnerstag in München bekanntgab.

Doris Dörries neuer Film “Fukushima, mon amour”, in Schwarz-Weiß gedreht, beschäftigt sich mit den Auswirkungen der Reaktorkatastrophe in Japan und erzählt von einer jungen Deutschen, die helfen will, aber eigentlich genügend Probleme mit sich selbst hat. “Miss Sixty” entführt in die Welt einer arbeitslos gewordenen Sechzigjährigen, die es sich in den Kopf setzt, Mutter zu werden.

Der diesjährige Dokumentarfilm “Fassbinder” von Annekatrin Hendel wird ebenso Aufsehen erregen wie die Hitler-Satire “Er ist wieder da” von David Wnendt. Und der Kinderfilm “Oscar, Rico und das Herzgebreche” wird sicher nicht nur die Kleinen erfreuen.

Das Goethe-Institut Buenos Aires organisiert im Rahmen dieser 16. Festivalausgabe den Stummfilm mit Live-Musik (“Der müde Tod” von Fritz Lang), und darüber hinaus die neue Festival-Sektion “La movida berlinesa” (Die Berliner Bewegung) mit zwei spannenden Beiträgen: “Lust & Sound in West Berlin 1979-1989” und “Tod den Hippies!! Es lebe der Punk”.

Begleitend zum Festival wird der Internet-Kanal Qubit.tv vom 9. September bis zum 20. Oktober gratis 28 deutsche Filme anbieten, viele davon Highlights der vergangenen Festivals.

Festivalbesucher können wieder ihren Lieblingsfilm wählen – es winken viele Preise und als Hauptpreis ein Flugticket nach Deutschland.

Das Programm und alle Informationen sind in Kürze auf der Webseite des Festivals zu finden.

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In Wolfgang Beckers “Ich und Kaminski” will Sebastian Zöllner (Daniel Brühl) die Lügen des Malers Manuel Kaminski (Jesper Christensen) entlarven und muss feststellen, dass er dem Alten in keiner Weise gewachsen ist.

Nostalgie und Gegenwart

Das Tango-Festival von Buenos Aires findet vom 18. bis 31. August statt

Von Michaela Ehammer

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Und wieder einmal ist Zeit für den Tango. Der Tanz wird schon lange nicht mehr nur im Ursprungsland Argentinien getanzt, sondern ist weit über die Grenzen hinaus bekannt und erfreut sich weltweiter Beliebtheit bei Jung und Alt. Das Tnternationale Tango-Festival, das am heutigen Donnerstag startete, vereint Musik- und Tanzliebhaber aus der ganzen Welt. Noch bis zum 31. August hüllt sich Buenos Aires in ein Meer aus Musik, Tanz und Folklore, vollgepackt mit Melancholie, Nostalgie und Dramatik – eben das, was den Tango ausmacht!

Das BA Tango-Festival verleiht der Stadt einen ganz besonderen Anstrich: pure Leidenschaft wird versprüht. Piazzollas Gänsehaut-Melodien erklingen auf den Bandoneonen in den schönsten Tönen an wohl jeder noch so kleinen Straßenecke. Das Tanzbein wird von professionellen Tänzern ebenso wie von Amateuren geschwungen. Seit drei Jahren können auch gleichgeschlechtliche Paare an der Tango-Tanzweltmeisterschaft teilnehmen.

Hunderte von begeisterten Tangotänzern sowie zahlreiche Zuschauer aus der ganzen Welt strömen Jahr für Jahr nach Buenos Aires, um bei diesem emotionalen Duell aus poetischen Umarmungen, hochkonzentrierten Schritten und sinnlichen Bewegungen im 2/4 Takt dabeizusein und die heitere Stimmung und das besonderen Ambiente zu genießen.

Mehr als 500 Paare verschiedener Nationalitäten messen ihr Talent und zeigen ihr Können vor einer renommierten Jury bei der Qualifikationsrunde der Tanzweltmeisterschaft in der Usina del Arte, und die Besten der Besten können danach um den begehrten WM-Titel in den Kategorien “Tango de Pista” und “Tango Escenario” im Luna Park kämpfen. Hinter ihnen liegen bereits Vorausscheidungen in 20 Ländern – darunter auch Russland oder Taiwan.

Für die Zuschauer werden im Rahmen des BA Tango-Festivals spektakuläre Shows, dramatische Rhythmen und zahlreiche Veranstaltungen geboten. Chico Novarro, Nestor Fabian, Carlos Paiva Hugo und Marcel waren die Stimmen am Eröffnungstag und leiteten die diesjährige Ausgabe gebührend ein.

Pianisten feiern zudem das hundertjährige Jubiläum von Horacio Salgán, und nach 70 Jahren kehrt auch das erste typische Orchester von Astor Piazzolla und Antonio Tarragó wieder zurück an seinen Ursprung. Und all dies so nah am Publikum wie möglich: in Clubs, Theatern, Bars und Kulturzentren. Zu den Veranstaltungsorten gehören unter anderem Teatro 25 de Mayo, Espacio Cultural Carlos Gardel, Café Vinilo, Teatro Colón, Museo del Cine, Espacio Cultural Adán Buenosayres, Espacio Cultural Julián Centeya, Teatro Gran Rivadavia sowie Polideportivo.

Tango ist nicht nur Nostalgie, sondern auch eine großartige Möglichkeit, Buenos Aires in der Gegenwart mit einer seiner schönsten Traditionen zu spüren und zu erleben.

Weitere Informationen und Termine des Festivals hier.

Foto:
Das Tangofestival verleiht der Stadt einen ganz besonderen Anstrich.
(Foto: Stadt Buenos Aires)

Die gelehrigen Schüler des Hieronymus Bosch

Ausstellung “Verkehrte Welt. Das Jahrhundert von Hieronymus Bosch” im Bucerius Kunst Forum in Hamburg

Von Nicole Büsing und Heiko Klaas

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Eine Hieronymus Bosch-Ausstellung ohne ein einziges Original des Künstlers? Wir schreiben das 500. Todesjahr des Malers. Im Noordbrabants Museum in seiner niederländischen Heimatstadt ‘s-Hertogenbosch ist die große Bosch-Retrospektive “Jheronimus Bosch – Visionen eines Genies” gerade mit einem Rekord von 421.700 Besuchern zu Ende gegangen. Und im Madrider Prado wurde kurz danach die nächste Bosch-Schau der Superlative eröffnet. Jetzt also Hamburg. Kann das gut gehen? Und vor allem, macht es Sinn?

bosch1_2Das Bucerius Kunst Forum in Hamburg wagt dieses Vorhaben – und gewinnt. Dem Haus glückt mit “Verkehrte Welt. Das Jahrhundert von Hieronymus Bosch” eine Ausstellung, die sowohl für diejenigen, die die Originale kennen, als auch für gänzlich unvoreingenommene Besucher sehenswert ist. Im Zentrum der Schau steht, wie Nachahmer und Nachfolger die noch christlich unterfütterte Motivik Hieronymus Boschs (1450-1516) nach und nach in weltliche Schaulust und groteske Bildfindungen überführt haben. Aber auch, wie findige Geschäftemacher sich des guten Namens Boschs bedienten, um Kupferstiche in hohen Auflagen unters Volk zu bringen. “Wir erzählen eine andere Geschichte, die von der Rezeption ausgeht und zeigt, was andere Künstler mit dem Erbe von Bosch gemacht haben”, erläutert Michael Philipp, der Kurator der Schau, der sich mit diesem Projekt nach neunjähriger Tätigkeit aus dem Bucerius Kunst Forum verabschiedet.

80 Kupferstiche und Radierungen sowie rund 15 Gemälde von Künstlern des 16. bis 17. Jahrhunderts sind zu sehen. Geschnitzte Architekturelemente mit von Bosch inspirierten grotesken Darstellungen unter anderem aus Amsterdamer Bürgerhäusern runden das Spektrum der Schau ab.

Monster, Dämonen, Teufelchen und andere Höllengestalten bevölkern viele der nur rund 50 erhaltenen und eindeutig dem Meister selbst zugeschriebenen Werke. Die Bosch-Rezeption jedoch auf dieses phantastische, gleichsam populäre Personal zu reduzieren, wäre zu kurz gegriffen. Heute gilt Bosch ebenso als Pionier der Darstellung des Alltags im Mittelalter.

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Die Hamburger Ausstellung zeigt, wie im Laufe der Zeit ganz andere Bildthemen Eingang in die Bosch-Rezeption genommen haben. “In der Neuzeit”, so Philipp, “nahm die Jenseitsangst ab. Dafür traten die Schaulust und die Angstlust stärker in den Vordergrund.” Die phantastischen Darstellungen in der Bosch-Nachfolge wurden nicht mehr so sehr als Mahnungen oder moralisierende Visualisierungen der Höllenpein im Sinne christlicher Botschaften wahrgenommen. Was jetzt überwog, war die Freude am Unheimlichen, das Vergnügen an wohligen Schauermomenten. So zum Beispiel auf dem großartigen Gemälde “Die Verspottung des Hiob” (Ohne Datum) von Jan Mandyn (1502 – um 1560) aus einer niederländischen Privatsammlung. Während Hiob, der sich aus Gram seine Kleider zerrissen hat, im Zentrum des Bildes sitzt, werden ihm von allen Seiten her Schreckensbotschaften übermittelt. Mandyn befriedigt die Sensationslust des Betrachters, indem er die schweren Schicksalsschläge des Hiob als groteskes Spektakel voller Schauergestalten inszeniert. Die exakte biblische Überlieferung stand dabei weniger im Vordergrund.

bosch6_2Das sich langsam formierende Bürgertum im 16. und 17. Jahrhundert sah Bilder als Bilder an. Und es war hungrig darauf. Im Medium der Radierung und des Kupferstichs kamen die von Bosch inspirierten Sujets gleich massenhaft unters Volk. Das Zentrum der Kupferstichproduktion im 16. Jahrhundert war Antwerpen, das damals wichtigste Handelszentrum in Europa. Manche der Bosch-Nachfolger und Drucker erdreisteten sich sogar, ihre Produkte mit dem Hinweis “Bos. Inv.”, also “Bosch hat es erfunden”, zu versehen. Was schlicht unmöglich war, erschien der erste Kupferstich nach Bosch doch erst rund vierzig Jahre nach seinem Tod.

Tugenden und Laster, Heilige und Narren, Sprichwörter und Redewendungen, Phantasie und Ornament. In insgesamt acht Kapiteln mäandriert die klug zusammengestellte Hamburger Schau durch den visuellen Kosmos der sich an Skurrilitäten überbietenden Bosch-Nachfolger. Gerade für den, der die Originale gesehen hat, ist auch das ein besonderes Sehvergnügen.

  • Ausstellung: “Verkehrte Welt. Das Jahrhundert von Hieronymus Bosch”
  • Ort: Bucerius Kunst Forum, Hamburg
  • Zeit: 4. Juni bis 11. September 2016. Täglich 11-19 Uhr. Do 11-21 Uhr
  • Katalog: Hirmer Verlag, 240 S., 184 Abb., 29 Euro (Museum), 39,90 Euro (Buchhandelsausgabe)
  • Internet

Fotos von oben nach unten:
Pieter van der Heyden (1530-1572), “Die großen Fische fressen die kleinen”, 1557.

Hendrik Hondius (1573-1650), “Hieronymus Bosch”, 1610.

Jan Mandyn (1502 – um 1560), “Die Verspottung des Hiob”, 16. Jh.

Philips Galle (1537-1612), “Kopf eines Narren”, um 1560.

Verschmelzung von Kunst und Wissenschaft

Nur vier Aufführungen von Gilles Jobins “Quantum” in Buenos Aires

Von Susanne Franz

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Kraft ist ein grundlegender Begriff der Physik. In der klassischen Physik versteht man darunter eine Einwirkung, die einen festgehaltenen Körper verformen und einen beweglichen Körper beschleunigen kann. Der physikalische Kraftbegriff geht wesentlich auf Isaac Newton zurück, der im 17. Jahrhundert in den drei newtonschen Gesetzen die Grundlagen der klassischen Mechanik schuf. Dabei definierte er die Kraft als zeitliche Änderung des Impulses und identifizierte sie als Ursache für jede Veränderung des Bewegungszustandes eines Körpers.

In der Quantenphysik wird der Begriff Kraft auch in einem übertragenen Sinn verwendet, gleichbedeutend mit dem Begriff Wechselwirkung. Es gibt vier “fundamentale Wechselwirkungen”, die auch als Grundkräfte der Physik bezeichnet werden. Sie bilden die Ursache nicht nur aller bekannten Erscheinungsformen der Kräfte, sondern auch aller in der Physik bekannten Prozesse. Eine der vier Grundkräfte, die Gravitation, wird in der allgemeinen Relativitätstheorie durch die Krümmung der Raumzeit beschrieben. Die drei anderen Grundkräfte werden im Standardmodell der Teilchenphysik durch den Austausch von sogenannten “Kraftteilchen” erklärt.

Der bekannte Schweizer Choreograf Gilles Jobin, eine der großen Figuren des Zeitgenössischen Balletts, der im Jahr 2003 in Buenos Aires im Rahmen des FIBA sein zukunftsweisendes Werk “Moebius Strip” präsentierte, erhielt im Jahr 2012 das Collide@Cern-Stipendium, eine Einladung, in der Großforschungseinrichtung CERN bei Meyrin im Kanton Genf in der Schweiz zu recherchieren und ein Stück zu entwickeln. Am CERN wird physikalische Grundlagenforschung betrieben, und Jobin war von Beginn an fasziniert – denn hier fand er im Prinzip die Theorie dessen vor, was er als Tänzer und Choreograf schon immer intuitiv in die Praxis umsetzte. Wer “Moebius Strip” und “Quantum”, sein momentan in Buenos Aires gezeigtes Werk, das aus diesem Stipendium entstand, beide gesehen hat und vergleicht, wird Parallelen feststellen.

So kompliziert die Quantenphysik für Laien sein mag, Jobin war auf vertrautem Gelände. Sein 50-minütiges Werk “Quantum” ist deshalb zugleich eine hochkomplizierte Ode an die wissenschaftliche Forschung, die er mit den Körpern seiner Tänzer auszudrücken imstande ist, und eine poetische Liebeserklärung an die Kunst, die im Zusammenspiel der Choreografie, der Beleuchtung, die von dem deutschen CERN-Forscher Julius von Bismarck nach physikalischen Gesetzen entwickelt wurde, und dem Klanguniversum, das die Komponistin Carla Scaletti auf Grundlage echter CERN-Geräusche erarbeitete, zum Ausdruck kommt.

Was geschieht anderes im CERN als die Suche nach Antworten auf die vielen ungelösten Fragen des Universums? Und tut die Kunst nicht dasselbe?

Jobin ist ein komplexes Meisterwerk gelungen, das leider beim Publikum in Buenos Aires (zumindest am Freitag) auf eher verhaltene Reaktionen stieß.

(Noch heute und morgen, 6.8. und 7.8., jeweils um 20 Uhr im El Cultural San Martín, Sarmiento 1551, Buenos Aires. Eintritt 150 Pesos.)